Rückblick: Am 16. Juni hat die Senatskoalition die Charta für das Berliner Stadtgrün beschlossen, final muss sie noch das Abgeordnetenhaus passieren. Ein schönes Bekenntnis für den Erhalt innerstädtischer Grünflächen aber leider ohne Festlegung konkreter Objekte. Bitteschön – hier sind 10 Hektar berlinweit letztes unberührtes Bahnrefugium dieser Größenklasse zu bewahren, nachdem schon 320 Hektar ähnlicher Art für Stadtklima und -natur verschwunden sind.
Ein Glücksfall: Unsere exzentrische Stadthistorie hinterliess dieses Relikt des 30 Hektar-Rangierbahnhofs Tempelhof. Der Bau der Fernstrecke zum Südkreuz (2006) hatte den Effekt, dass diese Fläche durch Lärmschutz- und Fabrikwände auf gute Weise verschollen ging. So blieb in kompletter Ungestörtheit ein Original der Stadtwildnis vom Typus „Natur der Vierten Art“ (Prof. Dr. Kowarik) erhalten.
Ein klares Senats-Statement an die Adresse der Eigentümerin Deutsche Bahn könnte die festsitzenden Bremsklötze für eine Zusammenarbeit lösen. Die Ingangsetzung langwieriger Unterschutz-stellungsverfahren verspricht beim derzeitigen Personalmangel wenig Wirkung – es braucht praxis- und zeitnahe Lösungen. Eine Plazierung von Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen würde eine mittelfristige Sicherung erreichen. Bei gutem Willen ist eine Erarbeitung und Umsetzung von Pflegekonzepten mit Zielhorizont 2021 durchaus machbar.
Herbstexpedition ins Reich der Eidechsen und Bonsai-Rotbuchen
Was für manche Flora und Fauna die Weinberge südlich des Breitengrads 51 sind, gelten in Berlin die Bahnflächen als mediterrane Zonen. Wärme und Trockenheit wie auf den Parkplätzen der Baumärkte – nur eben aufgrund strukturreicher Schotterflächen als Startbahn für vielfältiges Leben. An diesem Tag erwartet uns eine spätsommerliche Szenerie und überraschend öffentlich versammeln sich Vier- bis Sechsbeiner zum Sonnenbad. Mehrmals gleiten grau-schwarze Reptilien eher unaufgeregt in ihre Verstecke.
Waren das nun Zauneidechsen aus diesjähriger Schlüpfung oder gar mehrjährige Waldeidechsen?
Unsere Schritte über Stock und Stein bewirken zuweilen Kaskaden springender Grashüpfer – ansonsten perfekt getarnt in grau, grün und gefleckt.
Eine Begegnung mit der sagenumwobenen Gottesanbeterin muss wegen neulich kalter Nächte auf nächstes Jahr verschoben werden. Bleibt das Dementi von Fachleuten, dass die Damen jener Insekten mitnichten ihre Partner verspeisen – dieses Gerücht soll im Stress von Laborversuchen entstanden sein…
Die Apfel- und Beerenernte wird den wilden Ansässigen überlassen. Wir besuchen lieber die wunderliche Hundertschaft zwergwüchsiger Rotbuchen, die Ende des Hitzesommers 2019 unbeeindruckt grün posierten, um sich über Lehrbücher und Katalogempfehlungen lustig zu machen.
Die krautigen Bewohner machen einen nachsaisonalen Eindruck. Botaniker*innen aber sind vor einigen Jahren mit 20 Rote Liste-Arten fündig geworden, darunter 9 Zielarten des Berliner Florenschutzprogramms. Auch 2020 ist die Stiftung Naturschutz wieder auf Entdeckungs-tour.
Für die heraufziehende Kunstfliegerei der Fledermaus-Staffeln fehlt die Besinnlichkeit – wg. unseres Termins am Froschteich einer nahen Fabrik…
Möge die Vernunft der Verantwortlichen dieses Denkmal einer (seltenen) Naturförderung durch
Zivilisation erhalten!
Weitere Informationen:
Eine BUND-Dokumentation zum Flora- und Faunavorkommen vom April 2020 finden Sie BUND-DOKU-SÜDGELÄNDE 2- 2020
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