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Marzahn-Hellersdorf auf Konfrontationskurs beim Naturschutz

Bezirksbürgermeisterin verkennt Rechtslage bei Plänen für Freizeitbad

© by BUND Berlin/Nicolas Šustr

„Eine Ausgleichsfläche ist eine Ausgleichsfläche“, sagt Antje Stavorinus von der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN). „Denn Ausgleichsflächen sind per Bundesnaturschutzgesetz rechtlich dauerhaft gegen Wiederbebauung, also Versiegelung zu sichern. Denn diese Ausgleichsfläche wurde für die Versiegelung der Hellersdorfer Hellen Mitte hergestellt, damit die Versiegelung einen Ausgleich findet“, so Stavorinus weiter. „Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, auf dem Berg im Volkspark Friedrichshain ein Schwimmbad zu errichten“, unterstreicht sie.

Stavorinus reagiert damit auf Aussagen der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) zu den Plänen für den Bau eines Freizeitbads im Jelena-Šantić-Friedenspark nahe dem U-Bahnhof Kienberg. Zivkovic bestritt am letzten Freitag im März im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses, dass es sich bei dem Park um eine Ausgleichsfläche handele.

Es handele sich nicht um „Kompensationsmaßnahme von Heller Mitte, sondern es sind die Aushubarbeiten von Heller Mitte“, so die Bezirksbürgermeisterin, die auch für Wirtschaftsförderung, Straßen, Grünflächen, Umwelt- und Naturschutz, Personal und Finanzen zuständig ist. Bei den Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang mit Bauten für die Internationale Gartenausstellung 2017 handele es sich um einen „Birkenhain, der auch in den Planungen des B-Plans weiterhin als Kompensationsmaßnahme bestehen bleibt, also da haben wir keine Sorge“.

In ihrer Argumentation wirft Zivkovic dann noch die Ausweisung des Wuhletals als Ökokonto-Fläche etwas wild hinein. Beim Ökokonto handelt es sich um  dem Senat gemeldete Vorratsflächen, auf denen Ausgleichsmaßnahmen für künftige Bauprojekte umgesetzt werden können. Dieses Ökokonto beziehe sich „nicht nur auf den Kienberg, sondern auf das gesamte Wuhletal“, so die Bezirksbürgermeisterin. Das sei auch „die Voraussetzung für die Kompensationsmaßnahmen, die für das Vorhaben des B-Plans 10-118 notwendig sind“. An der Stelle sei im Flächennutzungsplan eine Grünanlage mit bebaubarer Sportfläche vorgesehen. „Und dadurch ist das Freibad aus planungsrechtlicher Sicht dort möglich“, so Zivkovic. „Die Typen-Schwimmhalle mit Außenbecken ist dort an der Stelle möglich, ohne dass wir Ausgleichsflächen, die doppelt belegt werden, überbauen“, unterstreicht sie.

Auch hier widerspricht Antje Stavorinus deutlich: „Dass die Fläche im Flächennutzungsplan als Sportfläche ausgewiesen ist, ändert auch nichts an der Festsetzung als Ausgleichsfläche. Denn eine Sportfläche kann auch eine Wiese oder eine Sandfläche, also zum Beispiel ein Bolzplatz oder Spielplätze mit Sportgeräten sein.“

„Eine Sportfläche, die sich in die natürliche Gestaltung des Parks eingliedert, also nicht darüber hinausragt, dient ja dem Schutzgut Erholung. Es ist jedoch das Maß der Versiegelung, was hier zählt, und die wird mit einem Schwimmbad massiv sein“, sagt Stavorinus. Hinzu kämen die Zerschneidungswirkung und die Wirkungen der erhöhten Lage auf die Umgebung, zum Beispiel durch Schall oder Licht.

Der Jelena-Šantić-Friedenspark sei zudem der Puffer für die Wuhle und die dort vorkommenden Tierarten. „Es ist daher wichtig, sich dafür und für den Erhalt der Ausgleichsfläche einzusetzen“, so Antje Stavorinus.

Die Aussagen der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic sind eine Reaktion auf eine gemeinsame Stellungnahme der Berliner Naturschutzverbände in der BLN im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung beim in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan für ein Freibad im Jelena-Šantić-Friedenspark. Sie lehnen ihn grundsätzlich ab.

Denn mit der Realisierung des B-Plans würde eine festgesetzte Grünfläche, die zugleich Ausgleichs- sowie Ökokonto-Fläche ist, versiegelt. Zudem handelt es sich beim vorgelegten Bebauungsplan um einen sogenannten Angebots-Bebauungsplan, der also ohne ein konkretes Bauvorhaben vom Bezirk aufgestellt wird. Er diene somit lediglich der Sicherung bzw. „Freimachung“ einer Fläche für eine beliebige Bebauung und begründet somit kein überwiegend öffentliches Interesse an einem konkreten Bauvorhaben und damit auch keinen Eingriff in die festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzflächen. Es könnte trotz Festsetzung des B-Plans mehrere Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis ein Schwimmbad überhaupt geplant und errichtet wird.

Denn die Berliner Bäderbetriebe haben aufgrund der Haushaltskürzungen bereits mitgeteilt, dass sie kein Geld für die Aufrechterhaltung der Freibadsaison in der bisherigen Form (keine beheizten Becken, vorzeitiges Ende der Freibadsaison im September) haben. Woher soll dann das Geld für die Errichtung eines neuen Bades kommen? Somit besteht auch keine Dringlichkeit für die Festsetzung des B-Plans und somit kein überwiegend öffentliches Interesse, da unklar ist, wann ein solcher B-Plan Schwimmbad realisiert werden könnte.

„Bemerkenswert ist, dass mit dem Jelena-Šantić-Friedenspark eine Kompensationsfläche und Berliner Ökokonto-Fläche zur Bebauung freigegeben werden soll“, hieß es in der Pressemitteilung.

Ausgleichsflächen sind jedoch nach dem Bundesnaturschutzgesetz dauerhaft zu erhalten. Die festgesetzte Ausgleichsfläche müsste daher bei Inanspruchnahme in Berlin doppelt kompensiert werden. Es müssten also allein für die bebaute Fläche mindestens 28.000 Quadratmeter, für die Gesamtfläche des Freibads eher 62.000 Quadratmeter, entsiegelt und renaturiert werden. Frau Zivkovic hat offengelassen, ob eine solch große Fläche zur Verfügung steht. Alternativ, wenn diese Kompensation nicht möglich ist, müssten die Häuser der Hellen Mitte wieder abgerissen werden, da die festgesetzte Kompensationsfläche mit dem Schwimmbad anderweitig genutzt werden würde.

In Marzahn-Hellersdorf stünden zahlreiche andere Flächen zur Errichtung eines Freizeitbads zur Verfügung. Beispielsweise Gewerbeparks wie der Cleantech-Business-Park oder der Georg-Knorr-Park, aber auch das ehemalige Wernerbad sellbst. Denn das für das ehemalige Wernerbad angestrebte Bauvorhaben wurde seit Stilllegung des Bades nicht vorangetrieben. Es liegt noch nicht einmal ein Bauantrag vor. Somit könnte bspw. die bisher „reine Interessensbekundung“: Errichtung eines Pflegeheims, rückabgewickelt und das alte Bad am See saniert und wieder eröffnet werden.

„Eine tatsächliche Alternativenprüfung zur Bebauung des Jelena- Šantić-Parks mit Vorlage der Wirtschaftlichkeitsberechnungen fand gar nicht statt“, kritisiert Antje Stavorinus. Eine solche Alternativenprüfung müsse aber laut Gerichtsurteil erfolgen (Az 5 S 2371/21 des 5. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 05.10.2023). Laut Urteil sind „Alternativen auch dann zumutbar und zu ergreifen, wenn sie nicht die wirtschaftlichsten sind, das Planungs-Ziel jedoch annähernd erreicht werden kann und die Alternative nachhaltig dem Natur- und Artenschutz dient“.

Abgesehen von der grundsätzlichen Ablehnung des Bebauungsplans finden sich zahlreiche Fehler, Auslassungen, falsche und unvollständige Bezüge im Artenschutz-Fachbeitrag. Entsprechende Untersuchungen sind auch in vielen Punkten nicht entsprechend der anerkannten Standards durchgeführt worden. Keine der floristischen und faunistischen Untersuchungen kann als vollständig angesehen werden.

„Es ist wie so oft eine politische Idee, an erhöhter Stelle ein Schwimmbad zu errichten“, sagt Antje Stavorinus. Man könne auf den Gedanken kommen, dass man sich hier ein Denkmal setzen wolle. „Dabei ist es den politschen Entscheidern egal, ob den Bürgern damit eine weitere Grünfläche versiegelt wird und somit wieder weniger grüner Erholungsraum zur Verfügung steht. Es ist ihnen egal, ob dort streng geschützte Tiere, wie Amphibien, großer Feuerfalter, Reptilien oder Vögel einen Landlebensraum verlieren.“

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