Am 8. Oktober 2024 lud die SPD –Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zu einer Dialogveranstaltung in das Parlament ein. Rund 60 Interessierte aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik folgten dem Angebot. Initiiert wurde der Abend von Linda Vierecke, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion.
Im Fokus der Veranstaltung stand die Frage, wie die kleinen Wasserläufe, Tümpel, Pfuhle und Teiche in der Stadt zukünftig besser geschützt werden können.
Bereits in den einführenden Beiträgen wurde klar, dass politisch weiter gehandelt werden muss. Es geht um wirksame Strategien und klare Zuständigkeiten, genauso wie die Finanzierung von Personal und Maßnahmen. Auch die anschließende Podiumsdiskussion widmete sich diesen Aspekten und wurde u.a. um Anregungen zur Forschung, Partizipation und Managementansätzen vertieft. Das Wassernetz war in diesem Diskurs aktiv vertreten und brachte hierzu seine Vorschläge ein – wie zur Einführung eines gesonderten „Finanztopfs“ für die Gewässerpflege. Zusammen mit weiteren Gewässerinteressierten hat das Netzwerk zudem Ideen eingebracht, wie die Politik nun das Kleingewässerprogramm mit Leben füllen kann.
Stefan Richter, Geschäftsführer der Stiftung Naturschutz Berlin gab einen Überblick zur Lage der Kleingewässer: Über 600 kleine Stillgewässer wurden bisher ermittelt. Ihre Bedeutung für die Gesellschaft sei enorm. Nach Einschätzung von Richter seien Kleingewässer neben den Bäumen das große Naturthema, welches die Berliner*innen bewegt. Zugleich bestehe auch in Berlin ein dringender Handlungsbedarf: Kleingewässer sind vor allem vom fallenden Grundwasserspiegel betroffen, der sich bis zu 70 cm gesenkt hat, genauso wie von der Verlandung und Übernutzung. Das wirkt sich auch auf die Biodiversität im und am Gewässer aus, gerade weil mehr als 70% der Arten diesen Ort als „Trittstein“ auf ihrem Lebens- oder Wanderweg nutzen. 9 von 13 in Berlin lebenden Amphibienarten – wie beispielsweise die Kreuzkröte – sind in ihrem Bestand gefährdet, obwohl sie durch das europäische Naturschutzrecht geschützt sind. Mit einer neu eingeführten EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und dem Berlin Urban Nature Paket bieten sich Chancen für eine Verbesserung der Situation, zumal mit dieser Neuerung Arbeiten zur Förderung der Schwammstadt und Biodiversität als Maßnahmen gesetzt sind.
Er betonte, dass, um Fortschritte erzielen zu können, müssen auch die behördlichen und weiteren Zuständigkeiten mehr in den Blick genommen und optimiert werden. Derzeit müssen ggf. mehr als 20 verschiedene Stellen bei der Umsetzung von Maßnahmen eingebunden werden – allein in der Senatsverwaltung gibt es drei Referate, die anzusprechen sind.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt im Nachgang der Hinweis, dass noch zu viel Geld „liegen“ bliebe. Insbesondere Fördermittel des Bundes werden für die Kleingewässer nicht genutzt. Es handele sich wie im Falle des Aktionsprogrammes natürlicher Klimaschutz um mehrere Milliarden EUR. Hier wäre aus Sicht der SPD eine Option, für Senat und Bezirke aktiv zu werden, damit sie Personal zur Einwerbung dieser Mittel einstellen können.
Gutes Beispiel
![Aufwertungsaktion](https://umweltzoneberlin.de/wp-content/uploads/2024/10/aktion-Packereigraben-scaled-e1728987997322-300x190.jpg)
Linda Vierecke stellte ihren Filmclip zu einer Aufwertungsaktion des Wassernetz Berlin am Packereigraben in Reinickendorf vor. An dem Gewässer werden beispielhaft die vielfältigen Herausforderungen deutlich, die sich bei der Verbesserung der ökologischen Situation des Wasserlaufes ergeben. Sie erfordern Maßnahmen auch im Einzugsgebiet des Grabens genauso wie die zusätzliche Bereitstellung von Ressourcen für die zuständigen Stellen. Das Beispiel zeigt aber auch, dass ein zivilgesellschaftliches Engagement mit lokalen Gewässerparten und Unterstützung der Behörden und Anwohner*innen durchaus möglich ist und erste Früchte trägt.
In der Podiumsdiskussion mit Dr. Pascal Rouault vom Kompetenzzentrum Wasser, Dr. Darla Nickel von der Berliner Regenwasseragentur, Linda Vierecke von der SPD-Fraktion und Verena Fehlenberg vom BUND für das Wassernetz Berlin würden folgende Punkte aufgenoemmen:
Partizipation und Mitwirkung: So gibt es niedrigschwellige Maßnahmen zur Aufwertung von Gewässern, die sich ohne viel Aufwand und in guter Kooperation mit den Behörden an kleinen Wasserläufern und Stillgewässern umsetzen lassen. Das Wassermetz Berlin macht hier gute Erfahrungen und bietet hierzu Mitmachangebote an.
Die Regenwasseragentur berichtete über erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bürgerschaft, Verwaltung und BWB beim Management der Teiche in der Frohnauer Aue, die eine ganzheitliche Planung sicherstellt und sich nicht nur auf Wasser begrenzt.
Aus der Zivilgesellschaft liegen Informationen zu Kleingewässern vor, die sich gut nutzen lassen – wie zum Beispiel der Kleingewässerreport des BUND Berlin, der bereits 600 Stillgewässer in der Stadt im Blick genommen hat und dessen neuer Bericht Mitte Oktober erscheint.
Datenmanagement und Wissenstransfer
Andererseits muss eine systematische Zustandserfassung und regelmäßige Untersuchung (Monitoring) der Kleingewässer sichergestellt werden. Angesichts des Aufwandes kann diese Aufgabe nicht allein auf den Schultern von ehrenamtlich Aktiven erfolgen. Hierfür braucht es einen geeigneten Ansatz mit aussagekräftigen Kriterien, Methoden und genügend Personal.
Finanzierung von Maßnahmen & personelle Ausstattung
Ist die Kosten-und Leistungsrechnung für die Zuwendung von Mitteln an die Bezirksämter noch zukunftsfähig? Wie kann die Fehlsteuerung angesichts der unzureichenden Berücksichtigung der unterschiedlichen finanziellen und personellen Ausstattung der Bezirke und des Landes minimiert werden? Braucht es ein komplett anderes Modell wie der von der SPD beschlossene Ansatz für eine Personalgrundfinanzierung?
Die Finanzierung der Maßnahmen für die Kleingewässer sollte weniger auf die (verstärkte) Nutzung von Fördermitteln beruhen, sondern vorrangig auf eine kontinuierliche und ausreichende Budgetierung im Haushalt. Das erfordere zum Beispiel die Einführung eines gesonderten Budgettitels (Produkt) für die bezirklichen Leistungen der Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung.
Anpassungsbedarf bei den Anforderungen
Der Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ist enorm. So fehlen Anforderungen zur Gewässerreinhaltung: Klärung bzw. Festlegung von Grenzwerten für z.B. Schwermetallgehalte im Regenwasser, das in einem Gewässer eingeleitet wird (Konzentrationen derzeit 100fach höher, als es ein Kleingewässer vertragen kann). Grundwasserschutz bzw. ausgeglichenen Landschaftswasserhaushalt über Wassersparen und effiziente Wassernutzung sicherstellen.
Wie weiter?
Linda Vierecke hatte in der Diskussion die für die sie wichtigen Punkte aufgeführt, welche sie in und mit der SPD – Fraktion unter den begrenzten finanziellen Ressourcen weiter voranbringen möchte. So will die SPD entsprechend ihres Antrags die BWB mit dem Management von Kleingewässern beauftragen bzw. einbinden. Für die Umsetzung des Kleingewässerprogramms mit Priorisierung von Kleingewässern, an denen sich Maßnahmen leicht umsetzen lassen soll ein ganzheitliches Konzept mit Kostenschätzung erstellt werden. Die Bezirksämter sollen durch die Berliner Regenwasseragentur beraten und die Umsetzung zur Schwammstadt soll vorangebracht werden.
Weitere Anregungen von den Teilnehmern
Zu der Frage “Wie können die ersten Gelder aus dem Kleingewässerprogramm am besten für Tümpel & Co investiert werden?” (Für 2024/25 sind 4,5 Millionen Euro im Haushalt eingestellt) gaben die Teilnehmer*innen Anregungen von Schulprojekten über konkrete Maßnahmen zur Durchlässigkeit von kleinen Fließgewässern, Schilfmahd und Aufwuchsbeseitigung bis zu Erstellung von Gutachten zur Amphibienerfassung.
Bei der zweiten Fragestellung “Was sind die wichtigsten politischen Stellschrauben, damit allen Berliner Kleingewässern zeitnah, dauerhaft und wirksam geholfen werden kann?” Kamen die bekannten Anregungen wie die dauerhafte finanzielle und personelle Stärkung von Umwelt- und Naturschutzamt und Straßen- und Grünflächenamt, die Aneignung von wichtigen Flächen für Gewässer, um ihnen ihren Raum zu geben aber auch bei beim Verwaltungs- und Behördenmanagement sahen die Teilnehmer größen Änderungsbedarf.
Beim der letzten Frage “Wie schaffen wir es, dass die Kleingewässer auch im „Alltag“ die nötige gesellschaftliche Unterstützung erhalten?” gab es vor allem Anregungen die Zivilgesellschaft und Vernetzung zu fördern, aber auch die Verwaltung zu befähigen.
Das Wassernetz Berlin, in dem auch der BUND Berlin beteiligt ist, hat sich zu einem wichtigen Akteur für den Gewässerschutz entwickelt. Da Tümpel, Teich und Co. in Berlin noch immer zu wenig wahrgenommen werden, begrüßt das Wassernetz das Engagement der SPD für Kleingewässer, wird das weitere politische Vorgehen begleiten und sich konstruktiv einbringen.
Bericht zum Parlament. Abend (Langfassung)
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