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Entwurf zum Bebauungsplan “Lichterfelde Süd” ausgelegt

Teile der Lichterfelder Weidelandschaft werden bebaut

Foto: Anne Loba –

Ganz im Süden von Lichterfelde befindet sich eines der großen Berliner Wohnungsbauprojekte. Dafür hat der Bezirk Steglitz-Zehlendorf  nun nach jahrelanger Vorarbeit im August/September 2022 den Bebauungsplan (B-Plan 6-30, Lichterfelde Süd) öffentlich ausgelegt und somit zur Stellungnahme eingeladen. Dieser Plan regelt auch die Bebauung auf einem Teil der Lichterfelder Weidelandschaft.  Nun hat die Berliner Arbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) im Namen der anerkannten Berliner Naturschutzverbände im September 2022 ausführlich zu diesem Entwurf des B-Plans Stellung genommen (Stellungnahme der BLN, 2022). Über das unmittelbare Baugebiet hinaus ist dieser B-Plan auch noch aus prinzipiellen Gründen interessant, weswegen wir ihn hier darstellen und kommentieren wollen.

Der B-Plan deckt die für einen Bebauungsplan sehr große Fläche von 42,45 ha auf der 2.700 Wohnungen für 5.900 künftige Einwohner gebaut werden sollen; dazu kommen Kindergärten, eine Schule und entsprechende Einkaufsmöglichkeiten. Das, was diesen B-Plan für uns besonders wichtig macht, ist, dass er nicht nur Gebiete mit (ehemaligem) Kleingewerbe überplant, sondern auch Teile der Lichterfelder Weidelandschaft.

 

Abbildung 1: Biotoptypenkarte aus dem Umweltbericht zum B-Plan 6-30. Hier dargestellt mit rot-gestrichelter Umfassungslinie der Geltungsbereiche des B-Plans. Ein Teil dieser Fläche gehört bislang zur Weidelandschaft, die nahezu vollständig die übrigen farbig dargestellten Flächen umfasst.

Der betroffene Bereich ist gut in der Abbildung erkennbar: Hier ist die Fläche des Bebauungsplans rot gestrichelt umrandet und man sieht, dass sie wichtige Teile der Lichterfelder Weidelandschaft einnimmt. Der verbleibende mit ca. 57 ha überwiegende Teil von der Weidelandschaft wird sich also künftig in unmittelbarer Nachbarschaft zum neuen Baugebiet befinden.

Die Weidelandschaft nimmt aber nicht nur viele Kompensationsmaßnahmen aus dem Baugebiet auf, so z. B. die Umsetzung der europäisch geschützten Zauneidechsen, sondern soll auch wegen ihres hohen Artenreichtums, ihrer landschaftlichen Schönheit und ihrer Bedeutung für Wissenschaft und Forschung als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. Insofern ist unsere Stellungnahme zu diesem B-Plan nicht nur wie üblich auf das Baugebiet und dessen Nachbarschaft bezogen, sondern ist auch stark davon geprägt, wie diese Bebauung das künftige Naturschutzgebiet beeinflussen wird.

Aber nicht alle Kompensations-/Ersatzmaßnahmen können in der Lichterfelder Weidelandschaft realisiert werden; dafür gibt es – nur durch den Mauerstreifen getrennt – eine 18,3 ha große Ausgleichsfläche (s. Abb. 2, unten die hellbraue Fläche), die aus dem ehemaligen Acker entwickelt wurde. Gut ist, dass der funktionale Zusammenhang zwischen den beiden Kompensationsflächen mit dem Eingriffsort hergestellt werden kann, weil es anders als nach der Planung von 2016 gelungen ist, das Baugebiet entlang der Osdorfer Straße zurückzunehmen.

 

Ausgleichsfläche in Brandenburg (rot eingerahmt) Quelle: Geoportal Berlin /Digitale farbige Orthophotos 2021 (DOP20RGBI)

Es gäbe sehr viele Details über die Probleme mit der Planung zu berichten – wen diese Details interessieren, kann sich gern die oben zitierte ausführliche Stellungnahme anschauen, in der wir auf folgende Aspekte eingegangen sind:

  • Stadtklima
  • Verkehrliche Erschließung
  • Bahnlärm an der Quelle vermindern
  • Schulstandort und Sportplatz am Landweg ansiedeln
  • Erholung in der Thermometersiedlung
  • Schutz vor Vogelschlag an Gebäuden
  • Dachbegrünungen
  • Erneuerbare Energien

Allerdings sind uns zwei Aspekte besonders wichtig:

  • Der hohe Flächenverbrauch durch die vielen Reihenhäuser und
  • Die enge Nachbarschaft des Wohngebiets mit dem künftigen Naturschutzgebiet

Hoher Flächenverbrauch durch die vielen Reihenhäuser

Die 480 Doppel- und Reihenhäuser bringen zwar nur 20% aller Wohneinheiten, beanspruchen aber einen geschätzten Anteil von 40% der Fläche. Dies ist gut erkennbar im Masterplan, in dem die Reihenhäuser als kleinteilige Struktur deutlich werden.

Masterplan für das Neubaugebiet Lichterfelde Süd (aus der Begründung zum B-Plan 6-30 Stand August 2022 S. 51

Diese Reihenhäuser und die ebenerdigen Stellplätze bewirken einen viel höheren Flächenverbrauch als wenn alle 2.700 WE im Etagenwohnungsbau mit Tiefgaragen errichtet würden; so könnten mehrere ha Wald erhalten bleiben. Diese flächenfressende Bebauung verstößt auch gegen den naturschutzrechtlichen Grundsatz der prioritären Vermeidung von Eingriffen in die Landschaft.

Flächenverbrauch – Ressourcenverschwendung im großen Maßstab

Da uns dieser Punkt sehr wichtig ist, führen wir ihn hier in weiteren Details aus. Schließlich ist der Flächenverbrauch eines der zentralen Probleme unserer Ressourcenverschwendung und in Anbetracht des Klimawandels bekommt dieser Aspekt noch mal ein besonderes Gewicht.

So hatten wir schon 2016 darauf hingewiesen, dass laut § 13 Bundesnaturschutzgesetz „erhebliche Beeinträchtigung von Natur und Landschaft vom Verursacher vorrangig zu vermeiden“ sind und nach BauGB § 1a (2) soll „mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden“.

In der Abwägung der Einwände zur frühzeitigen Auslegung haben mehrere Einwendungen diesen Punkt benannt. Das Bezirksamt  antwortet darauf jeweils mit dem Hinweis auf die Leitlinien des STEP (STtadtEntwicklungsPlan) Wohnen:

„Durch den Bebauungsplan 630 werden folgende im StEP Wohnen 2025 formulierte Leitlinien umgesetzt:

Leitlinie 1: Berlin braucht Wohnungsneubau 

Leitlinie 2: Berlin sichert die soziale und funktionale Mischung 

Leitlinie 3: Berlin braucht Wohnungsneubau für alle 

Leitlinie 4: Berlin gestaltet die Vielfalt der Wohnquartiere“ 

Hier wird unterschlagen, dass es insgesamt 8 Leitlinien im STEP Wohnen gibt und die alle zusammen gesehen werden müssen, um sinnvoll abwägen zu können. Hier ist die Leitlinie 7 besonders wichtig:

Leitlinie 7: Stadtentwicklung ökologisch und klimagerecht gestalten

Bei der Beurteilung des B-Plans nur einen Teil der Leitlinien zu beachten, widerspricht den Grundsätzen einer fachgerechten Abwägung!

Zudem wird die rechtliche Zielsetzung des Baugesetzbuches, dass mit Boden sparsam umzugehen sei, in Berlin durch den Koalitinsvertrag politisch aktuell noch mal verstärkt und konkretisiert:

„Ab spätestens 2030 soll eine „Netto-Null-Versiegelung“ … erreicht werden.“ (Aus dem Koalitionsvertrag vom 29.11.2021 S. 50)

Dss bestätigt auch die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt in der Berliner Zeitung vom 29.08.2022:

„Wir brauchen, so wie in der bestehenden Stadt, auch im Neubau eine effiziente Flächennutzung durch kompaktes, urbanes Bauen, … „denn der Boden ist keine vergrößerbare Ressource.“ „Da wo große Flächenbedarfe sind, muss man höher bauen“ „Da wo man baut, sollte man auf schon versiegelten Flächen bauen.“

Auch wenn einiges an Wald im B-Plan-Gebiet erhalten bleibt: den  den Verlust von über 80% der Waldfläche kann man keinesfalls als Vermeidung ansehen. Dies gilt umso mehr, wenn

  • dieser Waldverlust nicht vor Ort ausgeglichen werden kann und
  • eine Anzahl von 480 WE in Reihenhäusern gerade einmal 20% der WE ausmachen, aber 40% der Fläche beanspruchen!

Dies stellt für uns als eine grobe Missachtung des Minimierungsgebotes dar.

Enge Nachbarschaft des Wohngebiets mit dem künftigen Naturschutzgebiet muss gut gemanagt werden

Die künftige enge Nachbarschaft des Wohngebiets mit dem Naturschutzgebiet stellt die Planung und später das Management der Lichterfelder Weidelandschaft vor große Herausforderungen. Für die neuen Bewohner werden die vorgeschriebenen Naherholungsflächen im B-Plan nachgewiesen; dennoch muss man mit erhöhtem Interesse auch an der Lichterfelder Weidelandschaft rechnen. Das begrüßen wir auch, denn wir wollen ja, dass die Menschen diese Artenvielfalt, diese schöne Landschaft, diese „Großstadtwildnis“ erleben können. Deswegen werden wir weiterhin Führungen, Veranstaltungen und Spaziergänge anbieten und werden verantwortungsvollen Gruppen im Rahmen von Kooperationen ein besonderes und einzigartiges Landschaftserlebnis in Ruhe und abseits der Großstadthektik ermöglichen.

Im Entwurf des B-Plans sind hier oft noch irreführende Ausführungen enthalten. Aktuell arbeiten die Naturschutzbehörden an der Ausweisung der Lichterfelder Weidelandschaft als Naturschutzgebiet und in diesen Prozess bringen wir uns als BUND intensiv ein. Dabei wird auch geklärt, wie sich die Weidelandschaft natur- und landschaftsschonend erleben lässt. Diesen Ergebnissen wollen wir nicht vorgreifen und belassen es hier deswegen bei dieser sehr allgemeinen Darstellung.

Links:

Stellungnahme der BLN zum B-Plan 6-30, Lichterfelde Süd, September 2022

Blogbeitrag zur Stellungnahme 2016

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