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Danke, Fridays for Future!

Schüler*innen-Proteste für mehr Klimaschutz erzeugen Handlungsdruck

Seit über 20 Jahren arbeite ich jetzt mittlerweile im Umwelt- und Naturschutz, beim BUND. Lange genug also, um zu wissen, dass auch schon zu meiner Anfangszeit die Themen „Klimawandel/Klimaschutz“ auf unserer Agenda standen. Man spürte seinerzeit noch direkt die große Aufbruchsstimmung, die vom Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 ausging. Alle waren motiviert, viele neue Initiativen haben sich gegründet, um im Großen wie im Kleinen Beiträge für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf dieser Welt zu leisten. Auch wir beim BUND in Berlin sind natürlich immer wieder am Thema dran (gewesen) und haben uns über all die Jahre an der Tatenlosigkeit so manchen Berliner Senats frustriert die Zähne ausgebissen.

Wenn ich von heute auf diese Zeit zurückblicke und darüber nachdenke, was wir Menschen in Sachen Klimaschutz in der Zeit alles getan haben und wie erfolgreich letztlich auch wir Umweltverbände bei dem Thema waren/sind, lande ich schon noch eher bei einem enttäuschten Grundgefühl. Soviele Jahre reden wir nun über das Thema und gefühlt stehen wir beim Klimaschutz irgendwie immer noch am Anfang. Etliche Klimaschutzkonferenzen und ellenlanges Gefeilsche um Textpassagen in Zusatzerklärungen zu den Klimaschutzabkommen liegen nun hinter uns, aber Umsetzung und vor allem Geschwindigkeit sind hier im Prozess irgendwie auf der Strecke geblieben. Dabei sagen uns alle namhaften Wissenschaftler*innen, dass es doch genau darauf ankommt, weil es beim Klimawandel eben nicht mehr fünf vor, sondern bereits fünf nach 12 ist.
Meine gefühlte Feststellung soll auch überhaupt nicht in Abrede stellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten auch sehr viel auf den Weg gebracht wurde: Ökologisches Bauen, Wärmedämmung, EEG und EEWG, breites Klimaschutz-Engagement/-Bewusstsein in der Zivilgesellschaft, viele Projekte und Aktionen – alles gute Beispiele, dass bereits Einiges passiert (ist). Und natürlich haben auch wir Umwelt- und Naturschutzverbände unseren maßgeblichen Anteil daran, dass die Gesellschaft inzwischen wie selbstverständlich über das Thema redet und dass eben an vielen Stellen schon im Sinne des Klimaschutzes gedacht und gehandelt wird. Ohne diese Erfolge wären wir vermutlich noch viel weiter zurück.

Aber mal ehrlich: Eine richtige Trendwende in Sachen Klimaschutz? Das „große Ding“, wo man das Gefühl hat, jetzt sind wir auf dem richtigen Weg? Haben wir Menschen es geschafft, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die den Klimawandel effektiv stoppen oder zumindest spürbar in seinem Fortgang abmildern? Meldungen aus dem Jahr 2018, wonach der weltweite Ausstoß des Treibhausgases CO2 weiter steigt, dass es ein nahezu ungebremstes Wachstum bei den fossilen Energieträgern Erdöl und Erdgas gibt und auch, dass die Kohlenutzung weltweit zugenommen hat, lassen hier leider erhebliche Zweifel aufkommen. Und der vermeintliche Energiewende-Musterschüler Deutschland „spielt“ in der Top-Ten der weltweit größten CO2-Emittenten leider weiter fleißig mit. Wundern tut’s einen fast nicht, wenn man bedenkt, dass in Deutschland Sektoren wie Agrarwirtschaft und Verkehr und die deutsche Großindustrie insgesamt – immer unter einer politischen Schutzhand – seit Jahren einfach so weiter machen (dürfen) wie bisher.

Dabei liegen die wissenschaftlichen Daten und Fakten aus dem IPCC zum Klimawandel seit Jahren vor und zwar in so erdrückender Form, dass die Frage „Warum passiert jetzt hier nicht endlich mal etwas?“ kaum noch auszuhalten ist. Wir Menschen im Alltag, aber übrigens auch unsere Wirtschaft, die ja gerne wegen „allgemeiner Wohlstandssteigerung“ als Rechtfertigung für so manches Nicht-Tun beim Klimaschutz angeführt wird, müssen jetzt immer öfter den „Realitätscheck“ durchlaufen: Trockene Hitzesommer und Starkregenereignisse setzen uns nicht nur persönlich, sondern eben auch unserer Wirtschaft zu und führen zu teils drastischen ökonomischen Einbußen. Diese ersten sichtbaren Vorboten des Klimawandels sollten eigentlich Alarmzeichen genug sein, um spätestens jetzt zu handeln. Unsere Politik ist aber bislang nicht in der Lage oder nicht willens, bei dem Thema konkret aktiv zu werden und auch die breite Masse der Gesellschaft ist oft zu bequem, bestimmte (klimaschädliche) Verhaltensweisen zu verändern und ggf. sogar auf Annehmlichkeiten zu verzichten.

Kommt jetzt endlich Bewegung in die deutsche Klimaschutzdiskussion?

Ein dickes großes Dankeschön soll deshalb von dieser Stelle aus nun in Richtung der Schüler*innen-Bewegung „Fridays for Future“ gehen. Eine Bewegung, die sich im Fahrwasser der für Klimaschutz schulstreikenden 16-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg nun auch in Deutschland sehr stark etabliert hat und die es quasi aus dem Stand schaffte, der deutschen Klimaschutzdiskussion neue Dynamik zu verleihen. „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Zukunft klaut!“ heißt das einprägsame Motto der Bewegung, der es (lt. ZDF-Politbarometer) innerhalb nur eines knappen halben Jahres gelungen ist, Klimaschutz in der Themenagenda unserer Gesellschaft von ziemlich weit unten nach ganz oben zu katapultieren und zwar sogar noch vor des aufgeregten Deutschen Dauerlieblingsthemas der letzten Jahre – Migration. Das muss man erstmal schaffen!

Aber: Damit musste unsere Gesellschaft anscheinend auch erstmal umgehen lernen. Einige führende Vertreter*innen stürzten sich nämlich sofort reflexartig auf den Aspekt „Schuleschwänzen“. Tenor: Warum demonstrieren die Schüler*innen nicht in ihrer Freizeit am Wochenende für Klimaschutz….OMG! möchte es einem hier entfahren. Anstatt sich des Themas „Klimaschutz“ einfach mal beherzt anzunehmen, wird schnell vom eigentlichen Thema abgelenkt und der Ärger auf die demonstrierenden Schüler*innen projiziert. Unabhängig davon geben diese Reaktionen einen interessanten Aufschluss über den mentalen Zustand unserer Gesellschaft: Regeln einhalten ist im Zweifel wichtiger als Überleben…

Noch absurder wird es, wenn Politiker*innen in ihrer Verzweiflung „Fridays for Future“ offen angreifen. Der inzwischen berühmt-berüchtigte Anwurf des FDP-Chefs Christian Lindner, die demonstrierenden Kinder und Jugendlichen sollten „die Sache“ doch bitte lieber den Profis überlassen, ist ja an Dummheit schon kaum mehr zu überbieten. Aber auch bspw. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak entlarvte sich in der ZDF-Sendung „maybrit illner – Jugend demonstriert – Politik ignoriert?“ (28.3.2019) selbst, indem er gegenüber einer Vertreterin von „Fridays for Future“ zunächst die Bewegung an sich lobte, dann aber direkt kritisch nachlegte, dass er von der Bewegung keinerlei Lösungen angeboten bekäme. Aha. Und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier setzte mit dem Totschlagargument „Wohlstand durch Wirtschaft“ noch einen oben drauf, indem er formulierte: „Klimaschutz wird dann nur funktionieren, wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird“. Es drängt sich einem latent der Eindruck auf, bei einigen politischen Vertreter*innen ist das dramatische Ausmaß der großen verantwortungsvollen Aufgabe „Klimaschutz“ immer noch nicht wirklich angekommen.

Sich das alles vergegenwärtigend, bekommt man auch langsam eine Ahnung, warum zuvor so unglaublich viel Zeit ins Land gegangen ist und Klimaschutz bislang nie richtig beherzt angegangen wurde. Politik jedenfalls hat in Teilen offenbar ihre ganz eigene Agenda in der Hinsicht und kein ernsthaftes Interesse daran, sich ressortübergreifend konsequent für Klimaschutz einzusetzen – national wie international. Im Gegenteil: Wenn man sieht wie einzelne Bundesministerien beim Klimaschutz mitunter regelrecht gegeneinander arbeiten, kommen schnell Zweifel auf, ob Politik und die von ihr geführten Verwaltungen überhaupt noch im Sinne eines mehrheitlichen Wunsches der Bevölkerung nach mehr effektivem Klimaschutz agieren oder hier nicht doch mehr den Interessen großer einflussreicher Lobbyvertreter (z.B. Autoindustrie, Agrarwirtschaft etc.) folgen.

Insofern ist es gut, dass es „Fridays for Future“ gelingt, regelmäßige Öffentlichkeit für das Thema zu erzeugen und damit den Druck auf die Politik hoch zu halten. Es bleibt zu hoffen, dass die Schüler*innen-Bewegung mit einem langen Atem ausgestattet ist und ihren Schwung beibehält. Ihre Forderungen an die Politik haben die Schüler*innen inzwischen stark konkretisiert – was davon am Ende in reale Politik (z.B. in einem guten Klimaschutzgesetz) umgesetzt wird, bleibt auch hier zunächst abzuwarten. Wenn man so will, sind „Fridays for Future“ aktuell also bislang auch noch nicht viel erfolgreicher als jene Akteure, die all die Jahre zuvor beim Klimaschutz aktiv waren. Die Dynamik in dem Thema scheint jetzt gerade aber eine andere zu sein und es besteht zumindest mal wieder so etwas wie Hoffnung auf Besserung. Nicht blenden lassen sollte man sich indes aber von z.B. der Einrichtung eines speziellen Klimakabinetts unter Vorsitz der Bundeskanzlerin höchst selbst. Das klingt zwar richtig nach „Chefsache“, ist aber im schlimmsten Fall leider auch nur eine PR-Aktion der Bundesregierung, um hier kurzfristig den Anschein von Handlungsfähigkeit zu wahren und erregte Gemüter „da draußen im Land“ zu beruhigen.

Wichtig ist, dass „Fridays for Future“ breite Unterstützung von weiteren gesellschaftlichen Bewegungen wie „Scientists for Future“, „Parents for Future“ und uns Umweltverbänden erfahren, damit klar ist, dass es sich eben nicht nur um einen kleinen Ausschnitt unserer Gesellschaft handelt. Aber auch wir als Einzelpersonen dieser Gesellschaft stehen alle, wenn wir es ernst mit Klimaschutz meinen, vor neuen alten Fragen. Klimaschutz wird nämlich nur dann funktionieren, wenn wir uns alle am Ende auch auf irgendeine Form von Verzicht einlassen. Also: Sind wir bereit, das Auto stehen zu lassen und auf öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, weil Benzin teurer werden muss? Sind wir bereit, auf Flüge und Kreuzfahrten zu verzichten? Sind wir bereit, unsere Ernährungsgewohnheiten (z.B. Fleischkonsum) zu verändern? Sind wir bereit, unseren Energieverbrauch zu senken? Ja, auch wenn es jetzt teilweise nach den „ollen Kamellen“ aus der grünen Klamottenkiste der 80er Jahre klingt, muss uns allen klar sein, dass es mehr und besseren Klimaschutz nicht zum Nulltarif und nicht mit einem fröhlichen „Weiter so!“ geben kann.

In jedem Fall: Es wird spannend zu sehen sein, was 2019 noch passiert. Ob das geweckte Interesse in der Politik nun wieder leise schleichend erlischt, ob es bspw. der Bundesregierung gelingt, ein gutes Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen oder ob der nächste Hitzesommer – im wahrsten Sinne des Wortes – noch mehr Feuer in das Thema hineinbringt.

Link: Fridays for Future

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