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Fast 300 Teilnehmende bei Konferenz zum tierfreundlichen Bauen

Praxislösungen gibt es, Bauschaffenden fehlt aber oft der Überblick

Foto: Nicolas Scheuer (CC BY-SA 2.5) © by Nicolas Scheuer (CC BY-SA 2.5)

Lichtverschmutzung, Vogelschlag an Glasscheiben, die Zerstörung von Biotopen durch Neubauprojekte. Die Bautätigkeit ist eine Bedrohung für Habitate und Populationen. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, viele Einflüsse zu reduzieren oder sogar neue Lebensräume zu schaffen. Doch oft wissen Architektinnen und Architekten und weitere Bauverantwortliche gar nicht so genau, was möglich ist oder im Zweifelsfall auch nachträglich von Naturschutzbehörden angeordnet werden kann.

Die Fachtagung Architektur und Biologische Vielfalt, die am 27. September am Deutschen Architekturzentrum Berlin stattfand, war als Einstieg in den Dialog gedacht. „Der direkte Austausch zwischen Wissenschaftler*innen zum Artenschutz an Bauten und jenen, die Bauvorhaben umsetzen, ist etwas Besonderes, das es in dieser Form bisher nicht gegeben hat“, sagt Claudia Wegworth vom Umweltverband BUND Berlin. Sie ist fachliche Leiterin der Konferenz, die zusammen mit dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UFU) veranstaltet worden ist. Die Finanzierung sicherte das Bundesamt für Naturschutz.

„Ich kann sagen, dass uns die Frage der biologischen Vielfalt uns im Ministerium alltäglich umtreibt“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Chris Kühn (Grüne), in seinem Grußwort. Neben vielen anderen Krisen sei auch jene der biologischen Vielfalt eine, „die uns im Kern treffen“.

„Der Biodiversitäts-Fußabdruck der gebauten Umwelt muss um 85 Prozent reduziert werden“, sagte Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Bezug auf Forschungsergebnisse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). „Es ist die letzte Gebäudegeneration, die wir haben, um es wirklich richtig zu machen“, so Lemaitre weiter. Unter diesem Blickwinkel, aber auch aus Gründen der Energieeffizienz, seien „vollverglaste Gebäude kein Zukunftsmodell mehr“, unterstrich sie.

„Wenn wir Tiere in der Planung berücksichtigen, dann als Problem. Weil sie geschützt sind und wir nicht mehr bauen können, wie wir das geplant haben“ beschrieb Prof. Dr. Wolfgang W. Weisser von der Technischen Universität München den bisherigen Planungsansatz. Gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas E. Hauck von der Technischen Universität Wien hat er als Gegenentwurf das Konzept des Animal Aided Design, also eines von Tieren unterstützen Entwerfens, entwickelt. „Das Prinzip ist einfach, dass man von Anfang an entscheidet: Für welche Tiere möchte ich planen?“, erläuterte er. Zuvor werden die in einem definierten Umkreis vorkommenden Arten kartiert und schließlich einige Zielarten ausgewählt. „Dann können wir sagen, was benötigt wird und dem Gestalter sagen: Das Tier braucht das. Ob das auf dem Dach, dem Weg oder woanders ist, ist dem Tier egal“, so Weisser weiter.

Aber: Nistkästen allein nützen nichts, die Tiere müssen auch Nahrung finden. „Es geht immer um die Vegetation, das ist ein ganz zentraler Punkt“, unterstrich sein Kollege Thomas E. Hauck. Der Klimawandel führe beispielsweise den gemähten Rasen immer mehr ad absurdum. Daher gehe es darum, “neue ästhetische Präferenzen zu finden, die den Zielarten zugutekommen”, so Hauck weiter. Teuer muss das nicht sein. „Die Kosten sind relativ gering. Peanuts gegenüber einem Stellplatz in der Tiefgarage“, sagte Hauck.

Cosima Lindemann, die Vorsitzende des Naturschutzbundes Rheinland-Pfalz, sprach über Möglichkeiten und Grenzen des Naturschutzes. Die Klimakrise führe auch dazu, dass alte Gewissheiten überdacht werden müssten. Beispielsweise, dass Nistgelegenheiten für Vögel nicht an Nordseiten platziert werden sollten. An heißen Tagen konnte inzwischen beobachtet werden, wie Mauersegler ihre Brut an beschattete Plätze umsetzen.

Diplom-Ingenieur Martin Rössler berichtete sehr detailliert, wie er in den Collision Labs an der Biologischen Station Hohenau-Ringelsdorf in Österreich ein wissenschaftliches Verfahren entwickelt hat, um zu prüfen, welche Art von Markierungen auf Glas Kollisionen von Vögeln zuverlässig vermeiden. In seinem Testtunnel werden die Probanden übrigens mit einem Netz vor der Glasfläche abgefangen. Ihnen droht nicht das Schicksal der geschätzt 500 Millionen bis eine Milliarde Vögel jährlich, die jeweils in Europa und Nordamerika Opfer dieser Kollisionen werden. Jährlich werde so viel Fassadenglas verbaut, dass sich die Strecke Berlin-Peking mit einer 100 Meter hohen Glaswand ausrüsten ließe, verdeutlichte Rössler die Dimension.

„Unser Interesse war das Aussehen und nicht die Natur“, räumte Architekt Jan Musikowski vom Büro Richter Musikowski ein, dass das Futurium in Berlin nahe des Hauptbahnhofs entworfen hatte. Der 2019 eröffnete „Ort für Präsentation und Dialog zu Wissenschaft, Forschung und Entwicklung“ wurde mit speziellen Folien optimiert, um Vogelschlag zu vermeiden. „Das Problem ist aus meiner Sicht, dass man als Architektin oder Architekt mit wahnsinnig vielen Regularien konfrontiert ist. Was helfen würde, wären konkrete Leitfäden, die nicht eine extra Studium erfordern“, sagte Musikowski. Mit dem heutigen Wissen hätte er vielleicht manche Planungsentscheidung anders getroffen.

Felix Hofmann von der Zeitschrift Arch+ hatte zahlreiche Beispiele zusammengetragen, die zeigen, wie auch heute schon mit Glas gebaut wird, ohne dass für Vögel ein Problem ein Problem daraus erwächst.

Auf allen Ebenen der biologischen Vielfalt stellt Lichtverschmutzung eine ernsthafte Bedrohung dar.

Dr. Franz Hölker vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei beleuchtete das Thema Lichtverschmutzung und deren massiver Einfluss auf Pflanzen, Tiere und auch Menschen, nicht nur was den Schlafrhythmus betrifft. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei die nächtliche Beleuchtungsintensität jährlich um drei bis sechs Prozent gewachsen. Gerade bei Insekten führe nächtliche Beleuchtung zu einem Staubsaugereffekt. „Die ganze Lebensgemeinschaft, sowohl in der Luft als auch am Boden, hat sich geändert“, berichtete er über den Effekt. Brückenbeleuchtung habe auch einen deutlichen Einfluss auf Wanderfischarten. „Auf allen Ebenen der biologischen Vielfalt stellt Lichtverschmutzung eine ernsthafte Bedrohung dar“, so Hölker. Dabei handele es sich bei biologischer Vielfalt nicht nur um Artenvielfalt, sondern auch die Anzahl von Individuen einer Population.

„Lassen sie das Licht aus. Es gibt kein umweltfreundliches Licht“, schickte Annette Krop-Benesch von der Initiative Nachhaltig Beleuchten ihrem Vortrag voraus, bei dem es um empfehlenswerte Praxislösungen ging. So beleuchtungsschwach und punktgenau wie möglich und nie in den Himmel sollte es nachts strahlen. Außerdem sollte der Blau-Anteil des Lichtes so niedrig wie möglich sein. „Für Fußgänger:innen reichen zwei Lux aus“, so die Expertin und unterstrich: „Es gibt eine Verkehrssicherungspflicht, aber keine Beleuchtungspflicht.“ Die Beleuchtung von Bäumen sei „ein absolutes No-Go. Die kriegen einen Burn out und merken auch nicht, wenn Herbst wird und werfen die Blätter nicht ab.“

In der Abschlussrunde zeigte sich, dass ein guter Anfang gemacht ist, um den Dialog mit Bauverantwortlichen zu vertiefen. Vor Ort nahmen rund 80 Personen an der Fachtagung teil, online waren weitere 200 zugeschaltet.

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