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Treffpunkt grüne Klinik: Ein Spaziergang durch Berlin

Krankenhäuser als grüne Oasen in der Metropole

Überall in Berlin gibt es Orte, die zum Spaziergang einladen. Besonders an heißen Tagen bieten zum Beispiel Friedhöfe oder Schlossgärten willkommene Abkühlung. Als grüne Rückzugsorte schützen sie gegen Hitzewellen, die der Klimawandel immer häufiger auslöst. Was bisher wohl kaum jemand wahrnimmt: Auch Kliniken tragen unlängst zum Stadtgrün bei und gehören nicht weniger zu den „festen Größen“ der Berliner Bezirke. Einige Kliniken gleichen regelrechten Oasen: Sie begrünen kreativ und verfügen über weiträumige, zumeist öffentlich zugängliche, Flächen. Manche Berliner Kliniken halten größentechnisch problemlos mit dem Volkspark Friedrichhain oder dem Schlossgarten Charlottenburg mit. Einige besitzen darüber hinaus nicht weniger Grün als diese bekannten Anlagen, die sowohl Berliner als auch Touristen anziehen. Auch wenn Kliniken sicherlich nicht als touristisches Massenausflugsziel in Frage kommen, steckt hinter der „medizinischen Fassade“ viel mehr. Kliniken öffnen in erster Linie als soziale Einrichtungen ihre Pforten – begrüßen also nicht nur Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden, Klinikpersonal oder Patientenbesuch. Als gesellschaftliche Treffpunkte mit naturnaher Gestaltung fördern sie vielmehr Durchmischung und leisten zudem wichtige Klimaanpassung in Zeiten zunehmender Wetterextreme.

Überzeugen Sie sich gerne selbst. Wir laden Sie ein, am Stadtspaziergang „Treffpunkt grüne Klinik“ teilzunehmen. Gemeinsam widerlegen wir Klischees, denn statt Sirenen lauschen wir Wildbienen und Vögeln. Anstelle steriler Gebäude stoßen wir auf satte Blumenwiesen und üppige Dachgärten. Da sich unsere Route bewusst nicht an bekannten Sehenswürdigkeiten orientiert, sparen wir uns die berühmte Charité und beginnen auch nicht im Zentrum, sondern starten in Lichtenberg.

Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge – Eine Klinik im Landschaftspark

Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge © Eva Loy
Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge © Eva Loy

Wer in Marzahn die Rhinstraße Richtung Allee der Kosmonauten verlässt, stößt vor den Toren Lichtenbergs auf das beinruckende Anwesen des Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge im Landschaftspark Herzberge, der im 19. Jahrhundert zum Krankenhaus gehörte. Der Gegensatz zum industriell geprägten Umfeld versetzt sofort ins Staunen. Im Landschaftspark wechselt sich u.a. Wald mit offener Wiese ab. Auf dem Gelände des Krankenhauses besitzt anteilige Fläche ebenso den Status eines Landschaftsschutzgebietes. Hier sollen gezielt Lebensräume für Arten wie Feldhasen, Zauneidechsen oder Habichte erhalten werden. Das Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge zeigt: Grüne Kliniken steigern Biodiversität. Übrigens besitzt die Klinik eine eigene Tramhaltestelle. Mit der M8 erreichen Sie das Areal sogar auf direkten Wege vom Berliner Hauptbahnhof.

Alexianer St. Joseph–Krankenhaus Berlin-Weißensee – Ehemaliger Bauernhof mit grünen Fassaden

© Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee
St. Joseph Berlin Weißensee © Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee

Vom Osten brechen wir in den Nordosten auf und statten als nächstes dem Alexianer St. Joseph-Krankenhaus in Weißensee einen Besuch ab. Dem Lärm der Berliner Allee entfliehend, befinden wir uns plötzlich auf einer ruhigen und ziervollen Parkanlage. Das Alexianer St. Joseph-Krankenhaus begrünt überall: Auf Stationsdächern wachsen u.a. Rosmarinweide, Heckenkirsche und Ginster. An den Fassaden des Haupt- und Verwaltungsgebäudes ranken sich wiederum wilder Wein, Klettergurke und Clematis empor. Vor dem Hauptgebäude des Krankenhauses schlagen Magnolienbäume und alte Douglasien ihre Wurzeln. Ursprünglich gründeten die Alexianer Brüder das Krankenhaus im Jahr 1893 und betrieben dort einen Bauernhof. Als Selbstversorger nutzten die Brüder ihre Ernte zum Beispiel für eine eigene Bäckerei. Es gelang ihnen damals, den Bedarf des Krankenhauses vollständig zu decken. Unsere zweite grüne Klinik verdeutlicht: Stadtgrün kann und sollte alle freien Flächen nutzen, um Gebäude zu kühlen und Raum für eigenen Anbau zu schaffen.

Evangelische Elisabeth Klinik – Historischer Grünblick inmitten urbaner Moderne

Elisabeth Klinik © Manuel Tennert
Elisabeth Klinik © Manuel Tennert

Und weiter geht es:  Nun machen wir einen Abstecher nach Berlin Mitte. Unweit vom Potsdamer Platz befindet sich dort die Evangelische Elisabeth Klinik am Reichpietschufer. Hier kommt Dachbegrünung sogar unmittelbar vor Patientenzimmern zum Einsatz. Erwiesenermaßen trägt der Blick ins Grüne zur Genesung bei. Die Evangelische Elisabeth Klinik – gegründet 1837 von Pastor Johannes Gossner – war das erste evangelische Krankenhaus in Berlin. Auf diesem historischen Gelände umsäumt naturnahe Bepflanzung alte und neue Gebäudestrukturen mit Lavendel, Blütensalbei, Sommerflieder und sibirische Schwertlilien. Wer das Anwesen betritt, passiert eine der besten öffentlichen Cafeterien der Stadt: Pauls Deli. Die Kantine widerlegt den schlechten Ruf von Krankenhausküche – bietet ausschließlich frische und gesunde Kost an.

Evangelisches Krankenhaus Hubertus – Ein Paradies für Wildbienen im grünen Süden

Evangelisches Krankenhaus Hubertus ©Johannesstift Diakonie gAG
Evangelisches Krankenhaus Hubertus © Johannesstift Diakonie gAG
Evangelisches Krankenhaus Hubertus © Johannesstift Diakonie gAG

Nun machen wir einen großen Satz nach Süden, um genau zu sein nach Zehlendorf, und legen die Strecke bequem mit der S-Bahn Linie 1 Richtung Wannsee zurück. Vor der im Jugendstil erbauten Haltestelle Mexikoplatz geraten sofort uralte Bäume, symmetrische Grünanlagen und zwei Springbrunnen in den Blick. Von dort lassen sich gleich zwei grüne Kliniken zu Fuß erreichen. Alleen und bunte Vorgärten passierend, rechnet man kaum damit, dass es noch grüner wird. Das Evangelische Krankenhaus Hubertus überzeugt vom Gegenteil. Das natürlich begrünte Gelände, durchzogen von vielen Wegen, beherbergt alte Ginkgobäume, Wildblumenwiese und sogar eigene Nordmanntannen für die hausinterne Weihnachtsdekoration. Auch wilde Bienenvölker leben auf dem Anwesen. Kein Wunder, finden sie doch viele Blütenpflanzen wie Sonnen- und Kornblumen, Palmenlilien, Königskerzen, Rhododendron und Rosen vor.

Krankenhaus Waldfriede – Ökologischer Baumbestand im Jugendstilpark

Krankenhaus Waldfriede © René Scheiner
Krankenhaus Waldfriede © René Scheiner

Unsere zweite Station im grünen Süden der Stadt, das Krankenhaus Waldfriede, erreichen wir in 30 Gehminuten. Am Schlachtensee gelegen, pflegt die Klinik auf nur vier Hektar einen umfassenden Baumbestand mit zwölf Arten, die sich in einem stilvoll angelegten Jugendstilpark aufreihen. Die zu Kegeln geformten Eiben gesellen sich u.a. zu Zirbelkiefern, Serbischen Fichten, Sandbirken, Scheinakazien, Edelzypressen und Blutbuchen. Letztere kommen in der Natur und auch auf so manchem Krankenhausgelände insbesondere als Rotbuchen vor, die in ihrer Lebenszeit eine enorme Leistung als Senke und Speicher von Kohlenstoff vollbringen. Ein ausgewachsenes Exemplar, das sich als Solitärbaum in Höhe und Breite ausreichend entfalten konnte, bindet bis zu 4,2 Tonnen. Bäume gehören zu den wirkungsvollsten natürlichen Schöpfungen gegen den Klimawandel. Allein deswegen gilt es, unnötige Baumfällungen in der Stadt unbedingt zu vermeiden.

Wiegmann Klinik – Blühender Garten über den Dächern Berlins

Wiegmann Klinik ©DRK Kliniken Berlin
Wiegmann Klinik © DRK Kliniken Berlin

Der Westen der Stadt darf auf unserem Spaziergang natürlich nicht fehlen. Am Spandauer Damm unweit des Schlosses Charlottenburg befindet sich die Wiegmann-Klinik. Gleich hinter der Eingangspforte beginnt eine Wiese mit Bänken zum Verweilen und Skulpturen mit therapeutischer Wirkung. Das gesamte Gelände gleicht einem Kunstwerk. Die Wiegmann-Klinik besitzt zudem einen der eindrucksvollsten Dachgärten Berlins, dessen abwechslungsreiche Blühfolge über das gesamte Jahr beglückt. Im Frühling sprießen dort beispielsweise Tulpen, Hyazinthen, Osterglocken und Vergissmeinnicht. Nach Maiglöckchen und Pfingstrosen liegt im Sommer ein Schwerpunkt auf bienenfreundlichen Pflanzen wie Lavendel, Malven, Ringelblumen, Margeriten, Löwenmaul und Lichtnelken. In einer Obstecke wachsen außerdem Johannisbeersträuchern, ein Apfelbaum, ein Kirschbaum sowie Himbeeren und Kräuter. Ein kleiner Schattenbereich ist mit Blauregen berankt. Der Dachgarten dient als Therapieort für Patienten und steht auch Mitarbeitern offen. Begrünung trägt nicht nur zur Gesundung bei, sondern steigert auch das Wohlbefinden des Personals.

Karl-Friedrich-Bonhoeffer Nervenklinik – Vom Krankenhaus zum Wald in der Stadt

Karl-Friedrich-Bonhoeffer Nervenklinik © Eva Loy
Karl-Friedrich Bonhoeffer Nervenklinik © BUND Berlin

Unser Spaziergang „Treffpunkt grüne Klinik“ endet im Norden Berlins. Die Route wäre auch unvollständig, würde die ehemalige Karl-Friedrich-Bonhoeffer Nervenklinik in Wittenau fehlen. Zuletzt als Vivantes-Humboldt-Klinikum bekannt, besitzt das Anwesen weiterhin eine eigene S-Bahn-Station, die an den ursprünglichen Namen der Klinik erinnert. Vom Bahnhof Friedrichstraße fährt die S-25 direkt vor die Haustür. Kaum setzt man einen Fuß auf das Gelände, bricht die urbane Atmosphäre unmittelbar ab und das historische, vollständig bewachsene Hauptgebäude gerät in die Perspektive von Besuchern. Sofort dominiert eine waldartige Bepflanzung mit überwucherten Bäumen. Nach dem Rückzug von Vivantes kamen diverse Nachnutzungsideen auf den Tisch. Derzeit dient das große Areal u.a. als Wohnraum für neu angekommene Asylsuchende. Doch auch viele bereits in Berlin Beheimatete finden ihren Weg dorthin und sollten sich auch weiterhin an der schönen Anlage erfreuen können. Die Karl-Friedrich-Bonhoeffer Nervenklinik ist ein gutes Beispiel für Durchmischung an einem grünen Ort. Lesen Sie dazu auch den Blogbeitrag “Bebauungsplan Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik”

 

Fazit: Grüne Stadtentwicklung bedeutet Gesundheitsschutz

In Berlin lädt gut die Hälfte von insgesamt 10.675 Hektar begrünter Stadtgebietsfläche zum Spaziergang ein. Unsere gemeinsame Route verdeutlichte den bemerkenswerten Beitrag, den Kliniken dazu bereits leisten. Um Berlin besser gegen Hitzewellen zu wappnen, brauchen wir zukünftig noch viel mehr. Ein hoher Begrünungsanteil sorgt schließlich dafür, dass die Temperatur im Sommer sinkt und zudem mehr Regen fällt. Anhaltende Werte über 30 Grad, geradezu tropische Nächte und Trockenheit scheinen sich aktuell zu einem bedrohlichen Regelfall mit verheerenden gesundheitlichen Auswirkungen zu entwickeln. Allein im Sommer 2018 starben in Berlin laut Robert-Koch-Institut fast 500 Menschen in Folge von Hitzewellen. Begrünung sieht also nicht nur ansprechend aus und spendet Kühle: Sie rettet auch Leben und entlastet Kliniken. Denn Hitzeerkrankungen erfordern oft stationäre Behandlung und somit steigen an heißen Tagen die ohnehin hohen Versorgungsansprüche. Einige der insgesamt 85 Häuser in Berlin verbessern mit ihrem Engagement und Ihrer Kreativität bereits aktiv das urbane Mikroklima. Weitere Kliniken können diesen positiven Beispielen folgen und jetzt über neue Begrünungskonzepte nachdenken. In jedem Fall sollte sinnlose Bebauung und Bodenversiegelung auf ihrem Gelände ab sofort Tabu sein. Dabei benötigen Kliniken Unterstützung und zwar nicht nur als medizinische Dienstleister, sondern auch als grüne Begegnungsorte mit sozialer Mission. Kliniken erfüllen ihren Auftrag am Menschen zukünftig nur, wenn grüne Stadtentwicklung auch unter der Überschrift Gesundheitsschutz geschieht.

PS Einige der im Text erwähnten Kliniken nehmen an Projekten des BUND Berlins zu Klimaschutz im Gesundheitswesen teil.

Weiterführende Links

Webinformation des Senats zu Daten von öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen

Webinformation des Statistischen Bundesamtes zu Krankenhäusern nach Bundesländern

Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts zu hitzebedingten Sterbefällen im Sommer 2018

Blogbeitrag des BUND Berlin zur Karl-Friedrich-Bonhoeffer Nervenklinik als Ausflugtipp

Webinformation zum Förderprogramm des Senats GrünDachPlus

Artikel über die Geschichte des Alexianer St. Joseph Krankenhauses in Weißensee in der Berliner Woche

Broschüre des Umweltbundesamtes zu Hitze in der Stadt und Klimaanpassung

Webinar Aufzeichnung zur Veranstaltung “Grüner Plan für heiße Städte” von Bündnis 90 die Grünen

Broschüre des Berufsverbandes für Pflegeberufe zum Umgang mit den Auswirkungen von Wetterextremen

Informationen über Klimawandel und Gesundheit auf der Webseite des Projektes KLIK green

Webinformation zu Klimaschutz im Gesundheitswesen beim BUND Berlin

Webinformation zur Dachbegrünung der Wiegmann-Klinik

Webseite der Krankenhaus-Cafeteria Pauls Deli

Webinformation zum Landschaftsschutzgebiet Herzberge

Webinformation von CO2-Online zur CO2 Bindung durch Buchen

Literatur

Ruheinsel inmitten der Stadt: Ein Interview mit Kurt Kastellan, einem ehemaligen Gärtner des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee (Quelle: Quelle: Jubiläumbroschüre des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee: Für die Menschen – mit den Menschen, 2018

Titel: St. Joseph Berlin Weißensee © Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee

3 Kommentare

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  1. Ein schöner Spaziergang durch Berliner Kliniken, finde ich. Dabei zeigt sich, dass unser Gesundheitswesen nicht nur durch direkte medizinische Behandlung eine Vorsorgeleistung erbringt. Auch die räumliche, bauliche Gestaltung der Einrichtungen wirkt sich deutlich auf Mensch und Umwelt aus. Klimaschutz ist so viel mehr als Aktionismus. Vielen Dank für den Beitrag.

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