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Das Wetter spielt verrückt

Berlin zwischen Jahrhundertsommern und Jahrhundertregen

„Hitze lässt Fahrbahnen aufplatzen“ (tagesschau), „Behörden warnen vor sehr hoher Waldbrandgefahr“ (rbb), „Berlin unter Wasser“ (tagesspiegel). Wer die Nachrichten der letzten Monate und Jahre verfolgt hat, kommt schnell zu der Erkenntnis: Das Wetter spielt verrückt. Sommerliche Temperaturen im Februar, Hitzewellen im Frühling, Starkregen und Hagelstürme im Hochsommer – wie in vielen anderen Teilen Deutschlands treten auch in Berlin und Brandenburg zunehmend Extremwetterereignisse auf. Da wird die Wahl des passenden Schuhwerks schnell zur Nebensache.

Ein Rückblick: Zwischen Starkregen und Hitzerekord

Juni 2016: Vor fast genau zwei Jahren fielen in einigen Teilen Berlins innerhalb weniger Stunden bis zu 50 Liter Regen pro Quadratmeter und damit so viel wie sonst in einem gewöhnlichen Monat. Das Resultat: Vollgelaufene Keller, Tunnel und U-Bahnhöfe. Feuerwehr, Polizei und das Technische Hilfswerk waren im Dauereinsatz. Ein Jahrhundertereignis, las man noch am selben Tag in allen Medien.

Doch bereits ein Jahr später, im Juni 2017 – dem heißesten und nassesten gemessenen Berliner Sommer – wurde wir erneut Zeug*innen eines Jahrhundertereignisses. An einem einzigen Tag regnete es in Tegel fast 200 Liter pro Quadratmeter. Flüge werden gestrichen, Autobahnen gesperrt; es herrscht Ausnahmezustand.

Doch nicht nur Starkregen sondern auch Hitzewellen haben sich in den letzten Jahren gehäuft: Um nur ein prominentes Beispiel zu nennen: #Berlin40 – das Schlagwort in den sozialen Medien, als die 40° Celsius-Marke zum Greifen nah war. So brachte der August 2015 Rekordtemperaturen von 39,5° C in Brandenburg und 38,9° C in Berlin. Während sich die einen im Freibad oder im Park vergnügen, stellen solche Temperaturen für die anderem eine große gesundheitliche Gefahr dar. Dies gilt insbesondere für ältere Menschen, Personen mit Herz- und Kreislaufproblemen sowie Menschen, die im Freien arbeiten. Auch Tiere und Pflanzen leiden unter lang anhaltenden Hochtemperaturen und niederschlagsarmen Monaten – landwirtschaftliche Betriebe, Gärtner*innen und Tierparks sind seit längerem alarmiert.

Ein deutliches Warnsignal: Die Entwickllung der Jahresmitteltemperatur in Deutschland (Quelle: https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-die-erderwaermung-wird-deutschland-kaum-probleme-bereiten)

Die (menschlichen) Kosten des Klimawandels

Klimawissenschaftler*innen überraschen diese Phänomene nicht, denn sie reihen sich in einen klaren Trend ein. In einer Studie aus dem Jahr 2016 präsentiert der Deutsche Wetterdienst (DWD) jüngste Wetterdaten und deutet auf „ein vermehrtes Auftreten von Starkregen in den letzten 15 Jahren“. Auch für Stefan Rahmstorf, Professor im Fach Physik der Ozeane und Forschungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), besteht kein Zweifel, dass die menschengemachte Erderwärmung „zu mehr Hitzewellen, und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu mehr Extremregen(…)“ führt.

Und das mit fatalen Folgen: Hohe Temperaturen und Starkregen haben bereits etliche Todesopfer gefordert und Sachschäden in Milliardenhöhe verursacht. Laut des Rückversicherers Munich Re fielen in Europa im Zeitraum 1980 – 2013 rund 85.000 Menschen – direkt oder indirekt – Wetterextremen zum Opfer. Das Jahr 2003 wird den meisten noch gut in Erinnerung geblieben sein; die hohe Hitzebelastung des „Jahrhundertsommers“ verursachte circa 8.000 frühzeitige Todesfälle allein in Deutschland.

Was die Sachkosten angeht, verursachten Unwetter und Naturkatastrophen im Jahr 2017 in Deutschland einen Schaden von knapp zwei Milliarden Euro (2.000.000.000€). Weltweit lag die Summe sogar bei knapp 330 Milliarden Dollar (330.000.000.000$). Die auf den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 zurückzuführende Veränderung des Klimas – und somit auch des täglich erlebbaren Wetters – wird uns noch in den nächsten Jahren begleiten. Um weitere schwerwiegende Folgen der Klimaveränderung zu verhindern, müssen jetzt dringend Maßnahmen getroffen und Emissionen reduziert werden. Zugleich braucht es zahlreiche Anpassungen, im Bereich der Infrastruktur (Regenwassermanagement, Kaltluftschneisen etc.) sowie der Information und Kommunikation (Frühwarnsyteme etc.)

Berlin soll Klimahauptstadt werden!

Um als Stadt klimaneutral zu werden, muss Berlin seine Emissionen um 95 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Dies mag keine leichte Aufgabe sein; in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen Kosten von Unwettern und Extremwetterereignissen sind Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen gefragt, schnelle, wirksame und sozialverträgliche Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen. Das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK2030) ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, Berlin klimaneutral zu machen, dessen Umsetzung wir aufmerksam verfolgen und kritisch begleiten werden. Daneben gibt es zahlreiche Initiativen und Projekte aus der Zivilgesellschaft – von Energieberatung über Suffizienz bis Urban Gardening – welche dabei helfen wollen, Berlin klimaneutral zu machen. Ohne Vorwissen und mit wenig Zeitaufwand kann man so selbst zum Klimaretter oder zur Klimaretterin werden!

Ohne ein Umdenken in der Energieerzeugung und im Verkehrssektor wird es jedoch nicht gehen. Wir fordern deshalb, dass Berlin deutlich vor 2030 aus der Kohle aussteigt, nur noch klimaneutral gebaut wird und die Fernwärmeversorgung dekarbonisiert wird. Zusätzlich setzen wir uns, unter anderem, für mehr Fahrradstraßen, sichere Radverkehrsanlagen und mehr Lastentransport per Rad und nicht zuletzt für ein Flugverkehrskonzept, das bis zu 50.000 Flüge pro Jahr vermeiden soll, ein. Auch muss die Versiegelung von stadtnahem Grün gestoppt, Biotope geschützt und miteinander verbunden werden. Dies nimmt nicht nur die lokalen und nationalen Entscheidungsträger*innen in die Pflicht, sondern auch jeden einzelnen Bürger und jede einzelne Bürgerin. Hier können alle einen wichtigen Beitrag zu mehr Umwelt-, Klima- und Naturschutz leisten. Für sauberere Luft, gesunde Böden, weniger Lärm und mehr Lebensqualität in unserer wachsenden Metropole. Kurz gesagt: Für eine Zukunft, in der wir gerne leben möchten.

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