In Berlin wird es eine Reihe von dezentalen IGA-Projekten geben. Dazu gehört auch die Gartenstadt Fronau. Die Planung und Umsetzung zur Wiederherstellung stößt nicht bei allen FronauerInnen auf großes Verständnis, denn es sollen viele Bäume darunter Eiben, Kiefern, Fichten und Laubbäume gefällt werden, um neue anzupflanzen. Basis für die Planung ist die Gestaltung von Ludwig Lesser von 1910. Bisher zeichnet sich nicht ab, ob es sich um eine behutsame Rekonstruktion handelt, die berücksichtigt, dass es seit 1910 auch Veränderungen gegeben hat: stadtklimatische, Bedürfnisse der Anwohner, Autoverkehr und ähnliches. Ob diese berücksichtigt werden, ist bisher nicht bekannt. Und da zeigt sich das zweite Problem an dem Projekt. Die transparente, konkrete und verlässliche Planung, mit der sich die BürgerInnen auseinandersetzen können, fehlt. Ohne diese können sie sich nicht einbringen und fühlen sich überfahren, so konnte vielleicht 1910 mit BürgerInnen umgegangen werden, 2017 ist das aber nicht mehr zeitgemäß.
Daher wundert es nicht, wenn AnwohnerInnen, die sich für mehr Stadtnatur und Baumschutz engagieren, das Projekt ablehnen, wie unschwer im folgenden Beitrag mit einer ganzen Liste von Fragen an die Politik und Verwaltung der Frohnauerin Gabriele Scholz zu lesen ist:
“Die Gartenstadt Frohnau soll eines der Vorzeigeprojekte der IGA 2017 werden. Dafür sollen in mehreren Straßen viele Bäume gefällt werden. Diese Maßnahmen sollen erfolgen, um den Zustand von 1910 zu rekonstruieren. Vorlage für diese Planung sind die Pläne von Ludwig Lesser, wie er 1910 die Gestaltung Frohnaus entworfen hatte.
Bezüglich der Umsetzung der Pläne, welche die Fällung zahlreicher Bäume voraussetzen, gibt es seitens des Bezirksamtes Berlin Reinickendorfs widersprüchliche Angaben:
Bei der IGA Info Veranstaltung vom 17.04. 2016 teilte Grünflächenamtsleiter Rüdiger Zech auf Anfrage der Teilnehmer mit, dass keine Bäume in der Welfenallee gefällt werden und der Reiterpfad in der Welfenallee nicht rekonstruiert wird. Die Baumfällungen in den Straßen Sigismundkorso und Wiltinger Str. bestätigte er.
In der Zeitschrift der CDU Frohnau Nr. 82, Sep. 2016, Seite 6 wird jedoch angegeben: “In den Einmündungen in den Sigismundkorso und die Welfenallee werden Wege und Bepflanzung nach historischem Vorbild neu angelegt.”
Die Baumfällungen und Neubepflanzungen in der Wiltinger Str. nach Plänen von 1910 werden in dem von Frank Martin (CDU) verfassten Bericht nicht erwähnt.
Warum wird der Bürger nicht richtig informiert?
Dass die vorhandenen Bäume in den betroffenen Grünanlagen und Straßen der Lebensraum bzw. Brutplatz für geschützte Singvögel und andere Wildtiere sind und eine ökologisch wertvolle Funktion haben, wird bei der IGA Planung von den Verantwortlichen im Bezirksamt Reinickendorf Abt. Grünflächenamt völlig missachtet. Bei allen geplanten Baumfällungen und Neuanpflanzungen ist zu bedenken, dass ältere Bäume pflegeleichter und kostengünstiger sind. Neuanpflanzungen dagegen benötigen sehr viel individuelle Pflege und sind somit wesentlich kostenintensiver. Die Durchführung der notwendigen Pflege für junge Bäume ist stark in Gefahr aufgrund von Einsparung des Personals und der finanziellen Mittel beim Grünflächenamt. Bestes und gleichzeitig sehr trauriges Beispiel für die Fehlplanung des Grünflächenamtes in Frohnau ist das 2007 gegen den Willen der Frohnauer Anwohner entstandene Regenwasserauffangbecken am Edelhofdamm im Brix-Genzmer Park. Seiner Zeit wurden 62 über hundert Jahre alte Kiefern und Buchen gefällt, um dieses Regenwasserauffangbecken errichten zu können. Mittlerweile ist offenkundig bekannt, dass es sich hierbei um eine Fehlplanung handelt. Das Becken erfüllt nicht seine gewünschte Funktion. Neuanpflanzungen rund um das Becken, wie kleine Kiefern und Büsche, sterben jedes Jahr aufs Neue, weil keine notwendige Pflege erfolgt.
Im 21. Jahrhundert kann man eine Gartenstadt in Frohnau nicht nach Plänen von 1910 umsetzen!
Die IGA Planung vom Bezirksamt Reinickendorf Abt. Grünflächenamt sieht vor, dass z.B. am Sigismundkorso auf dem Mittelstreifen zweireihig Bäume gepflanzt werden sollen. Die ist nicht zeitgemäß, da an den Wurzeln der Bäume mit Streusalzschäden zu rechnen ist.
Aus diesem Grund werden Mittelstreifen heutzutage nur einreihig bepflanzt.
Klärungsbedürftig ist:
– Woher kommt das Geld für die vorgesehene Rekonstruierung bzw. Neugestaltung?
Der Bezirk Reinickendorf erhält für die vorgesehene IGA Planung und Gestaltung keine Fördermittel vom Land Berlin
– Wie viel kostet die vorgesehene Renaturalisierung bzw. Neugestaltung in der Gartenstadt Frohnau?
Die vom Bezirksamt bei der Umweltausschußsitzung vom 7.6.2016 angegebenen 50.000€ aus dem Haushaltsetat erscheinen zu niedrig und somit unrealistisch.
– Warum wurde bei der Planung keine ausreichende Transparenz gegenüber dem Bürger vorgenommen?
– Weshalb wurde von den Verantwortlichen nicht von Anfang an mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit mit den Frohnauer Bürgern auf gleicher Höhe kommuniziert und ihnen die Chance gegeben, sich für mehr Grün in ihrem Ortsteil einzusetzen und ev. Verbesserungsvorschläge anzunehmen? (Gemeinsame Gestaltung Frohnaus mit den Bürgern)
– Warum wurden die Pläne von Ludwig Lesser, vorgesehen für 1910, für die Umgestaltung
Frohnaus herangezogen?
– Warum erfolgte die Vergabe der Gestaltung/Planung Frohnaus nicht an eine andere
Firma/Privatperson oder an die Frohnauer Bürger?
– Gab es eine öffentliche Ausschreibung für die Gestaltung Frohnaus im Hinblick auf die IGA 2017?
– Welche Firmen und Privatpersonen sind und werden an der vorgesehenen IGA Planung/Gestaltung finanziell beteiligt?
– Von welchen Geldern werden die beratenden bzw. ausführenden Firmen/Privatpersonen bezahlt?
– Wo sind die ursprünglichen Originalpläne von Ludwig Lesser einsehbar bzgl. der Rekonstruktion, wie er es 1910 plante?
– Wird das Parken der Autos in der Welfenallee durch die vorgesehene Planung beeinträchtigt?
– Wie breit waren die von den Maßnahmen betroffenen Mittelstreifen im Jahr 1910 in der Wiltinger Str. und im Sigismundkorso?
– Muss womöglich eine Verbreiterung der o.g. Mittelstreifen vorgenommen werden und somit ein Rückbau der Straßen erfolgen, damit denkmalgetreu authentisch die Planung der Baumalleen rekonstruiert werden kann und die neu angepflanzten Bäume genug Platz für ihre Entwicklung und Wachstum haben?
Die Verwendung finanzieller Mittel für die unnötigen Baumfällungen fehlen für die notwendigen Sanierungen der vielen maroden Straßen in der Gartenstadt Frohnau in Berlin Reinickendorf.
Bitte überprüfen Sie kritisch unter Berücksichtigung des Naturschutzes die vorgesehene IGA Planung und damit verbundene Fällung zahlreicher Eiben, Kiefern, Fichten und Laubbäume, und
unterstützen Sie den Widerstand vieler Naturfreunde in Frohnau.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Scholz
Welch Irrtum – mit der Neupflanzung von handelsüblichen Baumschulbäumen kann man nicht den Zustand von vor rund 100 Jahren wiederherstellen. Durch die Rodungen werden nicht nur Biotope in Altbäumen vernichtet, sondern auch ursprüngliche, ältere Genome.
Diese weichen etwas von denen der durch Menschenhand selektierten oder gar veränderten Baumschulbäumen ab.
Die Pflanzung von jetzt handelsüblichen Bäumen ist allgemein ein Verstoss gegen die Förderung der ursprünglichen Biodiversität. Abhilfe könnte die Anzucht aus Stecklingen oder Wurzelbrut, Stammausschlägen (nicht Meristemvermehrung) etc. der Altbäume schaffen. Beispiele für dieses fast kostenlose Verfahren gibt es
mehrfach. Günstiger wäre es auch gebietstypische Gehölze entsprechender Spezial-Baumschulen zu nutzen.
Und noch ein Aspekt: Hat man nicht stattliche Bäume haben wollen als man sie als kleine Bäume pflanzte? Wer heute auf den Zustand der frühen Anfangsphasen mit kleinen Bäumen, wie in alten Fotos zusehen, zurückrekonstruiert macht große, unüberlegte gartendenkmalpflegerische Fehler.
Achim Förster, BUND-Südwest