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Flächenfresser Parkplätze

Stellflächen für Autos an Berliner Straßen müssen deutlich reduziert werden

© by ParkplatzTransform/Hans Hack

Knapp 230.000 Parkplätze auf öffentlichem Straßenland gibt es in Berlin innerhalb des S-Bahn-Rings. Das entspricht rund 400 Bundesliga-tauglichen Fußballfeldern oder 20-mal der Fläche des Mauerparks. Zu diesem Ende Oktober vorgestellten Ergebnis ist die Initiative ParkplatzTransform im Rahmen ihrer dreijährigen Recherche gekommen. Für einen Teil des Stadtgebiets – vor allem dort, wo Parkraumbewirtschaftung eingeführt worden ist – liegen offizielle Verwaltungszahlen vor. Der Rest ist von Freiwilligen mithilfe einer eigens entwickelten App Straße für Straße erfasst worden.

Tatsächlich dürften noch viel mehr Autos auf öffentlichem Straßenland stehen – bekanntlich durchschnittlich 23 Stunden am Tag. Denn das durchschnittliche Berliner „Stehzeug“ ist deutlich kürzer als der 5,20 Meter lange Normparkplatz, der für die Zählung zugrunde gelegt worden ist. Nicht mitgezählt worden sind auch übrig bleibende „halbe Parkplätze“, illegal in Beschlag genommene Flächen an Straßenecken oder Lieferzonen. Ebenso blieben private Abstellflächen außen vor – wie an Supermärkten, aber auch an Behörden oder Unternehmen.

„Parken nimmt sehr viel Raum ein, den wir eigentlich für anderes brauchen“, sagte Miriam Rumpel von ParkplatzTransform bei der Vorstellung. Und: „Parken ist ungerecht. Öffentliche Flächen werden privatisiert.“

Andere Nutzungen der Flächen wären beispielsweise mehr Platz für Fuß- und Radverkehr oder vom Autoverkehr abgetrennte Spuren für Straßenbahnen und Busse. Und angesichts der Klimakrise mit daraus resultierenden Dürren, Starkregen und Hitzephasen ist natürlich auch die dringend nötige Entsiegelung. Damit kann gleich mehreren Problemen begegnet werden: Der sinkende Grundwasserspiegel wird aufgefüllt und wertvolles Regenwasser nicht in die Kanalisation gespült. Droht das Abwassernetz überzulaufen, wird das überschüssige, mit allerlei Unrat verschmutzte Wasser in Flüssen und Kanäle abgeleitet, was immer wieder Fischsterben zur Folge hat. Außerdem spenden Bäume Schatten und die Verdunstung kühlt das Stadtklima ab.

ParkplatzTransform zeigt in seinen Auswertungen auch, wieviel Fläche für Straßen-Parkplätze genutzt wird im Vergleich zu Grünanlagen und Spielplätzen. In mehr als der Hälfte der Innenstadtkieze überwiegt die Nutzung als Abstellfläche. Für die Einteilung der Kieze wurden die sogenannten Lebensweltlich orientierten Räume genutzt, die in der Verwaltung seit vielen Jahren als Basis stadtplanerischer Entscheidungen dienen.

Im Friedrichshainer Hausburgviertel werden beispielsweise 7,2 Prozent der Fläche für das Straßenparken genutzt, für Grünflächen stehen 0,3 Prozent und für Spielplätze 0,8 Prozent zur Verfügung. Ähnlich sind die Verhältnisse beispielsweise im Kiez um die Bouchéstraße in Neukölln oder um den Charlottenburger Amtsgerichtsplatz.

„Perspektivisch darf es überhaupt keine Straßen-Parkplätze mehr geben“, sagt Martin Schlegel. Er ist Verkehrsexperte des BUND Berlin. „Die Parkplätze müssen so lange teurer gemacht werden, bis es überhaupt keine Nachfrage mehr gibt“, fordert er. Vor allem dürfe Parken am Straßenrand nicht günstiger sein als in Parkhäusern. Denn die stehen oft zu großen Teilen leer. „Mindestens innerhalb des S-Bahn-Rings muss die flächenhafte Parkraumbewirtschaftung kommen“, so Schlegel weiter.

Die Einführung der Parkraumbewirtschaftung in der gesamten Innenstadt ist vor Jahren bereits vom Senat beschlossen worden, doch die Umsetzung läuft im Zeitlupen-Tempo. Die ehemalige Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Monika Herrmann nannte bei der Vorstellung der Daten von ParkplatzTransform zahlreiche Gründe. Dazu gehören vorgeschriebene zeitintensive Untersuchungen vor Einführung, große Probleme bei der Gewinnung und räumlichen Unterbringung von Ordnungsamts-Beschäftigten und politische Widerstände. In drei Bezirken bereiten beispielsweise die Oppositionsparteien CDU und FDP entsprechende Bürgerbegehren dagegen vor. Zumindest die Personalprobleme könnten nach Ansicht Herrmanns durch die Digitalisierung überwunden werden. Wie in vielen anderen Ländern üblich könnten Scan-Autos automatisch während der Vorbeifahrt Kennzeichen erfassen und so die Kontrolle wesentlich effizienter machen. Doch dafür bräuchte es eine Gesetzesänderung auf Bundesebene. Die vorgebrachten Datenschutz-Argumente hält Herrmann für vorgeschoben.

Im September fiel immerhin der Senatsbeschluss, die Gebühren für das Kurzzeit-Parken deutlich anzuheben. Umgesetzt werden soll das im ersten Halbjahr 2023. Im Koalitionsvertrag ist auch die Anhebung der Gebühren für Anwohner-Parkausweise von derzeit 10,20 Euro pro Jahr auf 120 Euro. Doch der Senatsbeschluss dafür soll erst nächstes Jahr fallen. Ob es dazu kommt, steht angesichts des bereits ausgebrochenen Wahlkampfs wegen der wahrscheinlich stattfindenden Wiederholungswahl in den Sternen.

„Bei den 120 Euro pro Jahr für den Anwohner-Parkausweis darf es nicht bleiben“, fordert BUND-Verkehrsexperte Martin Schlegel. Denn der Nutzen-Kosten-Faktor für die öffentliche Hand müsse bei der Parkraumbewirtschaftung erhöht werden – und natürlich auch die Steuerungswirkung. „Außerdem muss die Einführung der Parkraumbewirtschaftung immer mit der Reduktion von Parkplätzen einhergehen“, so Schlegel weiter.

Das Bündnis „Berliner Straßen für alle“ aus zahlreichen Umwelt- und Verkehrsverbänden, dem auch der BUND Berlin angehört, forderte bereits 2019 berlinweit die Reduzierung um 60.000 Parkplätze jährlich bis 2030, um die Ziele der Mobilitätswende erreichen zu können.

„Es geht nicht, ohne dass es wehtut“, sagte Grünen-Verkehrspolitikerin Monika Herrmann über die bevorstehenden Auseinandersetzungen, um die angesichts der Klimakrise nötigen Maßnahmen auch umzusetzen.

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