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Friedhof in Gefahr


Update

Mit der Wahlwiederholung haben sich nicht nur die Verhältnisse im Abgeordnetenhaus verändert, sondern auch in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Damit haben Grüne und SPD in Tempelhof-Schöneberg für den Bebauungsplan auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in Mariendorf keine Mehrheit mehr. Sie brauchen jetzt einen dritten Verbündeten und sowohl Vertreter*innen von CDU als auch von den LINKEN haben vor den Wahlen das Planverfahren zur Bebauung abgelehnt.

Zudem besteht die neue Zählgemeinschaft in Tempelhof-Schöneberg seit dem Abend des 17. April 2023 aus Grün-Rot-Rot. Leider bedeutet das noch nicht, dass der Bebauungsplan (B-Plan) deswegen in der BVV abgelehnt wird, da sich trotz der Zählgemeinschaft andere Mehrheiten für einzelne Projekte bilden können. Dennoch kämpfen wir mit den Anwohner*innen weiter dafür, dass die ökologisch wertvolle grüne Friedhofsfläche erhalten bleibt und der B-Plan in der BVV abgelehnt wird.

Wir waren in den vergangenen Monaten sehr aktiv und haben uns mit vielen Politiker*innen aus dem Bezirk getroffen. Es fanden Vor-Ort-Begehungstermine statt u.a. mit der Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung Frau Schöttler und dem Abgeordneten Herrn Lars Rauchfuss. Auch auf der Informationsveranstaltung des Projektentwicklers, der das Projekt und die bisherigen Gutachten vorgestellt hat, haben wir unsere Position deutlich gemacht.

Des Weiteren hat unsere Stellungnahme zum Beteiligungsverfahren der geplanten Änderung des Flächennutzungsplans (FNP), in der die Fläche von Friedhofsfläche“ und „Grünfläche“ in „Wohnbaufläche“ umgewandelt werden soll, etwas bewirkt. Es findet nun eine erneute öffentliche Auslegung statt und es gibt wiederum die Möglichkeit, bis zum 26. Mai 2023 Stellungnahmen zu dem Verfahren der Umnutzung abzugeben. In der Begründung der erneuten Auslegung heißt es: „Aufgrund der vorgetragenen Hinweise und Stellungnahmen sowie Ermittlungen im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens wurden Ergänzungen in der Begründung und im Umweltbericht vorgenommen“.

Wir werden weiterhin professionellen juristische Hilfe benötigen, um gegen das Bauvorhaben ggf. rechtliche Schritte einzuleiten. Unterstützen Sie unsere Arbeit daher gerne mit einer Spende:

BUND Berlin

Bank für Sozialwirtschaft

IBAN: DE55 3702 0500 0003 2888 00


Friedhof in Gefahr

Friedhöfe in Berlin gehören mit zu den schönsten grünen Orten in unserer Stadt. Es sind mystische Orte, die neben der Bestattung der Verstorbenen und Orte zum Trauern für Angehörige, auch Rückzugsorte für Menschen sind, die Ruhe und Erholung suchen. Viele historische Gräber sind Zeitzeugen unserer Geschichte durch einige Jahrhunderte hindurch. Darüber hinaus haben sie eine herausragende Bedeutung für das Stadtklima und die Artenvielfalt. Es sind wertvolle Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten und besitzen einen großen ökologischen Wert für Berlin. Neben der hohen Bedeutung für die Biodiversität Berlins haben Friedhöfe als innerstädtische Grünflächen auch eine unverzichtbare Funktion als Strukturen des Biotopverbundes. Ein Verbund von Biotopflächen ermöglicht den Tieren Streifzüge und Querungen durch die Stadt.

Leider unterliegen selbst Friedhöfe in unserer Stadt einem gewissen Nutzungsdruck. Einige Flächen auf Friedhöfen werden für Bestattungen zukünftig nicht benötigt und wecken daher vielerlei Begehrlichkeiten. Im letzten Bericht zum Friedhofsentwicklungsplan von der Verwaltung sollen diese nicht für Beerdigungen genutzte Flächen anderen Funktionen zugeführt werden. Allein 80 Hektar (1 ha = 10.000m²) davon sollen für gewerbliche, infrastrukturelle, bauliche oder anderweitige wirtschaftliche Interessen genutzt werden.

Einer dieser Friedhöfe, die jetzt zur Hälfte der Fläche für eine bauliche Nutzung umgewidmet werden soll ist der Dreifaltigkeitsfriedhof III in Berlin-Mariendorf.

„Der 1897 angelegte Dreifaltigkeitsfriedhof III war der dritte Friedhof der ehemals in der Friedrichstadt (Berlin-Mitte) gelegenen Ev. Kirchengemeinde Dreifaltigkeit. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Friedhofskapelle sowie das Friedhofsportal und das Wohnhaus mit ehemaliger Trauerhalle wurden von dem Architekten August Orth entworfen. Die Gebäude stehen unter Denkmalschutz.

Auf dem Friedhof gibt es eine Kriegsgräberanlage von ehemaligen BVG-Angehörigen, darunter eine Vielzahl von Zwangsarbeiterinnen, die alle am 24. August 1943 bei einem Fliegerangriff ums Leben kamen. Auf dem Friedhof Dreifaltigkeit III befinden sich auch die Gräber des politischen Flüchtlings Cemal Kemal Altun (1960–1983) und von Ulrike Meinhof (1934–1976).“[1]

Wohnraum versus Lebensraum

Mäusebussard, Image by Yvonne Huijbens from Pixabay

Jetzt sollen 50% der ehemaligen Friedhofsfläche Neubauten weichen und damit werden große Flächen dieser grünen Oase versiegelt. Der ökologische Wert dieser ehemals strukturreichen und kleinteiligen Diversität vieler unterschiedlicher Biotope würde verloren gehen. Eine den Hauptweg nach Süden begleitende Allee und eine den Kapellenplatz beidseitig säumende Baumreihe (mit Altbaumbeständen) sowie weitere Einzelbäume wie Linden, Kiefern, Eichen sind bedroht. Sie sind zugleich auch Unterschlupf und Brutstätte für viele Vogelarten wie Stare, Grauschnäpper und Mäusebussard.

Die Ruhe der vorhandenen Gräber und das Gedenken der Verstorbenen durch trauernde Angehörige bekäme einen anderen störenden Charakter, insbesondere in der aufwändigen Bauphase.

Bis zum 14. Oktober findet noch ein Beteiligungsverfahren statt, zur geplanten Änderung des Flächennutzungsplans (FNP). Bisher wird die Fläche im FNP als „Friedhofsfläche“ und „Grünfläche“ gekennzeichnet. In der nun vorliegenden Änderung soll die Fläche im FNP von „Grünfläche“ in „Wohnbaufläche“ umgewandelt werden.

Es ist wohl unstrittig, dass wir weitere Wohnungen bauen müssen, aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen und alternative Standorte prüfen und aufhören Wohnraum gegen Natur auszuspielen. Bei der Bauleitplanung muss sich der Bezirk mit aufdrängenden oder naheliegenden Alternativen beschäftigen. Die Alternativenbetrachtung ist die unter den tatsächlichen Gegebenheiten bestmögliche Lösung für die städtebauliche Entwicklung. Auf Ebene der Planung muss geprüft werden, ob andere Flächen zu Verfügung stehen, welche nicht mit einem derart weitreichenden Eingriff in den Naturhaushalt verbunden sind, um die Schaffung von Wohnraum zu realisieren.

Der Bezirk muss sich mit allen möglichen Optionen beschäftigen, um die Fläche in ihrem jetzigen Zustand vollständig oder überwiegend zu erhalten und andere urbane Räume und Flächen für die Schaffung von Wohnraum zu nutzen. Etwa großflächige Stellplatzanlagen für Kfz, welche im Bezirk Tempelhof-Schöneberg in relevanter Quadratmeterzahl existieren.

Im Landschaftsprogramm von Berlin wird die auf dem Friedhof zu bebauende Flächen bisher wie folgt bewertet:

  • Entwicklung/Sicherung von sonstigen, für die biologische Vielfalt bedeutsame Flächen und Artenreservoiren
  • Landschafts- oder siedlungsraumtypische Grün- und Freifläche/Vegetationsbestand
  • Grün- und Freifläche
  • Sonstiger Boden mit besonderer Leistungsfähigkeit
  • Friedhof

Im der von der Senatsverwaltung erstellten Umweltprüfung zur Änderung des Flächennutzungsplanes wurde unter der Prognose der Auswirkungen für Tier- und Pflanzenwelt folgendes festgehalten: „Durch die über mehr als 120 Jahre kontinuierliche Nutzung als Friedhof konnte sich im Änderungsbereich sowie in seinem direkten Umfeld ein für die biologische Vielfalt bedeutsamer Lebensraum entwickeln, der insbesondere im Verbund mit den angrenzenden Friedhofs- und Freiflächen einen innerstädtischen Rückzugsraum bietet. Mit Umsetzung der geplanten FNP-Änderung sind nachteilige Auswirkungen auf die Lebensraumfunktionen und das Art- vorkommen zu erwarten, da es aufgrund von Versiegelung, der Neustrukturierung und Nutzungsänderung zum anteiligen Verlust von Vegetationsflächen – gegebenenfalls einschließlich Einzelbäumen – und Versiegelungen sowie Lebensraumveränderungen kommen wird.“[2]

Wir werden kämpfen

Dieser Teil des Friedhofes wird der Bebauung zum Opfer fallen

Friedhofsflächen sind zu wertvoll um Bauland zu werden, zumal sie neben ihrer ursprünglichen Bestimmung schon seit vielen Jahren auch weitere wichtige Aufgaben für die Stadt wahrnehmen, wie den klimatischen Ausgleich, die Versickerung von Niederschlägen und mit Naturerfahrung verbundene Erholungsnutzung. Diese ausgleichenden Funktionen werden insbesondere vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung gerade in Zukunft dringender denn je benötigt.

Gemeinsam mit den Anwohner*innen und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz sprechen wir uns für den Erhalt dieses naturschutzfachlich sehr wertvollen Stadtgrüns aus. Wir fordern den Bezirk auf, eine Alternativfläche im Bezirk zu suchen, die für diese Planungen besser geeignet ist, zumal die Eingriffe vor Ort nicht ausgeglichen werden können.

Der BUND Berlin e.V. hat einen Anwalt eingeschaltet, um gegen das Bauvorhaben ggf. rechtliche Schritte einzuleiten. Unterstützen Sie diese Arbeit mit einer Spende:

BUND Berlin
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE55 3702 0500 0003 2888 00

[1] Friedhof Dreifaltigkeit III Kurzporträt auf www.evfbs.de

[2] Akte Umweltprüfung zur Flächennutzungsplan-Änderung 02/18, Eisenacher Straße / Steinhellenweg (Bezirk Tempelhof-Schöneberg) – Umweltbericht (Teil 2 der Begründung

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