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Gegen die Bebauung des Tempelhofer Felds

Offener Brief von Architects for Tempelhofer Feld an Bausenator Christian Gaebler (SPD)

© by Architects4THF

In einem Ideenwettbewerb Tempelhofer Feld sammelt die Senatsbauverwaltung Entwürfe für die Bebauung des Feldes. Die Initiative Architects4THF wendet sich in einem folgend dokumentierten Offenen Brief an Bausenator Christian Gaebler (SPD). Unter diesem Link kann der Brief ebenfalls unterzeichnet und die Liste der herausragenden Unterstützenden. eingesehen werden.

Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat am 13. November einen internationalen Ideenwettbewerb für die Zukunft des Tempelhofer Feldes ausgelobt. Der Wettbewerb beinhaltet ausdrücklich die Möglichkeit einer dauerhaften Bebauung des Tempelhofer Feldes. Sie wenden sich an uns Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen und Stadtplaner:innen, um als Expert:innen Lösungen zu finden, doch Ihr Drängen auf eine Bebauung des Feldes erfüllt uns mit Unverständnis und großer Sorge. Ohne Begründung wird riskiert, einen einzigartigen Freiraum mit seiner ökologischen, gesellschaftlichen und erinnerungskulturellen Bedeutung zu zerstören. Die Bebauung des Tempelhofer Feldes stellt keine kosteneffiziente und nachhaltige Lösung für mangelnden Wohnraum dar, sondern gefährdet eine klimagerechte und zukunftsfähige Stadtentwicklung.

Eine Gefährdung demokratischer Kultur

Im September 2024 hat eine Bürgerwerkstatt den Volksentscheid von 2014 bestätigt und die Bebauung des Tempelhofer Feldes einstimmig abgelehnt. Dennoch wird der Wettbewerb seitens des Berliner Senats dazu genutzt, die eigene Agenda zur Bebauung des Tempelhofer Feldes voranzutreiben. Diese Missachtung bürgerschaftlichen Engagements ist in höchstem Maße inakzeptabel. Die Einzigartigkeit des Feldes wird von den politischen Entscheidungsträger:innen mit erschreckender Ignoranz als reines Bauland betrachtet. Wir weisen Ihren Versuch zurück, Architekt:innen zu instrumentalisieren, um eine unpopuläre und undemokratische Entscheidung zu legitimieren, die anstatt den Bedürfnissen der Berlinerinnen und Berliner politischen Interessen dient.

Ein einzigartiger Ort, den die Berlinerinnen und Berliner bewahren wollen

Das Tempelhofer Feld ist eine wichtige kommunale Infrastruktur. Sein großer gesellschaftlicher Wert, die Bedeutung für die Artenvielfalt und die kühlende Wirkung auf das Stadtklima wurden durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung wissenschaftlich bestätigt. Darüber hinaus sollte sich der Senat dafür einsetzen, dass seine Einzigartigkeit und internationale Bedeutung als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt wird. Von einer „behutsamen Randbebauung“, wie Sie behaupten, kann keine Rede sein, da jede Bebauung den Wert des Feldes zerstören würde.

Wohnraum schaffen

Die Einschätzung des Stadtentwicklungsplans 2040 besagt, dass die Anzahl potentieller Baugrundstücke zur Errichtung aller in den kommenden Jahrzehnten in Berlin benötigter Wohnungen ausreichen würde – wobei das Tempelhofer Feld unberücksichtigt bleibt. Der Mangel an Grund und Boden ist nicht das primäre Problem in Berlin. Vielmehr fehlt es an der Umsetzung von Maßnahmen, die nicht nur den Neubau Zehntausender bereits genehmigter Wohnungen, sondern auch alternative Strategien einer ökologischen und sozial gerechten Schaffung von Wohnraum umfassen würden.

  • Durchsetzung des Verbots der Zweckentfremdung: In Berlin stehen 40.000 Wohnungen leer, wobei davon auszugehen ist, dass ein großer Teil dieser Wohnungen zu Spekulationszwecken “leer” gehalten werden.

  • Wiederverwendung leerstehender Gewerbeflächen: Eine effektivere Nutzung des Gebäudebestandes könnte zudem durch eine Umwidmung von Gewerbeflächen zu Wohnraum erfolgen, da in Berlin derzeit 1,5 Millionen Quadratmeter Büroflächen ungenutzt sind. In Mischgebieten und urbanen Gebieten kann auf diese Weise neuer Wohnraum geschaffen werden.

  • Eine Kultur des Weiterbauens: In Berlin werden nach wie vor Hunderte Wohnungen pro Jahr abgerissen, was eine verheerende Energiebilanz zur Folge hat. Diese sollten stattdessen einer Sanierung unterzogen werden, ohne dass die Kosten hierfür auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden.

  • Aufstockung: Die bewährte Überbauung von beispielsweise eingeschossigen Discountern muss fortgesetzt werden, da sich hier ein Potenzial für Zehntausende von Wohnungen bietet.

Die Bezahlbarkeitskrise direkt angehen

Der Senat scheint mit dem vorliegenden Versuch, die größte Freifläche der Stadt zu bebauen, eine klare Intention zu verfolgen: die Schaffung neuen Wohnraums. Allerdings erweckt die Vernachlässigung alternativer Möglichkeiten des Bauens sowie weiterer Instrumente zur Sicherung bezahlbarer Mieten den Eindruck, dass vor allem eine renditeorientierte Stadtentwicklung begünstigt wird. Heute werden Zwangsräumungen und Eigenbedarfskündigungen als Werkzeuge genutzt, um maximale Gewinne für Investor:innen zu erzielen. Diese Art von Spekulation sollte umgehend verboten werden. Die Krise der Bezahlbarkeit sollte durch die Umsetzung des Volksentscheids von 2021 zur Vergesellschaftung privater Großvermieter angegangen werden. Die Fokussierung des Senats auf die Förderung des Bauens ohne Berücksichtigung des Mieterschutzes ist zu kritisieren.

Wir fordern, dass das Feld von dauerhafter Bebauung freigehalten wird und das ThF-Gesetz, welches das Feld schützt, erhalten bleibt.

Die Ergebnisse des Volksentscheids von 2014 sowie das Resultat der Bürgerwerkstatt sind zu respektieren. Der Senat ist dazu verpflichtet, die Zerstörung einen der größten Schätze Berlins zu verhindern und das Tempelhofer Feld den Berlinerinnen und Berlinern zur Verfügung zu stellen. Als Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen und Stadtplaner:innen setzen wir uns für eine Stadt- und Wohnungspolitik ein, die lokale Netzwerke und städtische Initiativen aktiv einbezieht und eine demokratische Teilhabe ermöglicht. Nur so kann eine ökologische und soziale Wende beim Bauen erreicht werden.

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