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Es ist kompliziert – die Berliner CDU und der Klimaschutz

Links blinken, rechts abbiegen – das oft zu beobachtende politische Spiel treibt die CDU mit der als Klimaautobahn titulierten A100 auf die Spitze

Aktuelles Wahlplakat der Berliner CDU: Berlin, lass dir das Auto nicht verbieten.

“Wer eine Millionenmetropole gestalten will, kann kein Ökodorf schaffen”, diesen Satz sagte CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner diesen Donnerstag in der aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus. Er lässt sich als klare Absage an einschneidende Klimaschutz-Maßnahmen verstehen, sollte die CDU an einer Regierungskoaltion in Berlin beteiligt werden.

Dabei hat die Berliner CDU in den letzten Monaten gleich zwei Papiere beschlossen, die sich mit den Aufgaben im Klimaschutz auseinandersetzen. Eines vom Oktober 2022 stammt von der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ein weiteres wurde kurz vor Weihnachten von der Landes-CDU beschlossen. Vorsichtig versuchen die Christdemokraten, sich mit der Klimakrise und den nötigen Maßnahmen zu beschäftigen. Doch im Kern wird nach dem Motto verfahren: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ Klar ausgesprochen wird sich beispielsweise für die Tiefen-Geothermie, eine Technologie, die quasi unsichtbar für regenerative Wärme sorgt und so praktisch keine Änderung an Lebensstil und im Stadtbild verursacht.

Die üblichen Buzzwords zur Verhinderung effektiver Maßnahmen

Ende Dezember beschloss der Landesvorstand der Berliner CDU das Papier „Von der abgehängten Hauptstadt zur Vorzeige-Metropole“ mit dem Untertitel „Klimaoffensive der CDU Berlin“. „Möglichst 2040, aber spätestens 2045“ soll Berlin demnach klimaneutral werden. Hellhörig lässt einen schon zu Beginn werden, dass von „intelligenten Klimaschutzmaßnahmen“ die Rede ist.  Genauso wie der Satz „Die Gewichtung der Maßnahmen richtet sich nicht nach Symbolpolitik, sondern vor allem nach den CO2-Einsparpotentialen im Verhältnis zu den Investitionen und Herausforderungen“ erinnert das an das übliche Repertoire von Kräften, die Veränderungen verhindern wollen. Wenn „intelligente“ Verkehrspolitik gefordert wird, heißt das in der Regel, dass noch diese oder jene Umgehungsstraße zur „Entlastung“ gebaut werden soll und Grüne Wellen eine tolle Klimaschutzmaßnahme sind, weil Stau ja das umweltschädlichste überhaupt ist. Die Bestätigung dieser Vermutungen folgt bald. Denn dann heißt es: „Wir setzen bei der Bekämpfung des Klimawandels vor allem auf Anreize, Innovationen, Technologieoffenheit und positive Zukunftsvisionen statt auf pauschale Verbote, Verzicht und Bevormundung.“

Besonders deutlich wird die Realitätsverweigerung der Berliner CDU im Verkehrsbereich.

Ohne weiter zu spezifizieren, wie das gelingen soll, erklärt die CDU, den Fokus darauf legen zu wollen, „Fahrtwege möglichst kurz zu halten, um eine bessere Lebensqualität für uns alle zu ermöglichen und dabei das allgemeine Verkehrsaufkommen zu reduzieren“. Ein durchaus richtiger Gedanke, der praktisch ohne umfassende Befugnisse kaum umsetzbar ist – und wenn, dann nur mit einer sehr langfristigen Perspektive.

„Für mehr Ruhe in der City müssen wir die A100 fertig bauen, dabei setzen wir auf innovative Technologien für maximale Klimafreundlichkeit“, heißt es weiter. Mehr Straßen bedeuten mehr Autoverkehr, daran gibt es nichts zu rütteln. Bereits seit längerer Zeit will die Partei den Berliner*innen die A100-Verlängerung als „Klimaautobahn“ verkaufen.

Auch eine weitere Maßnahme würde mehr Autofahrende in die Stadt locken. „Ganz konkret setzen wir uns für den Ausbau von Parkhäusern an den S-Bahn-Stationen (am Ring und außerhalb des Rings) sowie am Stadtrand ein, während Parkraumflächen sowohl für den Pkw als auch für Fahrräder geschaffen werden sollen“, steht in dem Papier. Hieße es im zweiten Teil des Satzes, dass im Gegenzug Parkraum im Straßenland massiv reduziert werden soll, so dass unter dem Strich am Ende deutlich weniger Auto-Stellplätze zur Verfügung stehen, ließe sich darüber zumindest noch diskutieren. Um den Pendelverkehr auf den ÖPNV zu verlagern, soll eine „Parkplatzgarantie“ für Park+Ride-Plätze sorgen. Das wäre höchstens an Regionalverkehrsbahnhöfen im Umland eine sinnvolle Maßnahme, aber nicht auf dem Berliner Stadtgebiet. Noch sinnvoller wäre ein Ausbau des ÖPNV im Umland, damit auch die Anreise zu Regionalzughalten bereits per Bus geschieht.

Praktisch schon von der Realität überholt ist die Forderung eines „umfassenden 365€-Jahrestickets für den ABC-Tarifbereich“. Denn bei Ausschöpfung der steuer- und abgabenrechtlichen Gestaltungsspielräume kostet das bundesweit gültige Deutschlandticket als Jobticket Beschäftigte netto sogar weniger als 365 Euro pro Jahr.

Die CDU fordert „ein Beschleunigungsgesetz, das den Ausbau von ÖPNV- sowie Fahrradinfrastrukturen im “LNGHafen-Tempo”, also durch weniger Hürden bei den Planungsbehörden und weniger Bürokratie, ermöglicht“. Worüber man diskutieren kann, solange die Umweltbelange nicht – wie bei den Flüssiggasterminals – komplett unter die Räder kommen. Fraglos muss der Ausbau schneller werden.

Berlin soll laut CDU „eine Vorreiterrolle für Shuttles-on-Demand (moderne Rufbusse) einnehmen. Gerade in stark frequentierten Streckenabschnitten, die nicht durch Bus oder Straßenbahn gedeckt sind, empfiehlt sich der Einsatz von A-B-Shuttles, klassischen und flexiblen Haltestellen-Shuttles auf einer Strecke, die durch eine App bestellt werden können und die Mitnahme von sperrigen Einkäufen oder Fahrrädern ermöglicht.“ Warum ausgerechnet der Kurfürstendamm dafür als Testfeld auserkoren wird, bleibt rätselhaft. Denn mehrere Buslinien verkehren im dichten Takt auf der Gesamtstrecke, dazu kommt noch die U1 im Ostteil des Straßenzugs.

Keine geschützten Radwege an Hauptstraßen

Die CDU fordert auch „ein sinnvoll geplantes, gesamtstädtisches Netz aus physisch abgetrennten Radwegen“ und erklärt den Radverkehrsplan des Senats als „gescheitert“. Er führe „zu weniger Radwegen und weniger Sicherheit für alle“, wird erklärt, ohne diese verschwörerische Behauptung in irgendeiner Weise zu untermauern. Doch die Aufklärung, was der angebliche Knackpunkt ist, folgt schließlich doch noch: „Ein intelligentes Radschnellstraßennetz nutzt vor allem Seitenstraßen, die parallel zu den großen Verkehrsachsen verlaufen, damit möglichst wenige Berührungspunkte (und Konfliktpotenzial) mit Kraftfahrzeugen bestehen.“ Es scheint eher so zu sein, dass tunlichst die Umverteilung von Verkehrsfläche an Hauptstraßen zugunsten des Umweltverbundes verhindert werden soll. CDU-Landeschef Kai Wegner erklärte Ende Dezember 2022 auf einem Pressetermin auch, das Mobilitätsgesetz ändern zu wollen – hier ging es ihm um die geschützten Radwege an Hauptstraßen.

Mit dem Satz „Alternative Antriebe statt Verbote und Blockaden“ wird endgültig klar, dass die CDU nur eine Antriebswende möchte und keine Mobilitätswende. Bei den viel zu wenigen Busspuren plant sie ebenfalls einen Rückschritt. „Deswegen sollte geprüft werden, ob eine Erlaubnis zum Befahren der Busspuren für Pkw, die mit mindestens 3 Personen besetzt sind, mit einem fließenden ÖPNV vereinbar ist.“

Exorbitante Bauziele konterkarieren Klimaschutz-Ambitionen

Bereits im Oktober 2022 legte die CDU-Abgeordnetenhausfraktion das Positionspapier „Faires Wohnen für alle“ vor. Es zeigt, dass man sich tatsächlich Gedanken über einen geänderten Zugang zu Fragen zum Komplex Bauen, Mieten und Wohnen gemacht hat. Die Themen Klimaschutz und Energie spielen nun eine Rolle, allerdings bleibt vieles vage. Zum Beispiel wird unter dem Punkt Klimaresilienz das Prinzip der Schwammstadt hervorgehoben, bei dem möglichst viel Niederschlag durch Versickerung auf entsiegelten Flächen und Gründächer zurückgehalten werden soll. Auch der Erhalt von Kaltluftschneisen wird dabei genannt. Am Ende heißt es jedoch nur, dass sich die zahlreichen benannten Bauvorhaben durch klimaresiliente Bauweise auszeichnen „sollen“. Hier wäre eindeutig ein „müssen“ das Gebot der Stunde.

Konterkariert werden die zarten grünen Triebe in der Handschrift der CDU-Fraktion durch exorbitante Bauziele. Gleich 300.000 Wohnungen wollen die Abgeordneten in den nächsten zehn Jahren bauen. Es ist nicht zu erkennen, dass es für diesen Bedarf durch Daten gestützte Grundlage geben könnte. Es scheint als sollte das Bauziel von 200.000 Wohnungen der Regierungskoalition einfach mal deutlich überboten werden. Nicht lassen möchte die CDU offenbar auch von Dauerbrenner einer Randbebauung des Tempelhofer Feldes. Natürlich soll Letzteres nur nach eine Bürgerbefragung von oben herab erfolgen. Hierbei wird das Prinzip der direkten Demokratie, die Anliegen der Stadtgesellschaft jenseits von Parteiapparaten in den legislativen Prozess einspeisen soll, verletzt.

Als klare Konzession an die eigene Wählerschaft ist auch dieser Satz zu verstehen: „Die CDU-Fraktion lehnt Monstrositäten, die die örtliche Bebauung erschlagen, ab.“ In den Bezirken mit Bauverantwortung der CDU ist in den letzten Jahren in Größenordnungen weniger Geschosswohnungsbau entstanden als in den anderen Bezirken. Oft sind kommunale Bauprojekte in der Genehmigungsphase gestutzt worden. Das widerspricht Umweltzielen des möglichst geringen Flächenverbrauchs und auch der sich durch das Papier ziehenden Besorgnis steigender Baukosten wegen ökologischer Auflagen.

Scheinlösung 13. Bezirk

Über einen 13. Stadtbezirk auf der Fläche Brandenburgs die Zielkonflikte des überschießenden Wohnungsbauziels wie zusätzliche Versiegelung und Konflikte mit der Nachbarschaft in Berlin umgehen zu wollen, ist eine Scheinlösung. Denn offensichtlich ist im Vorfeld nicht auf Brandenburg zugegangen worden und außerdem wird die grundlegende Idee des Siedlungssterns der gemeinsamen Landesplanung mit den dazwischenliegenden Grünflächen mit ihrer wichtigen Funktion für die Natur und als Kaltluftschneisen für die dicht bebaute Hauptstadt verletzt. Dass in dem neuen Bezirk neben Geschosswohnungsbau auch neue Einfamilienhäuser entstehen sollen, ist mit der zwingenden Ressourcen- und Flächensparsamkeit nicht vereinbar.

Wenn man einen neuen Bezirk anstrebt, muss dazu auch ein klares Bekenntnis zu nachhaltiger und klimafreundlicher Mobilität gehören. Das müsste für die Gesamtstadt das Ziel sein, nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und der Sicherheit. Die CDU fordert aber pauschal Angebote für alle Mobilitätsformen.

Der BUND Berlin begrüßt, dass die Berliner CDU sich Gedanken zur energetischen Modernisierung und der Modernisierungsumlage gemacht hat. Allerdings bleibt sie etwas vage, wenn sie schreibt, dass statt der aktuellen Umlage die Modernisierung „ein Qualitätsmerkmal darstellen“ und „nach einem entsprechenden Schlüssel in die Miete einfließen“ soll, zumal es sich um eine Bundesregelung handelt, auf die die Landesgesetzgebung keinen Einfluss nehmen kann. Eine „Offensive zur Förderung energetischer Modernisierungen sowie Mieterstrommodellen durch das Land Berlin“, wie die CDU sie wünscht, sind zu begrüßen, wenn so eine übergroße, sozial unausgewogene Belastung vermieden werden kann. Durch die extrem gestiegenen Energiepreise sind allerdings die Karten neu gemischt worden. Wie die Förderung konkret aussehen könnte ist allerdings nicht ersichtlich aus dem Papier.

Aus Umweltsicht zu begrüßen ist auch die Ankündigung, ein Recht auf Wohnungstausch zu den bestehenden Mietvertragskonditionen prüfen zu wollen. So ließe sich eine bessere, den aktuellen Bedürfnissen entsprechende Wohnraumverteilung erreichen. Allerdings ist auch das, wie so vieles im Papier eine Angelegenheit, die nur auf Bundesebene verankert werden kann.

Generell sind die Ansätze der CDU beim Thema Klimaschutz und Energie etwas wild, zumal fast alles davon die Bundeseben betrifft und ein eine Klimaschutzpolitik auf Landeseben nicht wirklich sichtbar wird. Aber das Thema scheint angekommen. Der Berliner CDU ist offensichtlich klar, dass sie in Berlin dort auch etwas bieten müssen.

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