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Wahl-Blog 7: Wann erhält Gewässerschutz endlich politische Priorität?

Lehren aus der Sturzflutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz ziehen - auch für Berlin

© by Hermann Traub from Pixabay

Eine grundlegende Frage in den Medien, die in Folge der Sturzflutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auftrat, ist, ob es überhaupt zu einem wirksamen und rechtzeitigen Umgang mit der Klimakrise kommen wird. Es wurde auch gefragt – aber seltener – ob das Problem der übertriebenen Versiegelung ab jetzt besser behandelt wird. Denn vor allem die vielen zugebauten Flächen sind daran schuld, dass Regenwasser nicht in den Boden versickern kann und stattdessen in kürzester Zeit von Dächern und betonierten Flächen in die Flüsse fließt und hier bei extremen Niederschlägen schwere Überschwemmungen verursacht.

Noch seltener thematisiert werden weitere dringende Landnutzungsfragen, die in jeder Hinsicht genauso ursächlich für schwere Überschwemmungen sind: Hierzu zählen unter anderem fehlende intakte Fluss- und Bachauen als natürliche Überflutungsflächen, keine oder zu schmale Pufferzonen an Gewässern (= ungenutzte Uferrandstreifen), Verrohrungen, Monokulturen in Wäldern und auf Äckern oder begradigte und mit Steinen oder Beton eingefasste Fließgewässer, alias Kanalisierung.

Diese Themen sind nicht neu; Wissenschaftler*innen und Gewässerschützer*innen äußern sich seit Jahrzehnten dazu und warnen vor deren Gefahren. Für sie gab es bei der Überschwemmungskatastrophe nur eine Überraschung, nämlich die mangelhaften Warnsysteme.

Offensichtlich waren die verantwortlichen Behörden und Politiker*innen in der Vergangenheit an diesen Landnutzungs- und Gewässerschutzthemen nicht interessiert oder nicht interessiert genug, um die Mittel für die notwendigen Maßnahmen bereitzustellen, die Überschwemmungen wie diese nachhaltig verhindern können.

Probleme des Gewässerschutzes in Berlin

All diese Fragen sind genauso relevant für Großstädte wie Berlin. Zwar sind Sturzfluten, wie sie in Ahrweiler auftraten, in Berlin eher unwahrscheinlich. Versiegelung, begradigte Flüsse, Monokulturen und fehlende Auen führen aber zu vielen anderen Problemen, um die sich Berliner*innen sorgen: Badeverbote, Wasserverschmutzung, Trockenheit, sterbende Straßenbäume, sinkende Grundwasserspiegel, Artensterben und vieles mehr.

Hier mal eins von zahlreichen Beispielen: die flächenhaften Versiegelungen, die die Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verschärft haben, sind zugleich eine Ursache der Badeverbote in den Berliner Wasserläufen und Seen. Wenn zu viel Regenwasser in die Kanalisation fließt statt in den Boden zu versickern, läuft diese über. So gelangt dann unbehandeltes Regenwasser zusammen mit Fäkalien und andere umweltschädlichen Stoffen über Mischwasserüberläufe in unsere Gewässer. Daher die Badeverbote. Tiere und Pflanzen sind den Stoffen jedoch schutzlos ausgeliefert.

Im Hinblick auf die Wahlen im September wäre es interessant zu wissen, wie die Kandidat*innen zu diesen Themen stehen. Um diese miteinander verknüpften Probleme zu beleuchten, haben wir Mitglieder des ehrenamtlichen BUND-Arbeitskreises Wasser gefragt, mit welchen dieser Probleme sie sich persönlich verbunden fühlen.

Gabrielafür vertrocknete Straßenbäume ist eine freiwillige ad hoc Bewässerung mit Trinkwasser keine wahre Lösung

Für den Schutz der Straßenbäume vor der immer intensiveren Hitze und der Trockenheit musste die Nachbarschaft in den letzten Jahren für die Bewässerung selbst sorgen, jedoch scheint mir das keine langfristige Lösung für die kommenden Jahre zu sein. Obwohl einige Regentonnen dafür aufgestellt wurden, bewässern die meisten Leute in der Nachbarschaft die Bäume mit kostbarem Trinkwasser, während Regen ungenutzt durch die Kanalisation abgeleitet wird, ohne dass Bäume davon profitieren können. Hier erwarte ich von den Entscheidungsträger*innen zukunftsorientierte und ambitionierte Lösungsstrategien, die dem Ausmaß des Problems und eines sich verändernden Klimas – das von Temperatur-Extremen und langen Dürreperioden geprägt ist – gerecht wird.

Christian –  Statt weiter unsere Stadt zuzubauen, braucht es mehr Entsiegelung und lebendige Gewässer.

In meinem Kiez gibt es zu viele versiegelte Flächen. Hier werde ich ein wichtiges Anliegen unseres Arbeitskreises Wasser voranbringen: Die Entwicklung von Regengärten. Ein Gewässer, zu dem ich eine nähere Verbindung habe, ist der Fließgraben. Seine ökologische Situation hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert. Für seine Sanierung fehlt aber das Geld und Personal. In den umliegenden Feuchtwiesen, die noch von einem Storchenpaar genutzt werden, soll eine Umgehungsstraße gebaut werden. Mit meinem Engagement möchte ich erreichen, dass auch dort genug Ressourcen für den Gewässerschutz bereitstehen, mit dem statt der Straße ein ökologisches Entwicklungskonzept für den Wasserlauf und sein Einzugsgebiet erarbeitet und umgesetzt wird.

Sophie – Verschwenderische Gartenbewässerung ist leider häufig – und sind Golfplätze für eine wasserautarke Stadt überhaupt passend?

Ich denke an viele Gartenbesitzer*innen, die ihren Garten sehr intensiv und teils auch unnötigerweise (zum Beispiel kurz vor angekündigtem Regen) wässern – oft bequem, aber auch eher ineffizient per Rasensprenger. Ansonsten habe ich das Problem des hohen Wasserbedarfs der Golfplätze im Kopf. Man muss sich fragen, wie vernünftig ist es, kostbares Wasser für Rasenflächen wie Golfplätze bereitzustellen – vor allem angesichts der Tatsache, dass Berlin, wie fast keine andere Stadt überhaupt, seine gesamte Wasserversorgung über das eigene Stadtgebiet decken muss. Die Senkung des Grundwasserspiegels führt mittlerweile dazu, dass Moore und Wälder austrocknen, obwohl diese sowohl unerlässlich für die Kohlenstoffspeicherung als auch selbst geschützte Biotope sind.

Petra – berufliche Begegnungen mit Abwasser in den Flüssen und dem drastischen Mangel an unbebauten Gewässerufern

In meinem Beruf als Limnologin (Binnengewässerökologin), hat mich an der Panke der Abwasserüberlauf nach Starkregen richtig schockiert. Da floss eine halbe Stunde nach dem Starkregen Wasser, das aussah und roch wie reines Abwasser, direkt in die Panke. Wir wollten nur weg von dem Gestank und hatten die Probenahme zum Glück noch in “sauberem” Wasser durchführen können. Weiterhin sehe ich, wie schleppend in Berlin und Umland die Umsetzung von ausreichend breiten Gewässerrandstreifen vorankommt. Es gibt immer noch Äcker, die direkt am Gewässer enden oder Kühe gar nicht oder nur dürftig vom Gewässer ferngehalten werden. So gelangen Dünger und Pestizide vom Acker und der Weide direkt ins Wasser.

Dagmar – Können Regentonnen Berlins Wasserprobleme entschärfen?

Wie viele Menschen mit Garten habe ich selbstverständlich eine Regentonne. Es spart Trinkwasser! Lässt sich das übertragen auf Berliner Mietshäuser? In einer Stadt, wo die Wasserversorgung so problematisch ist, müsste es klar sein: Können Regentonnen stadtweit eingesetzt werden und quantitativ die Probleme mit Wassermangel und sinkendem Grundwasserspiegel mildern? Wenn ja, dann muss die Stadtverwaltung sie fordern und unterstützen und sich nicht auf freiwillige Initiativen verlassen. Wenn nicht, dann muss man das ehrlich kommunizieren. Wo sind die Daten?

Gewässerschutz ist auch Biodiversitätsschutz

Der Umgang mit unseren Gewässern führt in Berlin zu einem dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt und zu immer stärker sinkenden Grundwasserständen im Zuge einer nicht nachhaltigen Trinkwasserförderung.

Gleichzeitig ist Berlin in einem erheblichen Maße von der Qualität seiner Gewässer abhängig, um seinen Trinkwasserbedarf zu decken. Darüber hinaus spielen die Gewässer und ihre Lebensgemeinschaften eine entscheidende Rolle bei der Abmilderung der Folgen des Klimawandels, die in Berlin durch extreme Hitze oder Starkregenereignisse geprägt sind. Damit gefährdet die Berliner Politik nicht nur die Pflanzen und Tiere, sondern auch die menschlichen Lebensgrundlagen.

Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und der Berliner Strategie für biologische Vielfalt sind die Grundlagen für gute Gewässer eigentlich vorhanden, ihre Maßnahmen werden aber kaum umgesetzt, weil der Gewässerschutz offensichtlich nicht als absolut notwendige Vorsorgepolitik zur Sicherung unserer Wertgüter und unserer natürlichen Lebensrundlagen erkannt wird, weder in Ahrweiler noch in Berlin.

Der BUND-Arbeitskreis Wasser fordert daher das Berliner Abgeordnetenhaus dazu auf, noch vor den Wahlen eine Sondersitzung einzuberufen, in der mithilfe eines Aktionsplans die Umsetzungsdefizite der im Gewässer- und Biodiversitätsschutz ermittelt und angegangen werden. Um für alle Gewässer Gewässerschutzkonzepte entwickeln zu können, müssen die hierfür benötigten finanziellen und personellen Ressourcen gewährleistet werden. Zudem müssen Mindestgrundwasserstände festgelegt werden, um Moore und Wälder vor dem Austrocknen zu schützen. Wer Wasser gebraucht, sollte auch dafür zahlen. In Berlin wird für die Entnahme von Oberflächenwasser bspw. für die Kühlung von Kohle- oder Gaskraftwerken bisher kein Entgelt erhoben. Dies muss dringend eingeführt und dem Gewässer- und Biotopschutz zugutekommen. Außerdem sollten die Verbände und Gewässerinteressierte dabei unterstützt werden, sich am Gewässerschutz beteiligen zu können.

Bisher zeigen sich Berliner Politiker*innen diesen Fragen gegenüber bedauerlicherweise wenig aufgeschlossen. Eine verantwortungsvollere Ausrichtung ist jedoch nur dann wahrscheinlich, wenn die Wähler*innen ihren Kandidat*innen deutlich machen, dass ihnen diese Fragen wichtig sind – und entsprechend abstimmen. Dann würden die Politiker*innen – man hofft – auch zuhören.

 

Weiterführende Links

BUND-Arbeitskreis Wasser

Wassernetz-Initiative des BUND Berlin

Gewässer schützen – EU-Recht umsetzen! Gemeinsame Forderungen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Berlin und Brandenburg

Regengärten für Berlin – Mit bepflanzten Versickerungsflächen auf dem Weg zur Schwammstadt

Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB): Biologische Vielfalt in Binnengewässern – bedrohte Lebensgrundlagen von Natur und Mensch besser schützen. Forschungsbasierte Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Gewässerpolitik

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