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Mehr Sicherheit durch weniger Auto-Parkplätze

Im Bezirk Mitte sind 50 Kreuzungen im Jahr 2022 umgestaltet worden – 2023 sollen 100 weitere folgen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ein bisschen Farbe und ein paar Fahrradständer so einen Unterschied machen. Es ist wirklich toll, wie sich die Situation an dieser Kreuzung verbessert hat“, sagt der junge Mann, der sich als Anwohner vorstellt, enthusiastisch. Er sagt das zu Almut Neumann, der Verkehrsstadträtin von Mitte. Die Grünen-Politikerin steht an diesem vernieselten späten Montagnachmittag an der Kreuzung von Tegeler und Sprengelstraße im Wedding.

Weiß schraffierte Sperrflächen verringern die Fahrbahnbreite an den vier Ecken der Kreuzung, dann folgen die Fußgängerüberwege, an die sich jeweils auf ehemaligen Auto-Parkplätzen nach Kategorien sortierte Abstellflächen für Fahrräder, Lastenräder, motorisierte Zweiräder und auch die von vielen als Pest empfundenen E-Tretroller anschließen. Fahrradbügel, Poller oder rot-weiße Querbaken verhindern physisch das Falschparken von Autos an diesen Stellen, im schönsten Amtsdeutsch „Fehlnutzung“ genannt. 50 Kreuzungen im Bezirk wurden im Jahr 2022 so gesichert.

„Das ist eine tolle Maßnahme, die ganz vielen Menschen zugute kommt“, sagt Stadträtin Almut Neumann und hebt vor allem die Gruppe der Seniorinnen und Senioren hervor, die durch die bessere Sicht deutlich angstfreier Kreuzungen queren können. „Man sieht besser, die Kreuzungen können nicht mehr einfach zugeparkt werden und es ist einfach eine Maßnahme, die vergleichsweise einfach umzusetzen ist, so dass man in die Masse kommt“, so Neumann weiter. Besonders froh ist sie, dass das geplante Soll von 50 Knotenpunkten auch umgesetzt werden konnte. „Ich war mir wirklich unsicher, ob das klappen würde“, sagt sie.

Hochzufrieden ist man auch bei Fuss e.V., dem Fachverband Fußverkehr, der zu dem Termin eingeladen hatte, um sich bei der Stadträtin für die Maßnahme zu bedanken. Roland Stimpel, der Berliner Landessprecher des Verbands, hat sich dafür sogar als Weihnachtsmann verkleidet und ein kleines Gedicht geschrieben, das er aufsagt, bevor es kleine Geschenke für die Stadträtin gibt.

Gleich sieben Vorteile des Programms benennt die Fußgängerlobby. „Parkplätze werden viel effizienter und für die besseren Individualfahrzeuge genutzt“, lautet Punkt eins in der Einladung. Allein an dieser Kreuzung sind 12 bis 15 legale und noch einige weitere illegale Auto-Parkplätze zu Dutzenden Stellplätzen für Zweiräder umgenutzt worden. „Damit kommen letztere auch weg vom Gehweg“, freut sich Roland Stimpel, Berliner Fuss-Landessprecher. Auch werde die Sicht beim Queren für Gehende und Fahrende besser und die Hemmschwelle für das Eckenparken höher.

Gelobt wird vom Fußverkehrsverband ebenfalls, dass diese Maßnahmen „serienmäßig mit administrativ und baulich einfachen Mitteln“ umgesetzt werden können. „Es ist mein Ansatz, sehr, sehr pragmatisch heranzugehen und in die Fläche kommen“, sagt Almut Neumann. „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Aufwand es dann doch noch ist, weil jedes dieser Verkehrszeichen angeordnet werden muss. Und jede Anordnung von Verkehrszeichen bedeutet auch, dass ganz viele Parteien angehört werden müssen, so dass es dann doch recht viele Schritte sind, bis diese Kreuzung letztendlich steht“, erläutert sie. Dennoch sei es nicht zu vergleichen mit Projekten, die auch Tiefbaumaßnahmen beinhalteten. Muss die Straße aufgerissen werden, bedeute das „einen ganz anderen Aufwand“.

„Um viele Ortstermine kommen wir nicht herum. Wir müssen ja schauen, wo ein Behindertenparkplatz oder Ähnliches bleiben sollte. 50 Kreuzungen bedeuten auch 50 Ortstermine“, berichtet Wolf Arnold von der Straßenverkehrsbehörde.

„Weil es immer nur um einzelne Parkplätze geht, löst es wenig Widerstand aus – auch wenn in der Summe viel Parkraum umgewandelt wird“, nennt die Fußgängerlobby als siebten, nicht zu unterschätzenden Pluspunkt des Programms. Allein bei den 50 Kreuzungen geht es um Hunderte Auto-Parkplätze. Und bisher hat es keine einzige Klage gegeben.

„Wir kämpfen wirklich sehr mit dem Straßenverkehrsrecht, was nicht positiv für uns ist. Es hat aber tatsächlich sehr den fließenden Verkehr und die ‘Leichtigkeit’ des Kfz-Verkehrs im Blick, aber weniger den ruhenden Verkehr. Bislang sehen wir da überhaupt keine Klage-Risiken“, sagt die Grünen-Politikerin.

Auch Vertrerinnen vom Fahrradclub ADFC und dem aus dem Fahrrad-Volksbegehren hervorgegangenen Verein Changing Cities sind vor Ort mit Lob zur Stelle. Es wird aber auch Detailkritik geübt. An einer Stelle stehen beispielsweise Schilder zu eng, so dass E-Scooter-Fahrende nur von der Bürgersteigseite die vorgesehenen Stellplätze erreichen können, woanders ist der Platz für ein Fahrrad zu knapp.

„Die Kreuzungen sind oft trotzdem noch nicht perfekt“, räumt Stadträtin Almut Neumann an. Der Ansatz sei jedoch, zunächst die Schilder aufzustellen und Markierungen aufzubringen. Detailkorrekturen seien dann im Nachgang immer noch möglich. Später könne es auch weitere Verbesserungen geben, wie beispielsweise den ganzen Kreuzungsbereich auf Bürgersteigniveau hochzupflastern. Doch das bedeute anderthalb bis zwei Jahre zusätzlichen Zeitaufwand für Planung und Genehmigung. Dann würden auch weitere Probleme zum Tragen kommen. Nicht nur, dass Planerinnen und Planer fehlen, auch die Baukapazitäten der Privatwirtschaft sind personalbedingt sehr begrenzt. Und schließlich würden bei so einem großen Umbauprogramm auch die Haushaltsmittel nicht mehr reichen, um alles schnell umzusetzen. Die aktuell gewählte Lösung ist auch preisgünstig. Geschätzt rund 12000 Euro mussten an dieser Kreuzung investiert werden.

„Ich bin ehrlich gesagt sehr zufrieden, was wir im Bezirk Mitte erreicht haben, was die Mobilitätswende angeht“, sagt Almut Neumann. Sie kündigt an: „Im nächsten Jahr wollen wir 100 Kreuzungen schaffen.“

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