DER FALL WESTKREUZ: ANGRIFF AUF DIE LEGISLATIVE
Inmitten der Umsetzung eines Grün-Konzepts für das Westkreuz-Areal per Bebauungsplan 4-66 platzt der Verkauf großer Teile der 17 Hektar durch die Bahn-Tochter DB Netz AG. Obwohl zunächst ein Erwerb durch die öffentliche Hand zum moderaten Preis angestrebt wurde, ließ man hier nun doch kurzerhand einer Immobilienfirma den Vortritt. Man kann dies als Affront und Anfechtung auf eine Säule unseres Staatsmodells werten. Auf diese Art ist das gewiss ein Höhepunkt in einer Reihe von analogen „Ablieferungen“ an den Kapitalmarkt. Und stark zu bezweifeln ist indes, ob derartige Erlöse vom verkaufenden Unternehmen hier etwa tatsächlich in zuverlässigen Bahnbetrieb investiert werden oder nicht doch eher in Richtung Bundeshaushalt wandern…
Welche Teile des kleinen Garten Edens nun für 6,5 Mio. über den Tresen gingen, ist bislang nicht bekannt. Der ausgehandelte Kaufpreis taxiert um ein Mehrfaches über dem Verkehrswert als Grünfläche, liegt aber meilenweit unter dem potentiellen Baulandes.
So und auf diese Art verlieren die Kommunen ihre Optionen für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung. Und es wird weiter Vertrauen in die finale Oberhoheit von Institutionen der Demokratie verspielt. Nun scheinen alle Mühen und Resultate der Bürgerbeteiligung für die Katz. 220 Parzellenpächter fürchten um Verträge und Zukunft, Anwohner und Naturschützer um eine wertvolle Grünfläche. Bezirk und Senat sind schockiert.
Wann hört dies endlich auf??
DIE WENDUNG EINES TRANSPORT-AUFTRAGS
Die Bahn war hierzulande einmal Verkehrsträger No. 1 – wie heute noch z. B. in der Schweiz – die Politik wollte das nicht. Und seit der Bahn-Reform vor 25 Jahren nach neoliberalem Vorbild und dem Niedergang des Güterverkehrs mutierten die meisten Betriebsflächen zu Immobilien für den „Markt“.
S- und DB-Reisende erleben die Verkaufsfirma DB Netz AG indes via „populärer“ Signal-, Stellwerks- und Weichen-Verweigerungen – und dies im Jahre 2018…. Von der einstmals sprichwörtlichen Zuverlässigkeit scheint sich das größere Interesse der Bahn nunmehr hin zu Immobilienvermarktung jeder Art zu verlagern. Das Motto lautet offensichtlich: Weniger Fokus auf “Bahnverkehr” und mehr hin zum Aufbau von Event- und Erlebnis-Kristallisationspunkten à la Shopping-Center – und na ja, wenn’s denn sein muss, halt auch mit angeschlossenem Bahnhof dran (siehe z.B. Berlin Hauptbahnhof, Ostkreuz oder Alexanderplatz).
DER STATUS QUO
Wird der neue Besitzer von Teilflächen am Westkreuz nun glücklich sein mit einem Naturparadies, geadelt von der Fachwelt und auch Politik ? Wird er in Zukunft die Überfülle „seiner“ Vegetabilien genießen oder sich der Amphibien und Vogelscharen erfreuen?
Die Welt ist selten nur schwarz oder weiß.
Und so kommt es immer wieder vor, dass private Investoren auf ihren Erwerbungen Flora und Fauna dulden – vielleicht sogar fördern. Auch Kommunen sind nicht immer nett, so z. B. das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, dass jüngst versucht, bis zu 1,7 ha einer (bewaldeten) öffentlichen Grünfläche in Bauland umzuwandeln.
Trotz dieser fatalen Vorgänge installiere ich hier die Perspektive, mit dem neuen Eigentümer eine Kommunikation aufzubauen – Traumziel Konsens. Eine neue Konfliktzone sollte uns in dieser Stadt erspart bleiben!
Aktuelles auch unter https://westkreuzpark.de/
Ja, es ist auch ein heimlicher Traum von mir, dass der Käufer, der das Gelände erworben hat, sich mit einem Teil seines Vermögens, dass er in vielen Jahren aufgebaut hat, bei den Berlinerinnen und Berlinern bedankt und ihnen eine tolle Grünfläche mit ein paar Kleingärten zur Verfügung stellt 🙂 Traum zuende. Nun wache ich wieder auf!
Tatsächlich bin ich entsetzt über die anhaltende und rücksichtslose Privatisierung von bundeseigenen Flächen. Vor allem wenn wertvolle Flächen wie das Westkreuz-Areal verramscht werden. Die sich verdichtende Stadt benötigt öffentliche, nicht privatisierte Grün-, Erholungs- und Freizeitflächen, auch weil sich nicht jeder in der Nachbarschaft ein Ferienhaus auf dem Land leisten kann. Wenn die Bahn aufgrund der wachsenden Stadt ihre Verkehrswege ausbauen muss und alle Reserveflächen “verramscht” wurden (wobei der Erlös wahrscheinlich nur für die Gehälter der “Verramscher” aufgebraucht wurde) ist die Stadt gezwungen, die Flächen für einen zigfachen Preis zurückzukaufen…
Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 25.01.2018 Folgendes beschlossen:
„Der Senat wird aufgefordert, derzeit ungenutzte Bahnflächen in seine strategische Stadtentwicklungsplanung einzubeziehen.
• Alle in Berlin befindlichen Bahnflächen sollen in einem öffentlich zugänglichen Kataster erfasst, kartiert und veröffentlicht werden; ggf. wird aus rechtlichen Gründen auf die Angaben zum Eigentümer verzichtet.
• Mit dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und der Deutschen Bahn AG ist eine Vereinbarung zum Umgang mit Plänen zur Stilllegung, zur Entwidmung und zum Verkauf von Bahnflächen abzuschließen.
• Bei der angezeigten Absicht zur Entwidmung von Bahnflächen soll über die Frage, ob Eisenbahnflächen nicht mehr zum Zwecke des Bahnbetriebes benötigt werden, Einvernehmen zwischen EBA und Land Berlin hergestellt werden. Die Bezirke sind frühzeitig über geplante Entwidmungen zu informieren und um Stellungnahme zu bitten.
• Der Senat wird aufgefordert, im Rahmen einer vorausschauenden Liegenschafts- politik stets den Ankauf entwidmeter Bahnflächen – auch aus strategischen Gründen der Bevorratung zur Erfüllung der Aufgaben Berlins in absehbarer Zeit (insbesondere der sozialen Wohnraumversorgung, der Errichtung sozialer Infrastruktur, des Abbaus von Defiziten in der Grün- und Freiflächenversorgung) – zu prüfen. Bei positivem Ergebnis soll das Land Berlin vom gezielten Ankauf oder von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Die Bezirke sind in die Nutzungs- prüfung einzubeziehen und für den Fall, dass bezirkliche Nutzungen realisiert werden sollen, beim Ankauf der Flächen finanziell zu unterstützen.
• Mit der Entwidmung von Bahnflächen sollen das Land Berlin und die Bezirke ihre Planungshoheit dahingehend nutzen,
– die betreffenden Flächen auf ihre Nutzung für verkehrliche Zwecke hin zu überprüfen und gegebenenfalls planerisch zu sichern;
– einen Beitrag insbesondere zur Beseitigung von Defiziten in der grünen und sozialen Infrastruktur sowie zur Deckung des dringenden Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit Problemen in der Wohnraumversorgung zu leisten;
– die Stadtöffentlichkeit frühzeitig und umfassend über die gesetzlichen Pflichten hinaus zu informieren und zu beteiligen, etwa in Ideenwerkstätten, Planungs- beiräten und Zwischennutzungsprojekten etc.;
– in städtebaulichen Verträgen die Umsetzung des Modells der kooperativen Baulandentwicklung durch verbindliche Auflagen zur sozialen und ökologischen Stadtentwicklung standortangemessen sicherzustellen.
Dem Abgeordnetenhaus ist erstmalig bis zum 15.04.2018 und künftig jährlich zu berichten.“
https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002AD428/vwContentByKey/W29CRHL4170PARIDE?open&Wahlperiode=18&Vorgang=18/1006