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„Klimaschutz bringt Freude und Freunde“

Interview mit Laura-Marie Strützke - Klimamanagerin des Evangelischen Krankenhauses Hubertus in Berlin-Zehlendorf

Zurzeit steht unser Gesundheitswesen im Fokus der Öffentlichkeit. Kliniken und Klinikbeschäftigte erfahren – endlich – mehr Wertschätzung, denn wir würdigen ihre enormen Leistungen in der Corona-Krise. Was bisher kaum bekannt ist: Viele Kliniken engagieren sich auch für Klimaschutz. Denn gerade Mitarbeiter*innen aus dem Gesundheitswesen erleben, wie der Klimawandel zusehends gesundheitliche Risiken steigert. Eine von Ihnen ist Laura-Marie Strützke, Pflegekraft am Evangelischen Krankenhaus Hubertus in Berlin, die sich auch privat für eine nachhaltig lebenswerte Welt einsetzt. Im Interview mit Projektmitarbeiterin Eva Loy sprach sie über ihre Erfahrungen, ihre Funktion und ihre Begeisterung für „die gute Sache“. Wie funktioniert Klimaschutz in der alltäglichen Praxis einer Klinik – sogar trotz Covid-19?

1) Was hat Sie motiviert, neben Ihrer hauptberuflichen Tätigkeit, zusätzlich die Aufgabe der Klimamanagerin zu übernehmen?

Ich bin Mutter und habe einen 2,5 Jahre alten Sohn. Nach seiner Geburt habe ich mich verstärkt mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz beschäftigt. Es fing mit Pflegeprodukten für Babys an. Ich war erschrocken, dass in diesen teilweise doch Schadstoffe enthalten sind und begann nach besseren Alternativen zu recherchieren. So bin ich dann generell auf den Dreh gekommen und habe mit der Nachhaltigkeitslupe auf alle Lebensbereiche geschaut: Ernährung, Energie, Kleidung – Mir wurde klar, dass alles mit allem zusammenhängt und daraus entwickelte sich ein ganzheitliches Umdenken zum Minimalismus. Bei allen Anschaffungen fragte ich: Muss das wirklich sein? Dafür bin ich bei meinen Kolleg*innen auch schon länger bekannt und erfahre als Klimamanagerin sehr viel Zustimmung. Neben meiner Teilzeitstelle als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Intensivstation des Ev. Krankenhaus Hubertus und meiner Rolle als Mutter möchte ich die Aufgabe des Klimamanagements gerne dauerhaft in mein berufliches und privates Leben integrieren.

2) Gab es einen Moment in Ihrem Leben, der Ihnen klar zeigte: Der Klimawandel hat etwas mit mir persönlich zu tun?

Abgesehen von meinem kleinen Sohn waren zwei Dokumentarfilme von entscheidender Bedeutung. Vor einiger Zeit bin ich mit einer Freundin ins Kino gegangen, um den Film „An den Rändern des Horizonts“ von Greenpeace-Aktivist Markus Mauthe anzuschauen. Sein Portrait indigener Völker in 13 Ländern hat mich zutiefst berührt. Die Lebensräume dieser Völker sind massiv durch unseren Konsum bedroht, der mit Abholzung, Überfischung und viele anderen Ausbeuten der Natur verbunden ist. Etwas später lernte ich im Film „The True Cost“ von Andrew Morgan, was sich hinter den billigen Textilien in unseren Kleiderschränken verbirgt. Zwar habe ich zu diesem Zeitpunkt schon umweltbewusst gelebt und zum Beispiel Bio-Lebensmittel gekauft. Aber das war eben noch nicht in allen Lebensberei-chen der Fall. Danach habe ich den Ursprung von allem, was ich einkaufte, hinterfragt. Warum kostet ein T-Shirt nur zwei Euro? Den wahren Preis zahlen Menschen in Entwicklungsländern und die Natur. Seither stellen wir als Familie vieles einfach selbst her oder kaufen gebraucht.

3) Hat das Ihre Berufswahl und vor allem Entscheidung, Klimamanagerin zu werden, beeinflusst?

Die Berufswahl der Krankenpflege erfolgte ja schon vor meinem nachhaltigen Sinneswandel, aber ich erkenne sowohl im Klimaschutz als auch in der Pflege einige Parallelen. In beiden Bereichen kann ich allein das Leid der Welt bzw. das Leid der Pflegebedürftigen nicht beenden. Aber ich kann im Rahmen meiner ganz persönlichen Möglichkeiten mein Bestes geben, um die Dinge zum Guten zu wenden.
Soziale und ökologische Nachhaltigkeit sind nicht voneinander zu trennen. Genauso wie ich Klimaschutz voranbringe, indem ich im Hier und Jetzt ressourcenschonend lebe, investiere ich auch in jeder Dienstschicht meine ganze Energie. Ich will in der Gegenwart helfen und achtsam sein. Ich möchte meinen Enkelkindern später sagen können, dass ich nicht untätig zugeschaut habe, sondern mich dafür eingesetzt habe, für kommende Generationen eine lebenswerte Welt zu erhalten.

4) Seit wann nehmen Sie den Umweltschutz als persönliche Aufgabe war?

Das können wir am Alter meines Sohnes Theo festmachen: Seit 2,5 Jahren. Davor war mir schlichtweg nicht bewusst, wie schlimm der Zustand unserer Erde wirklich ist. Für uns als Familie wirkte der Sinneswandel hin zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz aber als große Bereicherung. Wir haben heute durch das Konzentrieren aufs Wesentliche mehr Zeit und Ressourcen füreinander.

5) Sie arbeiten seit sechs Jahren am Evangelischen Krankenhaus Hubertus. Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag verändert, seitdem Sie Klimamanagerin sind?

Auf der Intensivstation hat sich meine Schicht nicht verändert. Aber die Kolleginnen und Kollegen reagieren auf meine neue Tätigkeit, sprechen mich häufig darauf an und wollen meine Meinung zu verschiedenen Umweltthemen hören. Ansonsten nehme ich nun zusätzliche Termine wahr, arbeite eng mit unserem Geschäftsführer Herrn Dr. med. Albrecht zusammen und richte wöchentlich einen Arbeitstag als Klimatag aus.

6) Das Evangelische Krankenhaus Hubertus engagiert sich seit gut 20 Jahren für den Schutz des Klimas. Wie fügt sich Ihre Rolle als Klimamanagerin in das gesamte Engagement ein bzw. ergänzt dieses?

Mit meiner Funktion bekommen die jahrzehntelangen Klimaschutzinitiativen am Hubertus im wahrsten Sinne, ein Gesicht. Es wird deutlicher, dass Klimaschutz im Krankenhaus die Aufgabe aller Beschäftigten ist und nicht nur als einzelne Maßnahme funktioniert. Die bisherigen Maßnahmen werden gebündelt, kommuniziert und vom Kollegium noch stärker wahrgenommen als zuvor.

7) Welche bisherige Maßnahme am Hubertus in Sachen Klimaschutz hat Sie am meisten beeindruckt, möglicherweise sogar motiviert, Klimamanagerin zu werden?

Es gibt natürlich die großen Umweltschutz-Projekte des Hauses, die den Mitarbeitenden bekannt sind, wie zum Beispiel der Öltank, in dem wir Regenwasser sammeln. In meiner neuen Position habe ich jedoch erst erfahren, wie umfassend das Engagement darüber hinaus schon ist. Das hat mich sehr beeindruckt. Als Klimamanagerin möchte ich diese Maßnahmen jetzt nach vorne bringen und noch sichtbarer machen. Was mich besonders motiviert: Das ist die familiäre Atmosphäre im Hubertus. Wir sind ein kleines Haus mit kurzen Wegen. Ich erhalte viel Unterstützung von Geschäftsführung und Kollegen. So lässt sich wirklich etwas bewirken.

8) Sie haben bereits im vergangenen Jahr Ende November am regionalen Auftaktworkshop des BUND-Projekts KLIK green teilgenommen. Wie ist Ihnen danach der Einstieg ins Projekt gelungen?

Man könnte sagen, dass meine Stelle als Klimamanagerin im Evangelischen Krankenhaus Hubertus zeitgleich mit dem KLIK green Auftaktworkshop begann. Zuerst musste ich mich dann in das Management des Krankenhauses einarbeiten, habe viel recherchiert und andere Bereiche kennengelernt. Den KLIK green Auftaktworkshop fand ich sehr hilfreich, denn ich kann mich nun mit anderen Klimamanager*innen, die am Projekt teilnehmen, in Verbindung setzen und habe Ideen für mögliche Maßnahmen gesammelt.

9) Momentan beherrscht vielerorts Corona den Alltag in Kliniken. Konnten Sie vor dem Ausbruch der Pandemie bereits erste Ideen entwickeln und/oder Maßnahmen umsetzen?

Ja, denn quasi parallel zur Einarbeitung in die Strukturen des Krankenhauses begannen die Geschäftsführung und ich gleich mit der Planung von Optimierungsmaßnahmen. Gemeinsam haben wir festgestellt, dass es trotz unseres grünen Daumens noch reichlich Optimierungsbedarf gibt und definiert, was wir zuerst umsetzen wollen.

10) Welche waren das?

Insbesondere richteten sich erste Aktivitäten auf das Interne Catering. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden nun klimafreundliche und gesunde Speisen bei Sitzungen oder Festlichkeiten serviert. Darüber hinaus wurde bereits der Anteil an Recyclingpapier deutlich erhöht.

11) Corona, Krankenpflege, Klimamanagement. Wie passt das aktuell – auch zeitlich – zusammen? Wie hat sich Ihr Alltag als Krankenpflegerin und Klimamanagerin seither verändert?

Nach dem Behandlungskonzept des Berliner Senats zur Behandlung von Covid-19-Patient*innen, gilt das Evangelische Krankenhaus Hubertus als Level-3-Notfallkrankenhaus. Von daher gestaltet sich mein Pflegealltag bisher noch wie gewohnt.
Geändert hat sich, dass ich meine Stelle als Klimamanagerin nun im Home-Office erledige und an Weiterbildungen online teilnehme wie das zuletzt zur KLIK green Schulung der Fall war.

12) Welche Ideen und/oder Maßnahmen für den Klimaschutz im Krankenhaus stehen an, wenn COVID-19 eingedämmt werden konnte?

Viele Klimaschutzmaßnahmen sind auch ohne persönlichen Kontakt möglich. Das heißt: Technische Optimierungen und weitere Erhöhung des Anteils an Recyclingpapiers können auch weiter geplant und umgesetzt werden. Parallel bereite ich die Optimierung der Abfallentsorgung, die als nächstes ansteht, vor. Solche Maßnahmen können erst beginnen, wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen persönlich direkt vor Ort arbeiten kann. Ich hoffe, dass dies die Situation bald wieder zulässt.

13) Was kann man von Corona möglicherweise lernen, was den Arbeitsabläufen in der Klinik und dem Klimamanagement zu Gute kommt?

Aktuell merke ich, dass auch im Klinikumfeld Menschen solidarischer miteinander umgehen. Das betrifft PatientInnen genauso wie das Team. KollegInnen unterstützen sich und tauschen sich aus. Das ist gut für die Arbeit und auch für den menschlichen Zusammenhalt.

14) Corona bewirkt unter anderem, dass Kliniken verstärkt wahrgenommen und geschätzt werden. Wie prägt die öffentliche Aufmerksamkeit, Ihre eigene Selbstwahrnehmung als Pflegekraft?

Es freut mich sehr, dass mir in meinem privaten Umfeld noch mehr Dankbarkeit und Interesse zuteil wird als das vorher der Fall war. Außerdem ist es ein schönes Gefühl, Corona direkt die Stirn bieten zu können, sozusagen an der Quelle mitzuhelfen, während viele Menschen gerne mehr helfen würden, aber eben ebenso dankenswerterweise, zu Hause bleiben müssen. Die Anerkennung für meine Arbeit macht mich stolz.

15) Derzeit wird bereits diskutiert, was der Kampf gegen den Klimawandel aus dem jetzigen Umgang mit der Corona-Krise lernen könnte. Wie könnten, Ihrer Ansicht nach, die stärkere Akzeptanz von Maßnahmen in Kliniken auch für Klimaschutzmaßnahmen erreicht werden?

Ich schätze beide Entwicklungen, Klimawandel und Corona, als zu unterschiedlich ein, um aus der einen etwas Konkretes für die andere zu übernehmen. Sie haben mich zu Beginn gefragt: Gab es in meinem Leben einen Moment, der mir zeigte, dass der Klimawandel etwas mit mir zu tun hat? Ich denke, genau diese Erkenntnis braucht man zuerst, um den eigenen Lebensstil zu Gunsten des Klimas in Frage zu stellen und Veränderungen schrittweise umzusetzen. Die Auswirkungen des Klimawandels – etwa auf die Gesundheit – zeigen sich langsamer. Und die nachhaltigen Folgen für uns und den Planeten hängen auf komplexe, manchmal schwer verständliche Weise, zusammen.
Bei Corona ist das ganz anders. Die Pandemie ist sichtbarer, allein durch die Medien, und es ist für jeden leicht zu verstehen, welche Konsequenzen das Virus für den einzelnen Menschen haben kann.
Die Basis für eine stärkere Akzeptanz sind meiner Meinung nach Aufklärung und Information, ohne die Moralkeule zu schwingen oder mit strengen Regeln zu drohen. Auch wenn es mir, zugegeben, manchmal schwer fällt mich auf mich zu konzentrieren. Es zahlt sich aus „nur“ mit gutem Beispiel voranzugehen, anstatt zu ermahnen. Ich packe beispielsweise dann die Tupperbox an der Frischetheke aus und habe meinen Mehrwegbecher dabei. So möchte ich Menschen im Alltag, als Pflegekraft und als Klimamanagerin inspirieren.

16) Es bleibt zu hoffen, dass positive Nebeneffekte, etwa in Hinblick auf soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Wertschätzung von Krankenhäusern, auch nach der Pandemie erhalten bleiben. Was nehmen Sie aus heutiger Sicht persönlich mit?

Generell würde ich sagen, dass aus jeder Krise auch etwas Gutes entsteht. Dazu möchte ich persönlich meinen Teil beitragen und merke derzeit noch mehr als sonst, dass ich den Menschen und dem Planeten helfen will. Natürlich hoffe ich, dass die bereits sichtbaren positiven Nebeneffekte des sozialeren Miteinanders und der Anerkennung zu Konstanten werden. Auch wenn mir jeden Tag bewusst ist, dass ich nicht die Welt retten kann und auf der Intensivstation immer die Bedrohung durch Krankheit und Ängste erlebe: Ich bin von Hause aus ein optimistischer Mensch und werde es bleiben. Jetzt erst recht.

17) Ihre Tipps zum Schluss: Wie gewinnen wir Menschen für den Klimaschutz?

Wir müssen betonen, dass Klimaschutz kein Verzicht ist, sondern Gewinn bedeutet. Wir müssen einfach irgendwo anfangen und selbst testen, wie Klimaschutz im Alltag funktionieren kann. Wenn Sie vier Wochen auf Plastik verzichten, werden Sie schnell merken, dass man nicht vollständig auf Plastik verzichten kann. Aber darum geht es nicht. Der Prozess ist entscheidend und macht großen Spaß. Nach vier Wochen Experimentierphase hat man bereits einen Teil seines Lebens umgestellt und das fühlt sich gut an. Bei mir fing alles mit Babyshampoo an, daraus wurde Schritt für Schritt ein neuer Lebensstil und nun bin ich Klimamanagerin im Evangelischen Krankenhaus Hubertus. Also: Klimaschutz bringt Freude und Freunde, wenn wir locker rangehen und andere inspirieren, anstatt Kritik zu üben.

 

Vielen Dank. Wir freuen uns sehr, dass Sie auch in der aktuellen Situation so viel Zeit für KLIK green und den Klimaschutz finden.

Titelfoto: Klimamanagerin Laura-Marie Strützke vor dem Haupteingang des Evangelischen Krankenhauses Hubertus in Berlin-Zehlendorf. (Fotonachweis: Frederic Schweizer)

 

Der BUND Berlin, die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und das Universitätsklinikum Jena unterstützen mit dem Projekt „KLIK green – Krankenhaus trifft Klimaschutz“ seit Mai 2019 ein klimaneutrales Gesundheitswesen im Sinne des Klimaschutzplanes 2050 der Bundesregierung. Im Projekt erhalten Klinikbeschäftigte die Möglichkeit, im Rahmen eines kostenlosen Qualifizierungsangebots zu lernen, wie insbesondere gering-investive Maßnahmen hohe Einsparungen an Energie, Material und Ressourcen bewirken. Insgesamt sollen bundesweit 250 Krankenhäuser und Reha-Kliniken teilnehmen und, bis zum Projektende im April 2022, als „Kliniknetzwerk für Klimaschutz“ 100.000 Tonnen CO2-Äquivalente vermeiden. KLIK green erhält finanzielle Förderung aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesumweltministeriums (BMU).

www.klik-krankenhaus.de

Weitere Infos zu Klimaschutz im Gesundheitswesen: https://www.bund-berlin.de/themen/klima-ressourcen/energie-klimaschutz/gesundheitswesen/

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