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Vogelsterben an Glasfassaden – ein verkanntes Problem

Vorstellung der BUND-Studie zu Vogelschutz und Glasarchitektur

© by Claudia Wegworth, Abdruck einer Taube

In Berlin sterben jedes Jahr geschätzt vier Millionen Vögel durch Anprall an Glasfassaden (Vogelschlag an Glas). Dieser menschengemachte Tötungsfaktor wäre durch alternative Bauweisen und gestalterische Schutzmaßnahmen vermeidbar.

Trotz der inzwischen umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über wirksame Vermeidungsmöglichkeiten und auch bestehender Regelungen zur obligatorischen Vermeidung von Vogelschlag an Glas, werden auch in Berlin nach wie vor zahlreiche neue Glasbauten genehmigt und gebaut, ohne, dass dieses Thema in irgendeiner Form berücksichtigt wird. Dabei ist die Einplanung entsprechender Schutzmaßnahmen bei Fassaden, die für Vögel potentiell gefährlich werden könnten, keineswegs freiwillig: Nach dem Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG, § 44 Abs. 1 Nr. 1) stellt ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für geschützte Arten als vermeidbare Konsequenz eines Bauprojekts einen Verstoß dar und ist damit zu vermeiden. Woran liegt es also, dass trotzdem nach wie vor die meisten Bauwerke ohne ausreichende Schutzmaßnahmen gegen Vogelanprall an risikoträchtigen Glasflächen errichtet werden?

Dieser Frage ging BUND-Vogelexpertin Claudia Wegworth in ihrer Studie Vogelschutz und Glasarchitektur im Stadtraum Berlin nach (mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Naturschutz Berlin), die sie am 24. September im Haus der Demokratie und Menschenrechte einem breiteren Publikum vorstellte. Das Ziel der Studie war es, die städtebauliche Situation in Berlin hinsichtlich Vogelschlag zu analysieren und die derzeitige Vollzugspraxis der Behörden bezüglich der Festlegung von Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Vogelschlag zu beleuchten. Eine solche Bestandsaufnahme ist bislang einmalig in Deutschland. Darüber hinaus wurden für die Erhebung auch erstmals die betroffenen Berufsgruppen wie Architekt*innen befragt, um Einsicht über ihren Kenntnisstand und ihrer Positionierung gegenüber der Problematik gewinnen zu können.

Ist Vogelschlag in Berlin die Konsequenz mangelnder Gesetze?

Maßnahmen zur Vermeidung von Vogelschlag an Glas werden bei geplanten Bauobjekten sowie als Nachrüstung im Bestand derzeit ausschließlich von den Naturschutzbehörden unter Berufung auf § 44 BNatSchG eingefordert und angeordnet. Seitens der Stadtplanungsämter sieht man hingegen im Rahmen der Baugesetzgebung keine Grundlage für eine Festsetzung von Schutzmaßnahmen gegen Vogelanprall an Glasbauelementen.

Dass dies jedoch nicht wirklich den Tatsachen entspricht, erläuterte bei der Vorstellung der BUND-Studie Benedikt Huggins von der Westfälischen Wissenschafts-Universität Münster. Zusammen mit seiner Kollegin Prof. Dr. Sabine Schlacke hatte er 2017 im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens die Rechtsfragen der Gefährdung von Arten durch Glas und Licht untersucht und im Juli 2019 in Buchform veröffentlicht: Auch wenn das rechtliche Instrumentarium in Bezug auf den Schutz von Vögeln vor Glaskollisionen verbesserungswürdig ist, bieten neben dem Bundesnaturschutzgesetz auch das Baugesetzbuch und die Bauordnung Berlin durchaus verschiedene Möglichkeiten, einer frühzeitigen Festsetzung  von Vermeidungsmaßnahmen. Jedoch werden diese derzeit in der Vollzugspraxis in Berlin nicht ergriffen. Zudem ist bei einer positiven Bauabnahme oder Baugenehmigung für den Bauherren keine Rechtssicherheit gegeben, da Naturschutzbehörden auf Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes auch im Nachhinein Nachrüstungsmaßnahmen an bereits fertiggestellten Bauwerken einfordern können, wenn dort die Gefahr von signifikant erhöhtem Vogelanprall besteht.

Diese gegenwärtige Verfahrensweise im Vollzug ist für alle Beteiligten nachteilig, denn so können für den Bauherren durch Nachrüstung deutlich höhere Kosten entstehen, als wenn Schutzmaßnahmen schon von Anfang an in die Planung mit eingeflossen wären. Die Einführung eines  frühzeitigen Prüfverfahrens oder konkretere Regelungen im Baurecht könnten hier Abhilfe schaffen. Eine Konfliktbewältigung in der Planungsphase statt im nachgelagerten Verwaltungsverfahren setzt allerdings eine gemeinsame Handlungsstrategie von Bau- und Naturschutzbehörden voraus, so auch das Fazit der BUND-Studie.

Vogelschlag muss ein integraler Bestandteil der Ausbildung werden

Aber nicht nur ein konsequenterer Vollzug und klarere gesetzliche Regelungen sind notwendig, um den millionenfachen Verlust von Vögeln durch Glasanprall zukünftig einzudämmen. Der Schlüssel zur Lösung liegt in einer veränderten Gestaltung von Architektur und Stadtplanung. Architekt*innen und Planer*innen müssen schon im Entwurf Vorsorge treffen, um Glasanprall vorzubeugen. Da jedoch das Thema weder in der Ausbildung von Bauschaffenden vermittelt, noch in Bau- und Naturschutzgesetzgebung explizit benannt wird, gibt es in diesen Berufsgruppen bislang nur ein geringes Problem- und Verantwortungsbewusstsein und wenig Kenntnis über mögliche Handlungs- und Lösungswege. Dabei zeigen sich viele der Betroffenen dem Thema gegenüber allgemein offen und interessiert und sehen gestalterische Lösungsansätze grundsätzlich als eine positive Herausforderung.

Es wäre daher sinnvoll, Bauschaffenden schon in der Ausbildung Wege zur Vermeidung von Vogelanprall an Glas nahezulegen und ihnen parallel auch die rechtliche Verpflichtung auf dem Gebiet des allgemeinen Artenschutzes zu vermitteln. Richtlinien für Nachhaltiges Bauen und Vorgaben für Architekturwettbewerbe sollten das Thema grundsätzlich berücksichtigen und mittels besonderer Auszeichnungen oder Förderprogramme sollte die Umsetzung einer vogelfreundlichen Bauweise begünstigt werden. Öffentliche Bauträger müssen zudem als Vorbild mit entsprechenden Maßnahmen bei ihren Bauprojekten vorangehen.

Nicht zuletzt sollten Publikums- wie Fachmedien motiviert werden, das Thema aufzugreifen, um einen allgemeinen gesellschaftlichen und branchenübergreifenden Dialog zu fördern.

 

Hier geht es zur BUND-Studie Vogelschutz und Glasarchitektur im Stadtraum Berlin

2 Kommentare

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  1. die Sendung Plan B mit dem Beitrag von Claudia Wegworth hat mich sehr interessiert und ich bin auf die Suche nach den Folien im Internet gegangen, die dort als Schutz für Vogelschlag vorgeschlagen wurden. Jedoch ist es mir nicht möglich, diese Folien im Netz zu finden. Können Sie mir Hersteller nennen? auch fände ich es sinnvoll, wenn dieses Produkte in allen Schutzverbänden zum Kauf angeboten würden. z. B. NABU etc.

  2. Liebe Frau Krauß,

    Bei den Folien, die in dem Beitrag gezeigtwurden handelt es sich um das Produkt Opalfilm birdsafe von der Firma Haverkamp:
    https://www.haverkamp.de/de/sonnenschutz-und-folientechnologie/architektur/fensterfolien/vogelschutzfolien/produkt/opalfilm-birdsafe
    Die Folie gibt es zwei Versionen: schwarz/schwarz und schwarz/orange.
    Erhältlich ist sie entweder bei Haverkamp direkt oder bei unterschiedlichen Anbietern im Netz:
    https://www.filmpal.com/de/sonderfolien/vogelschutzfolien/84/vogelschutzfolie-opalfilm-birdsafe-vogelschutzfolie-mit-rautenmuster-schwarz

    Das Muster mit dem diese Folie bedruckt ist, wurde in einer sehr ähnlichen Form auch in wissenschaftlichen Tests als “hochwirksam” eingestuft. Neben diesem Muster gibt es noch weitere Struckturen die sich in diesen Tests bewährt haben, eine Übersicht darüber finden sie hier:
    http://wua-wien.at/naturschutz-und-stadtoekologie/vogelanprall-an-glasflaechen/vogelanprall-an-glasflaechen/kategorie-a
    3mm dicke vertikale Streifen mit 3cm Abstand z.B. sind eine sehr dezente Variante, die inzwischen auch häufig zum Vogelschutz verwendet wird.
    Diese Muster kann man sich aus Folie ausplotten lassen, das bedeutet: auf einer Trägerfolie bleiben nur noch die Streifen oder Punkte o.ä. welche man aufkleben möchte. So lassen diese sich dann einfach (außen!) auf der Scheibe aufbringen und statt einer ganzflächigen transparenten Folie mit Musterelementen, kleben auf dem Fenster nur die einzelnen Streifen.
    Dies wird in der Regel von allen Werbefirmen angeboten die auch Schaufenster und Autos bekleben, die Kosten hierfür liegen in der Regel in etwa bei dem was man auch für die Haverkamp Fensterfolie kalkulieren muss. Im Design ist man hier etwas flexibler.

    Beide Formen der Beklebung kann man schon selbst durchführen, wenn man handwerklich geschickt ist. Ganz einfach ist es jedoch nicht Folien blasenfrei aufzubringen und gegebenenfalls Muster-Anschlüsse akkurat hinzubekommen, weshalb ich eigentlich doch immer empfehle dies von einem Fachman durchführen zu lassen.

    Eine weitere Alternative für kleinere Flächen ist ein opakes Klebeband das man selbst in Streifen auf seinen Fenstern anbringen kann.
    https://www.vogelwarte.ch/de/shop/diverse-artikel/klebeband-oracal-50-m
    An der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach hat man auch noch diese Methode erprobt: schwarze (oder alternativ weiße) etwas dickere Nylonschnüre werden in max.10cm Abstand von einander vor die Fenster gespannt
    Dies ist auch möglich als abnehmbare Variante (Fotos durchklicken), die sich zur Fensterreinigung einfach entfernen lässt:
    https://www.derstandard.at/story/2000055269043/der-selbstgebastelte-artenschutz

    Auf der Webseite des BUND-NRW finden SIe viele weitere wertvolle Tipps zum Thema:
    https://www.bund-nrw.de/themen/vogelschlag-an-glas/loesungen/

    Und über wegworth@bund-berlin.de können Sie sich bei weiteren Fragen zu diesem Thema auch jederzeit gerne direkt an mich wenden.

    Herzliche Grüße, Claudia Wegworth

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