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Tief ins Okular geblickt

Berliner*innen untersuchen ihr Grundwasser

© by Dr. Christiane Peter

Vielleicht haben einige den Beitrag „Unter dem Pflaster ist das Leben“ über die Beprobung eines der Grundwasserbrunnen Ende November – Schwengelpumpe in der Schöneberger Feurigstraße – gelesen. Auch da ging es darum, ein Gläschen Nass zu gewinnen, um es auf Kleinlebewesen zu untersuchen.

Und nun, Mitte Januar, treffen sich in den Räumen des Berliner Landesverbands des BUND in der Crellestraße 35 nicht nur die beiden vom Feurigstraßenbrunnen, um ihre Probe zu analysieren, sondern auch andere Ehrenamtliche, die der Mitmachaktion „Lebendiges Grundwasser“ gefolgt sind, um die einzigartige Tierwelt zu erfassen.

Mikroskop

Vor allen Teilnehmenden sind die Arbeitsmaterialien aufgebaut: natürlich das Mikroskop, dann Spritzflasche, Spülsieb, Messbecher, Pipette, Petrischale, Blockschälchen.

Jede*r ist gespannt, ob die gepumpte Probe die erhofften Kleinlebewesen enthalten wird. Um das zu erfahren gilt es jedoch, sorgfältig Schritt für Schritt vorzugehen.

Dabei werden die engagierten Laien keinesfalls allein gelassen. Unterstützend stehen Dr. Sophie-Christin Holland und Christian Schweer aus der BUND-Projektgruppe dabei zur Seite, um alles aus dem Objekt der Begierde – der jeweiligen Probe aus den Brunnen – sichtbar und bewertbar zu machen.

Was vorher geschah: Die Einfärbung

Eingefärbte Probe

Unsere Proben aus den Grundwasserbrunnen sind zuvor, nach der Probennahme an der Schwengelpumpe, gespült, mit Alkohol fixiert und eingefärbt worden. Die Flüssigkeit wurde dunkelrot. Bei dem Farbstoff handelt es sich um Eosin B. Die Einfärbung ist hilfreich, um die ggf. vorhandenen Kleinlebewesen sichtbar zu machen. Denn diese bis zu wenige Millimeter großen Tierchen haben durch ihr Leben in völliger Dunkelheit keine oder kaum Pigmente und nehmen wie andere Organismen diesen Farbstoff in der Regel an.

Spülen

Im ersten Schritt gilt es mittels Sieb, Spritzflasche und gefiltertem Wasser die rote Farbe auszuspülen. Die im Sieb verfangenen Reste sind dann das Analysematerial und werden mit ein wenig gefiltertem Wasser und unter Zuhilfenahme einer Spritzflasche in einen Messbecher überführt.

Sediment bestimmen

Sediment aus einer Teilprobe

Um die festen Bestandteile in der Probe – also des umgebenden „Lebensraums“ der Grundwassertiere – zu definieren, wird nacheinander jeweils eine kleine Probe in die Petrischale gegeben und nach bestimmten Vorgaben besichtigt und dokumentiert. Hier sei angemerkt, dass die Auswertungsergebnisse der einzelnen „Portionen“ zum Schluss zusammengerechnet werden, um ein Gesamtbild zur Zusammensetzung und Menge des Substrats der Probe zu erhalten. Diese Information ist relevant, weil sie Rückschlüsse darauf zulässt, wie die Sedimentverhältnisse am Beprobungsstandort sind, d. h. im unteren Bereich des Brunnenrohrs, wo in der Regel das Grundwasser eingesogen wird, im Filter und ggf. im Grundwasser. Überall dort können Tiere leben und von der Größe und Art des Substrats hängt beispielsweise ab, wie groß die Lückenräume zwischen diesen festen Bestandteilen sind und ob und welche Lebewesen dort vorkommen können.

Zu den Details der Sedimentbestimmung gibt es entsprechendes Informationsmaterial und natürlich wird auch dabei mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Fortgesetzte Analyseerfahrung macht dann die Einschätzung immer sicherer.

So konnte bei der Probe vom 21. November 2022 aus der Pumpe am Klausener Platz z. B. Feinsand und auch Detritus identifiziert werden. Unter Detritus versteht man zerfallene organische Substanzen aus dem Boden. Damit sind noch nicht die gesuchten Kleinlebewesen gemeint.

Petrischale mit Pflanzenfragment

Auf dem Objektträger

Nun wird unter dem Mikroskop tatsächlich nach dem „tierischen Leben“ geschaut. Das längliche gut sichtbare Objekt in der Petrischale aus dem Brunnen von der Forsthausallee in Baumschulenweg vom 02. Dezember 2022 ist leider keineswegs das, was wir suchen. Es ist Detritus, konkret ein Fragment einer Pflanze. Das unten aufgezeichnete Raster dient bei der Ermittlung der vorkommenden Kleinlebewesen als Orientierung.

Die Funde

Schematische Abbildung eines Springschwanzes (lat.: Collembola); Originalgröße < 1 bis 5 Millimeter

Und gerade hier wurde es wichtig. Denn in dieser Petrischale konnten neun Springschwänze (!) identifiziert werden. Außerdem ist das Probengläschen noch gar nicht vollständig analysiert. Noch weitere Petrischalen müssen mit dem Analysematerial untersucht werden. Das verspricht, dass der Springschwänzepulk noch größer wird.

Etwas eingetrübt wurde die Freude dadurch, dass Springschwänze eher im Boden oder auf dem Oberflächenwasser vorkommen und im Grundwasser nicht zu Hause sind. Sie ernähren sich von Detritus und sind durch den Abbau ihrer Nahrung an der Humusbildung beteiligt, also für das ökologische System nützlich. Ihr Vorkommen oder hier sogar ihr gehäuftes Vorkommen kann auf eine günstige Nahrungssituation hinweisen.

Neben den Springschwänzen konnten bei anderen Proben je eine Milbe ausgemacht werden – keine Lebewesen, die eindeutig für Grundwasserfauna stehen. Hier ist eine genauere Betrachtung, eventuell sogar durch Spezialisten, nötig. Und die Probe aus der Feurigstraße enthielt gar keine Tiere. Auffällig unter dem Mikroskop: eine Vielzahl kleiner Ockerbröckchen.

Ende gut, alles gut?

Ende ist noch lange nicht. Christian Schweer konnte zu Beginn des Treffens mitteilen, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung für die kommenden drei Jahre Mittel zur Verfügung gestellt hat, um die Analyse der Tiere im Berliner Grundwasser fortführen zu können.

Und: Es melden sich immer mehr Ehrenamtliche, um „Brunnenpat*innen“ zu werden. So auch die beiden, die erst einmal neugierig in die Feurigstraße kamen, dann pumpten und nun die Analyse ihrer Probe vorgenommen haben. Alle „Neuen“ bekamen zum Abschluss ihre Urkunde als „Brunnenpat*in“.

Jeder kann mitmachen. Die nächsten Beprobungen und Analysen gehen Ende Februar weiter. Eine Anmeldung ist per Mail möglich: holland@bund-berlin.de

 

Weitere Informationen:

https://www.bund-berlin.de/fileadmin/berlin/Bericht_am_Brennerberg_Berlin_2022_01_14.pdf

 

 

Ein Kommentar

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  1. Es ist sehr positiv, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung für die kommenden drei Jahre Mittel zur Verfügung gestellt hat. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Erwarte mit Spannung weitere Updates.

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