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Welchen Klimakurs wollen die Parteien?

Der BUND hat zur Podiumsdiskussion mit den energie- und klimapolitischen Sprecher*innen der Berliner Parteien geladen

© by Nicolas Šustr

„Im Garten muss man öfter wässern“, das seien die Auswirkungen des letzten Sommers gewesen. Aber: „Es gab auch verregnete Sommer.“ Das antwortet Christian Wolf, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus auf die Frage, was er persönlich zum Erleben der Klimakrise berichten könne. Es ist der Auftakt der Podiumsdiskussion unter dem Titel „Berlin – nach der Wahl auf Klimakurs?“, die am Montagabend, sechs Tage vor der Wiederholungswahl, vom Arbeitskreis Klima & Erneuerbare Energien vor Ort im Refugio Neukölln veranstaltet worden ist. Trotz harter Konkurrenz so kurz vor der Wahl verfolgen mehrere Dutzend Besucher:innen das Gespräch.

Unter Moderation von Marc Schwingel und Charlotte Wiemann vom AK KLEE stellten sich Vertreter:innen der fünf demokratischen Abgeordnetenhaus-Fraktionen den Fragen des BUND Berlin. Klar wurde dabei – wenig überraschend – nicht nur bei der Auftaktfrage, dass die Positionen der FDP am weitesten von der Haltung des BUND entfernt ist. Stefan Taschner, Energie- und Klimaschutzexperte der Grünen-Fraktion, erinnert bei der Frage nach seinen Klimawandel-Erfahrungen an Starkregen, bei denen Wasser kaskadenartig an U-Bahn-Eingängen herunterschoss, Perioden extremer Hitze, die vor allem für ältere Menschen eine besondere Belastung bis hin zur Lebensgefahr werden. „Grüne Innenhöfe erhalten als zubauen“, so eine der Schlussfolgerungen, die Taschner gleich zieht.

„Meine Kinder, das ist deren Zukunft“, nennt SPD-Umweltpolitikerin Nina Lerch als Hauptgrund für ihr Engagement im Klimaschutz. Wer Danny Freimark, den umweltpolitischen Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, dürfte überrascht sein, welches klimapolitische Engagement ihm imponiert. „Am meisten beeindruckt hat mich Fridays for Future. Es ist schon sehr wichtig, schon als Kind Verantwortung zu übernehmen. Noch schöner ist es, wenn sie politisch wirksam sind. Und das sind sie geworden“, sagt der CDU-Politiker, der oft einräumen muss, mit seinen Positionen oft recht einsam in seiner Fraktion dazustehen.

Michael Efler von der Linkspartei ist der einzige Politiker auf dem Podium, der derzeit nur Kandidat für das Abgeordnetenhaus ist. Von 2016 bis 2021 war er energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion, nun ist er beim Verein Bürgerbegehren Klimaschutz beschäftigt. „Mich hat schon seit vielen Jahren die Aktivität von Ende Gelände schwer begeistert“, sagt er.

Nach der Aufwärmrunde geht es in die härteren Themen zu drei Blöcken: der Bürger:innenbeteiligung, dem Solarausbau sowie einer möglichen Rekommunalisierung von Wärme- und Gasversorgung in Berlin.

Wie sieht es aus mit der Bürger:innenbeteiligung?

CDU-Politiker Danny Freimark spricht von einer sehr kritischen Haltung gegen die „vermeintliche Beteiligung“, die er oft erlebe und nennt aus seinem Wahlkreis in Hohenschönhausen die Bebauungspläne landeseigener Wohnungsbaugesellschaften von Innenhöfen, an denen auch Beteiligung nichts ändere. „Selbst der Klimabürgerrat hat ja keine wirkliche Einflusswirkung“, beklagt Freimark.

Christian Wolf von der FDP setzt sich vor allem für eine Digitalisierung der Beteiligung ein. Denn derzeit beteiligten sich vor allem „Ältere, die viel Zeit haben“ sowie Akademiker. Er fordert auch das von Rot-Grün-Rot im Koalitionsvertrag vereinbarte Transparenzgesetz ein, das von der SPD aber vorerst abgesagt worden ist. Das sei wichtig, „damit man die Daten sehen kann, die zu Entscheidungen führen“.

Beim Thema Klimabürger:innenrat will Grünen-Politiker Stefan Taschner die Ausführungen seiner Vorredner nicht so stehen lassen. „Die Altersstrukturen stimmen. Die ganzen Forderungen, die darin stehen, sind ins BEK eingegangen“, sagt er. Zumindest fast alle, um präzise zu bleiben.

Für Michael Efler geht es in der Klimakrise als „größte gesellschaftliche Herausforderung, die wir haben“, darum, alle Menschen so gut wie möglich in Entscheidungen einzubeziehen. „Das hat auch etwas mit Demokratie zu tun, so lange es noch Entscheidungsmöglichkeiten gibt“, sagt Efler. Er wolle nicht, dass so lange zu wenig getan wird, „dass wir in eine Richtung Autokratie abdriften“, schlicht, weil es keine Entscheidungsmöglichkeiten mehr gebe.

Nina Lerch versteht die Beteiligung ein bisschen anders, nämlich als persönlichen Beitrag zur Energiewende – beispielsweise durch die Installation von Solarzellen. Alle stünden dann vor bürokratischen Hürden, die sie oft nicht meistern könnten.

Sind 35 Prozent Solaranteil am Berliner Strom möglich?

„Ich glaube, wir kriegen jetzt den Hochlauf“, ist der Grüne Taschner beim Thema Solar-Ausbau überzeugt. Rund ein Prozent trägt die Photovoltaik derzeit zum Berliner Stromangebot bei, 25 Prozent sollen es laut Koalitionswillen werden. Taschner zeigt sich zuversichtlich, dass sogar 35 Prozent möglich sein könnten. Dass bisher so wenig geschehen sei, liege an 16 Jahren CDU-geführter Bundesregierungen. In Berlin müsse noch die Bauordnung geändert werden, um den Solar-Ausbau weiter zu forcieren. Doch obwohl die Novelle der Bauordnung Teil des 100-Tage-Programms der aktuellen Koalition war, liegt der Entwurf immer noch im Haus des zuständigen Senators Andreas Geisel (SPD).

„Es ist so unfassbar wenig, was wir an Solarenergie erzeugen“, sagt CDU-Mann Danny Freimark und erinnert, dass SPD, Grüne und Linke seit sechseinhalb Jahren die Regierung in Berlin stellen – „Dafür ist die Bilanz erschreckend schlecht.“ Obwohl das in seiner Partei nicht unbedingt erste Wahl sei, spricht er sich dafür aus „gegebenenfalls mehr Vorschriften“ zu erlassen.

Christian Wolf von der FDP kritisiert, dass es zwar nun Förderung für Balkonkraftwerke gebe, die landeseigenen Wohnungsunternehmen jedoch ihren Mietern oft die Montage verwehrten. Auch wirft er der seit etwas über einem Jahr rekommunalisierten Stromnetz Berlin vor, weiter zu lange zu brauchen, um Anlagen anzuschließen.

Ganz will da Michael Efler nicht mitgehen. „Ich bin auch nicht zufrieden mit dem Status Quo. Aber Berlin hat im letzten Jahr bei der Neuinstallation von Photovoltaik Rekordwerte erreicht und es wird auch dieses Jahr passieren. Das liegt auch an den Balkonkraftwerken“, sagt er.

Kommunale Wärme, kommunales Gas?

Dritter großer Punkt der Diskussion ist die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und die mögliche Rekommunalisierung des Fernwämenetzes von Vattenfall sowie des Gasversorgers Gasag. Für Grüne, Linke und SPD ist unstrittig, dass die Fernwärme wieder in Landeshand kommen muss. „Wir müssen jeden Stein umdrehen“, sagt Taschner. Neue Energiequellen wie Tiefen-Geothermie, Flusswärmepumpen, Großwärmepumpen und die Abwärme von Rechenzentren erschließen, „aber keine neue Müllverbrennungsanlage, wenn wir den Müll sowieso reduzieren wollen“.

„Zu glauben, dass für irgendeinen Pensionsfonds xyz diese Aufgaben an erster Stelle stehen, das können wir als Grüne und nicht vorstellen“, sagt Taschner zur Möglichkeit, dass ein anderer Bieter als Berlin den Zuschlag für das Wärmenetz erhält. „Das Entscheidende ist: Die Einflussmöglichkeit über die Investitionen zu haben. Dann haben wir auch einen Hebel in der Hand, um für eine sozialere Preisgestaltung zu sorgen und die Dekarbonisierung voranzubringen“, stößt Linke-Politiker Michael Efler ins gleiche Horn.

Mit Verweis auf die Schuldenlast von 66 Milliarden Euro lehnt Christian Wolf von der FDP eine Rekommunalisierung „ganz klar ab, auch weil hohe Investitionen nötig werden“.

Landes-CDU und auch die Fraktion täten sich schwer mit einer Rekommunalisierung, sagt Danny Freimark. „Vom Modell her sind wir große Fans davon, dass die Privaten nicht aus der Stadt gedrängt werden“, erklärt er, nicht ohne einzuschränken: „Wenn es eine Mission ist, die massiv die Energiewende voranbringt, bin ich auch bereit, in die Kreditabteilung zu gehen.“

Eine mögliche Rekommunalisierung auch des Gasnetzes sieht Grünen-Mann Taschner sehr kritisch, schließlich sei die von FDP-Politiker Christian Wolf ins Spiel gebrachte Nutzung von Wasserstoff für das Heizen keine Option. Für die Produktion von Grünem Wasserstoff werden schließlich Unmengen von Strom benötigt, nicht umsonst wird der Brennstoff auch als „Champagner der Energiewende“ bezeichnet.

Michael Efler von der Linke will jedoch auch das Gasnetz unter Landeskontrolle bringen, unter anderem, um die Energiewende besser sozial abfedern zu können. Das gelte derzeit, allerdings nicht, wenn sich erst in fünf Jahren die Möglichkeit ergebe, schränkt er ein. Noch 10 bis 15 Jahre werde nach seinen Erwartungen Erdgas zum Heizen benötigt.

Drei vordringliche Maßnahmen

Zum Schluss sollen die Politiker:innen noch drei Maßnahmen benennen, die sie als erste angehen wollen, sollten sie an der nächsten Landesregierung beteiligt werden. Das sind für:

Stefan Taschner, Grüne:

  • Die Wärmewende mit einer Milliarde Euro an zusätzlichen Geldern vorantreiben
  • Eine weitere Milliarde Euro für einen Gebäudesanierungsfonds zur Verfügung stellen, um die energetische Sanierung ohne soziale Verwerfungen voranzutreiben
  • Letzte Hindernisse beim Solarausbau abräumen

Michael Efler, Linke:

  • dafür sorgen, dass der Senat alles tut, um Gas und Wärme unter öffentliche Kontrolle zu bringen
  • eine Entsiegelungsstrategie für die Stadt auf den Weg bringen
  • Klimaschutz in der Verfassung verankern, da dies ein wichtiger Punkt in gesetzlichen Abwägungen ist, beispielsweise beim Konflikt von Solarzellen und Denkmalschutz

Christian Wolf, FDP:

  • Investitionsoffensive zur Dekarbonisierung öffentlicher Liegenschaften
  • Genehmigungsfiktion für energetische Infrastruktur einführen – Genehmigungen gelten nach gewissen Fristen als erteilt, wenn Behörden sich nicht äußern
  • Einen Koordinator für die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren einführen

Nina Lerch, SPD:

  • Hürden für den Ausbau erneuerbarer Energien im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm identifizieren
  • Endlich eine kommunale Wärmeplanung erarbeiten
  • Bezirke fit machen, um Anträge zu bescheiden

Danny Freimark, CDU:

  • Massive Investitionen in die Anreizsetzung zur energetischen Sanierung von Gebäuden
  • Massiver Ausbau des Öffentlichen Personnenahverkehrs
  • Die Themen Wasser, Gewässerschutz und Entsiegelung systematisch voranbringen

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