„Berlin baut… sich zu!“ Mit diesem provokanten Titel hatte der BUND Berlin im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „Immer.Grün lädt ein“ führende StadtentwicklungspolitikerInnen der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien zu einer Podiumsdiskussion geladen. Trotz herrlichem Sommerwetter versammelten sich an die 200 FreundInnen der Stadtnatur im Theater am Moritzplatz, um vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September noch zu hören, wie die PolitikerInnen zum Erhalt der grünen Freiflächen in Berlin stehen.
Neben dem Senator für Stadtentwicklung Andreas Geisel von der SPD kamen Antje Kapek von den Grünen, Katrin Lompscher von der Linkspartei und Wolfram Prieß von den Piraten, um mit dem Publikum, den Berliner Naturschutzverbänden und dem Landesverband der Gartenfreunde Berlin zu diskutieren. Der Vertreter der CDU hatte kurzfristig abgesagt. Aufgrund der vielen Wahlkampftermine schien es auch nicht möglich einen Ersatz für ihn zu finden.
Senator Geisel von der SPD setzt Priorität auf Wohnungsneubau
Senator Geisel wollte auch gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Er sei sich der Bedeutung der grünen Freiflächen für die Lebensqualität in der Stadt bewusst und verwies auf das jüngst verabschiedete Landschaftsprogramm. Aber angesichts der Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt, müssen die Prioritäten auf den Bau neuer Wohnungen liegen. Und dieser werde auch teilweise zu Lasten von grünen Freiflächen gehen. Insbesondere für die Kleingärten war er zu Zugeständnissen bereit. Weitere Kleingartenanlagen als die, die jetzt schon für eine Bebauung vorgesehen sind, sollen mit ihm in der nächsten Legislaturperiode nicht bebaut werden.
Katrin Lompscher von der Linkspartei will strategiesche Flächenplanung
Die Vertreterinnen der Oppositionsparteien suchten die Konfrontation mit dem Senator. Katrin Lompscher konterte mit „Wenn wir sorgfältiger planen, werden wir auch nicht langsamer fertig“. Neue Wohnungen und eine ausreichende Versorgung mit grünen Freiflächen für alte und neue Bewohner sind möglich. Die landeseigenen Flächen sind bald aufgebraucht, ohne eine strategische Flächenvorsorge wird Berlin erhebliche Nachteile bei der Erholung, dem Stadtklima sowie im Natur- und Artenschutz bekommen. Als Bauland könnten auch bereits versiegelte Flächen ausgewiesen werden. Ein Rettungsfonds könnte Laubenpieper dabei unterstützen, ihre bedrohte Kleingartenanlage zu kaufen. Aber auch private Grünflächen in den großen Siedlungen der Wohnungsbaugesellschaften müssten planungsrechtlich geschützt werden.
Antje Kapek von den Grünen setzt sich für einen Stadtentwicklungsplan “Grüne Infrastruktur” und Bürgerbeteiligung ein
Antje Kapek machte sich für einen Stadtentwicklungsplan „Grüne Infrastruktur“ stark. Es braucht konkrete Kriterien für die Grünentwicklung. Die Flächen, die jetzt den neuen Bauvorhaben geopfert werden, müssen ausgeglichen werden. Zukünftig müssen die grünen Freiflächen ein fester Bestandteil jeder neuen Planung sein. Auch reicht es nicht Bäume, Sträucher oder Rasen zu schützen, darüber hinaus muss auch die richtige Pflege gesichert sein. Bei den Verhandlungen mit privaten Investoren sollten das Land und die Bezirke noch mehr auf städtebauliche Verträge setzen, um grüne Freiflächen zu schützen. Dass in diesen oft geheim gehaltenen Verträgen auch immer wieder Vereinbarungen zum Nachteil der grünen Freiflächen getroffen werden, wurde leider nicht angesprochen. Generell müsse es aber eine ausführlichere Bürgerbeteiligung geben und den Mut, im Notfall auch Projekte zu kippen. Dem schloss sich Wolfram Prieß an. Viele Bürgereinwände verpuffen im formellen Verfahren und werden weggewogen. Es braucht neue Beteiligungsverfahren.
BürgerInnen sorgen sich um das Grün vor der Haustür
Im Anschluss an die Debatte auf dem Podium gab es für das Publikum noch die Möglichkeit, sich an der Diskussion zu beteiligen, was auch reichlich genutzt wurde. Viele Anwohner hatten konkrete Fragen an Senator Geisel zu einzelnen Bauvorhaben, die im Detail leider nur schwerlich auf einer Podiumsdiskussion beantwortet werden können. Der Unmut darüber war groß. Viele Bürgerinnen und Bürger sorgen sich um das Grün vor ihrer Tür und die Antworten, die sie von offizieller Seite bekommen, tragen nicht dazu bei sie zu beruhigen. Gerade die Bewohner von Siedlungen, in denen nachverdichtet werden soll, sind oftmals rat- und schutzlos. Der schleichend fortschreitende Verlust der grünen Freiflächen ist in der ganzen Stadt spürbar geworden.
Das Problem, wie neue Wohnungen und die für die Bewohner wichtigen grünen Freiflächen zusammen geplant und geschaffen werden können, wird auch weiterhin eine Herausforderung bleiben. Alle PolitikerInnen auf dem Podium erachten eine Sicherung der grünen Freiflächen und ihrer Qualitäten für notwendig. Die Vorstellungen, wie jedoch eine Bebauung grüner Freiflächen vermieden und stattdessen bereits versiegelte Flächen schneller für zukünftige Bauvorhaben aktiviert werden können, fielen unterschiedlich konkret und konsequent aus.
Herausforderung der nächsten Regierung: „Grünes Berlin“ und „Wachsendes Berlin“ zusammenbringen
Angesichts der ungebremsten Bautätigkeiten wird die neue Regierung, nach den Wahlen ein verlässliches und dauerhaftes Sicherungskonzept für die grünen Freiflächen in Berlin erarbeiten müssen. Der spürbare Verdruss im Publikum zeigt auch, dass es notwendig ist, die Menschen bei der Bebauung ihrer Umgebung mitzunehmen und bei der Planung einzubeziehen. Es mag schwierig sein „Grünes Berlin“ und „Wachsendes Berlin“ zusammen zu bringen, jedoch haben die gewählten PolitikerInnen auch den Auftrag, die vielfältigen Bedürfnisse der Stadtgesellschaft unter einen Planungshut zu bekommen.
Debatte angestoßen
Mit dem Immer.Grün Aufruf möchte der BUND gemeinsam mit den Berliner Naturschutzverbänden und dem Landesverband Berlin der Gartenfreunde eine stadtweite Debatte über den Erhalt der grünen Freiflächen anstoßen. Diese Parkanlagen, Kleingärten, Gewässerufer und Bahnrandflächen, Friedhöfe, grünen Lernorte und Landwirtschaftsflächen leisten einen großen Beitrag für die Erholung der Bewohner, ein angenehmes und verträgliches Stadtklima und sind wertvoller Lebensraum für geschützte Tiere und Pflanzen.
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