Zwei gemischte Bundestagskandidat*innen-Doppel hat die Bürger:inneninitiative A100 am Abend des 22. Januars auf die Bühne des Lichtenberger Kieztreffs Maggie an der Frankfurter Allee gebracht. Mit über 100 Gästen im Publikum war das Interesse rege. Und es gab trotz vieler erwartbarer Positionen auch Überraschungen bei den Aussagen.
Den Bundestagswahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost vertraten an diesem Mittwoch die Wahlkreiskandidatinnen Carmen Sinnokrot (SPD) und Katrin Schmidberger (Grüne). Für den Wahlkreis Lichtenberg waren es Ines Schwerdtner (Linke) und Danny Freymark (CDU).
Bevor auf Bundesebene über einen möglichen 17. Bauabschnitt der A100 von Treptow über Friedrichshain und Lichtenberg nach Prenzlauer Berg entschieden wird, steht zunächst, voraussichtlich im Sommer dieses Jahres, die Eröffnung des 16. Bauabschnitts an. Vom Autobahndreieck Neukölln führt dieses Teilstück auf 3,2 Kilometern Länge bis zum Treptower Park. Der Bund schätzt die Baukosten allein für seinen Anteil derzeit auf 720 Millionen Euro. Dazu kommt noch ein zweistelliger Millionenbetrag, den das Land Berlin aufwenden musste.
Grüne rechnet mit Verkehrskollaps
Die Grünen-Kandidatin Katrin Schmidberger rechnet mit einem „extremen Verkehrskollaps“ rund um das Autobahnende, sobald der Abschnitt in Betrieb genommen wird. Sie liet damit auf einer Linie mit den drei Verkehrsstadträt*innen der betroffenen Bezirke, allesamt ebenfalls Grünen-Mitglieder. Schmidberger zweifelt an, dass der Abschnitt überhaupt in Betrieb genommen werden darf. Schließlich verpflichte der Planfeststellungsbeschluss zur Erarbeitung eines Verkehrskonzepts. Das gibt es aber bis heute nicht.
„Es wird keine Verkehrsberuhigung kommen“, sagt auch Ines Schwerdtner von der Linken. Das Verkehrsproblem würde nicht gelöst, sondern könnte sogar verschärft werden. „Das wäre das erste Mal, glaube ich, in der Geschichte des Verkehrs, dass eine Autobahn zur Beruhigung von irgendwas geführt hätte“, so das Urteil der SPD-Kandidatin Carmen Sinnokrot.
Deutlich optimistischer gibt sich CDU-Mann Danny Freymark.“Ich kann nicht einschätzen, ob der 16. Bauabschnitt alle Verkehre vereinfacht und verbessert, aber wenn man fast 750 Millionen Euro in die Hand nimmt, dann erwarte ich das. Alles andere wäre ja ein Desaster“, so seine Einschätzung.
Zur Sinnhaftigkeit eines möglichen Weiterbaus der A100 sind die politischen Lager auch klar. Das Vorhaben sei „unglaublich teuer“ und „städtebaulich eine wahnsinnige Katastrophe“, urteilt Linke-Kandidatin Schwerdtner.
„Wir reden über 200.000 Quadratmeter Betonierung“, sagt die Grüne Schmidberger. Eine Menge Platz, der für die vielen anderen Bedarfe fehle. Für sozialen Wohnungsbau, die Kultur, städtisches Grün. „Es wird dann nicht mehr lebenswert sein. Und deswegen ist die A100 auch ein extrem krasses Beispiel, wie man sozusagen sich die Stadt selber kaputt bauen kann“, so die Politikerin.
SPD-Kandidatin zwischen Hoffen und Bangen
SPD-Frau Sinnokrot legt den Fokus auf die Realisierungschancen, eher im Stile eines lauten Denkens. Sie hofft, dass das Projekt in der nächsten Legislaturperiode aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen werde. „Ich hab keine Glaskugel, aber ich glaube, ich halte das für sehr unwahrscheinlich, dass im Bund irgendjemand wirklich noch dafür irgendwie politisches Engagement verschwendet.“ Um dann gleich wieder einzuschränken, dass mit der zu erwartenden Verkehrslawine mit Eröffnung der A100 die Stimmung gegen den Weiterbau in den betroffenen Kiezen kippen könnte. Das sei eine „ganz große Gefahr“.
Andererseits erwartet Sinnokrot nicht, dass die A100-Verlängerung außer der Reihe der alle zehn bis zwölf Jahren stattfindenden Aktualisierung des Bundesverkehrswegeplans gestrichen wird. Um dann wieder zu beruhigen: „Nur weil es da drinsteht, heißt es nicht, dass es jemand baulich pusht.“
CDU-Kandidat zweifelt an Nutzen der A100
CDU-Mann Freymark holt etwas weiter aus. Als derzeitiger umweltpolitischer Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion habe er „natürlich eine kritische Haltung“. Um dann klarzustellen: „Zugleich bin ich Mitglied der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus und wir haben hier eine Beschlusslage, dass wir die A100 fortsetzen wollen.“
Für ihn sei allerdings die Frage, ob sich das Projekt heute wirklich noch lohne. Das Pro und Contra müssten „konstruktiv“ abgewogen werden. „Und dann wäre auch meine Partei gut beraten, darüber nachzudenken, auch unter der Betrachtung der Kosten und was wir mit dem Geld stattdessen tun könnten.“ Er könne allerdings heute „nicht belastbar sagen, dass wir das Projekt morgen deswegen beenden“. Zunächst müsse die Autobahn GmbH des Bundes dieses Jahr erstmal Bericht über die Planung erstatten.
Schnell nach Mitte mit der A100?
Als einsame Befürworterin des Weiterbaus der A100 im Publikum outet sich die Lichtenberger CDU-Bezirksverordnete Diana Ziegler. Vor 21 Jahren sei sie nach Rummelsburg gezogen. Sie sei auf das Auto angewiesen. Ein Argument für sie sei damals der Bau der A100 gewesen, müsse damit zum Flughafen und nach Mitte. Und macht dann noch die größere Diskussion auf. Wegen eines Pollers im Kaskelkiez gebe es zusätzlich Stau auf der Hauptstraße, in Friedrichshain fielen Straßen für den Autoverkehr wegen Fahrradwegen weg, die allerdings „auch wichtig“ seien.
Grünen-Politikerin Katrin Schmidberger greift den Ball auf und verweist auf die vor Jahrzehnten gereifte verkehrswissenschaftliche Erkenntnis: „Je mehr Straße du baust, desto mehr Verkehr, Autoverkehr erntest du.“ Ganz abgesehen von der Frage, wie die Autobahn zur Storkower Straße für die Autofahrt von Rummelsburg nach Mitte helfen solle.
Diese Aufregung über Poller rege sie total auf. Sie würden deswegen aufgestellt, „weil die Leute falsch parken und sich eben nicht an die Regeln halten, wo man durchfahren darf. „Es geht nicht um Ideologie, weil wir es geil finden, einen Poller aufzustellen, sondern wir sind gezwungen oft an vielen Stellen, das zu machen“, unterstreicht sie. Man müsse Poller montieren, um für die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden „Recht und Ordnung“ durchzusetzen.
Für die Linke-Kandidatin sind Poller keine Lösung
„Es geht um sehr dramatische Diskussionen um diesen einen Poller, es geht ja aber eigentlich um Verkehrsberuhigung in den Kiez und es geht darum, dass eigentlich alle eine Verkehrsberuhigung wollen und auch ein besseres Verkehrskonzept wollen“, setzt Linke-Kandidatin Ines Schwerdtner an, um dann zu konstatieren: „Offensichtlich ist der Poller nicht die richtige Lösung.“ Damit stellt sie sich gegen die Linke-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg, die dem Antrag der Grünen für den Poller im Kaskelkiez beigetreten war.
Im Dezember 2023 ist der Poller unter der Eisenbahnbrücke an der Stadthausstraße im Kaskelkiez aufgestellt worden. Bereits vorher war die Durchfahrt für Autos außer für Anlieger verboten, doch wie üblich im Berliner Straßenverkehr, wurde das Schild eher als unverbindlicher Hinweis angesehen. Bis Oktober 2024 musste der Poller wegen Vandalismus bereits sieben mal durch das Bezirksamt erneuert werden.
Mehr Straßen = mehr Autoverkehr
Der CDU-Politiker Danny Freymark geht auf den Poller-Streit nicht konkret ein, sagt aber: „Ich glaube sogar, dass mehr Straßen tatsächlich den Autoverkehr befördern.“ Ebenso wie kostenloses Parken. 80 bis 90 Prozent der Leute, die er kenne, würden dem ÖPNV Vorrang einräumen wollen. Da sie aber mit dem aktuellen Angebot so unzufrieden seien und keine Weiterentwicklung sähen, „hart gezwungen sind mit dem Auto fahren zu müssen“.
„Meine Hoffnung beruht darauf, dass wir den Autoverkehr reduzieren, dass diese A100 schlichtweg nicht mehr gebraucht wird“, sagt Freymark. Allerdings sei der Wunsch nach einem Weiterbau „stark ausgeprägt“.
Die von ihm verbreitete Hoffnung, dass die Berliner CDU zu einer rationalen Verkehrspolitik findet, scheint angesichts des Agierens der schwarz-roten Landeskoalition ziemlich verwegen.