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Faszination lebendiges Grundwasser – was wir über das Leben im Berliner Grundwasser bisher wissen

Das Berliner Grundwasser lebt! Zu den Lebewesen im Grundwasser gehören Bakterien und Pilze, aber auch vielzellige Tiere (Metazoen) wie Würmer und kleine Krebse. Diese Lebewesen spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Sicherung der Qualität des Grundwassers und damit unseres Trinkwassers geht, denn die Abbautätigkeiten von Bakterien und Pilzen sorgen dafür, dass krankmachende Keime und Organismen nicht überhandnehmen. Würmer und Kleinkrebse zersetzen das organische Material, das über das Sickerwasser von der Oberfläche eingetragen wird. Dadurch verhindern sie, dass organisches Material die Porenräume des Bodens verstopft. So bleibt der Boden für Sickerwasser von oben durchlässiger und das Grundwasser kann sich besser anreichern.

Schwindende Regenfälle, zunehmende Versiegelung und Bebauung, hohe Grundwasserentnahmen, Schadstoffeinträge und die geothermische Nutzung tragen allerdings dazu bei, dass das Grundwasser in Berlin weniger wird, verschmutzt wird und sich zugleich erwärmt. Diesen negativen Einflüssen können Grundwasserorganismen nur bedingt standhalten. Ihr Vorkommen erlaubt uns daher wichtige Rückschlüsse darüber, in welchem Zustand sich das Grundwasser befindet.

Trotz der wichtigen Funktionen der Grundwasserorganismen und der hohen Belastungen, die auf unser Grundwasser einwirken, wissen wir bislang nur sehr wenig über die Artenvielfalt im Berliner Grundwasser. Diese wurde im norddeutschen Raum bislang unzureichend erfasst und auch für Berlin gibt es hierzu nur wenige Daten.

An dieser Stelle setzt unser BUND-Projekt „Vom Labor ins partizipative Management: das Grundwasser nachhaltig nutzen, wertschätzen und schützen mittels aktiver Bürger*innenbeteiligung“ (gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt) an: Im Rahmen des Projekts möchten wir die schwache Datenlage zu Grundwassertieren mit Hilfe von weiteren Beprobungen verbessern und zu deren Schutz beitragen. In unserem Projekt stehen also die Grundwassertiere im Mittelpunkt, doch hilft es auch allen anderen Lebewesen im Grundwasser, wenn diese besser geschützt sind.

Und ein Anfang ist bereits gemacht! In den letzten Monaten haben wir zehn Beprobungen in Buch, Hermsdorf, Tegel, Wittenau, Spandau, Kladow, Treptow, Pankow und gemeinsam mit einer Schulklasse in Mitte, in direkter Nachbarschaft zum Reichstag, durchgeführt. Die Ergebnisse veröffentlichen wir hier teils zum ersten Mal. Wir nehmen Sie mit auf eine Entdeckungsreise in fast unbekannte Welten!

Zunächst ein Blick in die Vergangenheit

Vor unseren Beprobungen existierten für Berlin bereits Voruntersuchungen, die darauf hindeuteten, dass die hiesige Anzahl und Besiedlungsdichte von Grundwassertieren im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands (vor allem Süddeutschlands) nicht sehr hoch sind. Gestützt wird dies durch die Annahme, dass die letzten Eiszeiten hierzulande die meisten Grundwassertiere verschwinden ließen. Bis heute wirken die Eiszeiten in Berlin und im Norddeutschen Tiefland generell auch durch eine Sauerstoffarmut im Grundwasser nach. Diese bedeutet für Grundwassertiere schwierige Lebensbedingungen.

Zudem konzentrierten sich die Funde der vorherigen Beprobungen auf Bereiche in Oberflächengewässernähe und auf das weniger tiefe Grundwasser. Das Urstromtal und die Nauener Platte im Westen waren dabei deutlich stetiger, diverser und stärker besiedelt als die Innenstadt und die beiden Hochflächen Barnim und Teltow im Süden und Nordosten der Stadt (Grundmoränengebiete).

Eine systematische Erfassung der Grundwasserfauna gab und gibt es bisher jedoch noch nicht und sehr viele Fragen sind nach wie vor offen. In den folgenden Abschnitten stellen wir vor, mit welchen spannenden neuen Entdeckungen wir die bisherigen Untersuchungen aber schon ergänzen konnten – und wofür wir Sie in Zukunft brauchen!

Kleiner Exkurs: Wie funktioniert eine Grundwasseruntersuchung?

Gemeinsame Grundwasserbeprobung in Berlin-Kladow, Foto: Christian Schweer

Die Grundwasserfauna kann mit verschiedenen Methoden beprobt werden. In unserem Projekt nutzen wir für den Zugang zum Grundwasser grundsätzlich Schwengelpumpen – dazu gehören auch die Straßenpumpen auf Gehwegen und Plätzen, die für das Berliner Stadtbild prägend sind. Insgesamt müssen 300 l Grundwasser emporgepumpt werden. Im Idealfall – also wenn die relevanten Messgeräte verfügbar sind – werden vor der Beprobung die Temperatur, der pH-Wert, die Leitfähigkeit und der Sauerstoffgehalt des Grundwassers erfasst, um zu ermitteln, welche Lebensbedingungen an der jeweiligen Grundwasserstelle bestehen. An der Pumpenöffnung, wo das Wasser herauskommt, wird ein Netzsammler (ein sehr feinmaschiges Stoff-Netz mit einer angeschlossenen Auffangflasche) befestigt, das vom Wasser durchströmt wird. Die Tiere, die im hochgepumpten Wasser enthalten sind, gelangen in die Auffangflasche oder bleiben im Netz hängen, und können auf diese Weise gesammelt werden. Im Anschluss zum Pumpen wird das Netz gespült, um alle Tiere in die Auffangflasche zu befördern. Die Probe wird dann weiter gesiebt und kühl gelagert, um sie in Ruhe vor Ort oder zu Hause „portionsweise“ mit Hilfe eines Mikroskops zu untersuchen. Dabei werden die entdeckten Tiere auf die Zugehörigkeit zu einer Großgruppe hin (z.B. Hüpferlinge, Muschelkrebse, Grundwasserasseln) bestimmt und entsprechend gesondert aufbewahrt, d.h. „sortiert“. Eine Bestimmung auf Artniveau braucht in der Regel mehr Zeit und Wissen, weshalb die Tiere an hierauf spezialisierte Forscher*innen gesandt werden

Entdeckungsreisen in die Berliner Unterwelten

Beprobungsaktion am 10.5.2021 in Buch, Hermsdorf, Tegel, Wittenau, Spandau, Kladow und Treptow:

Bei dieser Beprobungsaktion befanden sich die Schwengelpumpen an Orten, die teils mehr, teils weniger durch Schadstoffe im Boden belastet sind. Ein Teil der Pumpen befand sich zudem in der Nähe von Messstellen, bei denen schon in der Vergangenheit Grundwassertiere gefunden wurden. Diese naturräumlichen Besonderheiten ließen erste Vermutungen zu, in welcher Höhe und Diversität wir mit Grundwassertieren rechnen konnten.

Zu unserer großen Freude haben wir an sechs der acht untersuchten Standorte Tiere im Grundwasser vorgefunden. Dies ist außergewöhnlich viel, denn der Gesamtanteil besiedelter Messstellen, der bei den bisherigen Voruntersuchungen in Berlin festgestellt wurde, liegt nur bei 11,6 %.

In absoluten Zahlen haben wir an unserem Beprobungstag 17 Individuen aus insgesamt sieben Grundwassertier-Großgruppen gefunden. Am häufigsten waren Milben, aber auch mehrere Kleinkrebse waren vertreten. Die relativ hohe Zahl an Krebstieren ist angesichts der widrigen Lebensbedingungen im Berliner und allgemein norddeutschen Raum bemerkenswert.

Wichtig ist auch, dass unsere Proben im oberflächennahen Grundwasser verhältnismäßig mehr Grundwassertiere enthielten als Proben in tiefer gelegenen Grundwasserbereichen. Schließlich handelt es sich bei den im Mai 2021 vorgefundenen Tieren vermutlich um Oberflächenarten, die auf einen Eintrag von Oberflächenwasser in das Grundwasser hinweisen. Das entscheidende Ergebnis unseres Beprobungstags ist jedoch: Unabhängig von den einzelnen Eigenschaften der vorgefundenen Grundwasserbewohner konnten wir ein weiteres Mal zeigen, dass das Berliner Grundwasser nicht nur überhaupt lebt, sondern auch von Tieren besiedelt ist. Dies ist deshalb wichtig, weil die Tiere nicht nur selbst zur Sicherung der Qualität des Berliner Grund- und Trinkwassers beitragen, sondern die Analyse ihrer Artenzusammensetzung oft bessere und längerfristige Rückschlüsse über den Zustand des Grundwassers erlaubt als chemisch-physikalische Untersuchungen.

Beprobungsaktion am 24.9.2021 am Brennerberg in Berlin-Pankow

Mit der Beprobung der Schwengelpumpe am Brennerberg im September 2021 konnten unsere vorherigen Beobachtungen weiter untermauert werden: In dieser Probe wurde mit 383 Grundwassertieren eine für Berlin geradezu spektakulär hohe Besiedlungsdichte von Tieren erfasst. Insbesondere scheint dies unsere vorherige Beobachtung zu bekräftigen, dass die Besiedlungsdichte und -vielfalt im oberflächennahen Grundwasser höher ist als in tiefer gelegenen Grundwasserschichten.

Sortierprotokoll des Instituts für Grundwasserökologie IGÖ GmbH

Zwei „Sensationsfunde“ dieses Tages verdienen es, besonders hervorgehoben zu werden:

Zum einen wurden 121 Exemplare von Paracyclops fimbriatus erfasst, einer Hüpferlings-Art, die in Berlin bisher noch nicht gefunden wurde, obwohl sie in Deutschland häufig anzutreffen ist. Es handelt sich um eine Oberflächenwasserart, deren Vorkommen im Grundwasser für Oberflächeneinfluss und eine reichliche Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen spricht.

Zum anderen wurde mit 183 Exemplaren der Muschelkrebsart Fabaeformiscandona wegelini in der Probe eine weitere bisher nicht in Berlin dokumentierte Art vorgefunden. Dies ist umso spannender als über diese Art nur wenig bekannt ist. Darüber hinaus gilt sie als ein „echtes“ Grundwassertier, das oberflächennahes Grundwasser bewohnt.

Die Grundwassertiere und der BUND brauchen Sie!

Unsere Entdeckungsreisen in die Berliner Unterwelten haben also sehr vielversprechend begonnen. Weitere Untersuchungen sind jedoch notwendig, um die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen und zugleich weitere aufregende Funde zu ermöglichen: Im Forschungsfeld der Grundwasserökologie ist noch so viel Neues zu entdecken wie in kaum einem anderen Gebiet.

Und dafür brauchen wir Ihre Hilfe!

Haben auch Sie Lust, neue Arten erstmals für Berlin zu dokumentieren? Möchten auch Sie Ihre Stadt Berlin noch viel intensiver und aus einer ganz neuen Perspektive kennen lernen? Wollen auch Sie Gleichgesinnte treffen und gemeinsam zum Schutz unseres allzu unbekannten Untergrunds beitragen?

Dann sind Sie bei der Grundwasserfauna und bei unserem Projekt genau richtig. Bitte melden Sie sich bei uns – und haben Sie keine Sorge, wenn Sie jetzt (noch) keine Grundwasser-Expert*innen sind: Allen Interessierten vermitteln wir in Schulungen das nötige Handwerkszeug.

Wir freuen uns sehr auf Sie!

Projektwebseite: www.BUND-Berlin.de/grundwasser

Kontakt:

Christian Schweer (Projektleitung)

E-Mail: schweer@bund-berlin.de

Tel.: 030-787900-0

 

Vertiefende Literatur (Auswahl):

Berkhoff, S. / Hahn, H. J. (Institut für Grundwasserökologie IGÖ GmbH): Grundwasserfaunistische Untersuchung einer Schwengelpumpenprobe aus dem Volkspark Berlin. Ergebnisbericht der Untersuchung vom 24.09.2021 (2022), einsehbar unter:

https://www.bund-berlin.de/fileadmin/berlin/Bericht_am_Brennerberg_Berlin_2022_01_14.pdf.

Hahn, H. J. / Matzke, D. / Kolberg, A. / Limberg, A.: Untersuchungen zur Fauna des Berliner Grundwassers – erste Ergebnisse. Brandenburg. geowiss. Beitr. 20 (2013), 1/2, S. 85–92.

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