Von Afia und Jazba Mahmood
Am 03. Mai erreicht Deutschland das jährliche Ressourcenlimit. Das heißt: Ab dem 04. Mai benötigen die Menschen in Deutschland mehr Ressourcen, als die Erde 2025 regenerieren kann. Der Earth Overshoot Day, auch Erdüberlastungstag, erinnert uns daran, dass die Ressourcen des Planeten nicht unendlich zur Verfügung stehen – und wir sie nicht verschwenden dürfen.
Das fängt schon mit der richtigen Mülltrennung an, denn damit machen wir aus Müll eine Ressource.
Ein Beispiel: Wer gerne Joghurt isst, hilft der Umwelt bereits, wenn der Joghurtbecher – samt abgetrenntem Aludeckel – in der Gelben Tonne landet. Nur so bleiben die Materialien im Stoffkreislauf. Nur so entsteht aus dem weggeworfenen Joghurtbecher etwas Neues, wie etwa ein Plastikeimer.
Für das „Einmaleins der Mülltrennung“ interessieren wir uns schon lange. Als Zero-Waste-Botschafterinnen wenden wir das Wissen praktisch an. Wir – das sind Afia und Jazba Mahmood aus der High-Deck-Siedlung. Seit Oktober 2024 setzen wir uns im Projekt High-Decks ohne Müll für Zero Waste in unserer Nachbarschaft ein.
Ressourcenverschwendung in der High-Deck-Siedlung nimmt zu
Seit über 15 Jahren leben wir in der High-Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln, einer Großwohnanlage mit über 8.000 Bewohner*innen an der Sonnenallee. Über diese lange Zeit hinweg haben wir viele Entwicklungen in unserem Viertel miterlebt. Besonders der Umgang mit Müll und Ressourcen ist uns dabei negativ aufgefallen. Die Müllsituation in der High-Deck-Siedlung ist inzwischen katastrophal. Überquellende Container, falsch entsorgter Abfall, Sperrmüll auf Gehwegen und herumliegende Verpackungen: All das prägt ständig den Anblick unserer Umgebung.
Viele Bewohner*innen unserer Siedlung handeln sehr nachlässig. Trotz vorhandener Möglichkeiten, Müll richtig zu trennen, wird Abfall achtlos in die falschen Behälter geworfen. Sperrmüll landet häufig vor den Müllsammelplätzen und blockiert den Zugang für Bewohner*innen und Entsorger. Dieser respektlose Umgang trägt dazu bei, dass das Wohnumfeld für alle zunehmend unattraktiv und belastend ist.
Sauberkeit und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen im Koran
Ein großer Widerspruch. Denn wie wir selbst gehört die Mehrheit unserer Nachbar*innen dem muslimischen Glauben an. Unser Glaube legt großen Wert auf Achtsamkeit im Umgang mit Ressourcen und auf die Sauberkeit der Umgebung. Im Koran lesen wir:
- „Esst und trinkt, doch seid nicht verschwenderisch; wahrlich, Er liebt nicht die Maßlosen.“ (Surah Al-A’raf 7:32). Diese Aufforderung ist eindeutig: Konsum ist erlaubt, aber Maßhalten und bewusster Umgang mit den Gaben Allahs sind Pflicht.
- Unser Glaube verpflichtet uns, sorgsam mit unserer Umwelt umzugehen. Der Prophet Muhammad (saw) sagte: „Sauberkeit ist der halbe Glaube.“ (Buhârî). Dies gilt nicht nur für die persönliche Hygiene, sondern umfasst auch die Verantwortung für unser Umfeld.
- In der Sure Al-Furqan wird ein ausgewogenes Verhalten betont: „Und diejenigen, die, wenn sie spenden, weder verschwenderisch noch geizig sind, sondern dazwischen einen Weg halten.“ (Surah Al-Furqan 25:67). Ein ausgeglichener Lebensstil, der Verschwendung vermeidet, sollte auch unseren Umgang mit materiellen Dingen prägen.
- Ein ausgeglichener Lebensstil bedeutet in der Praxis, nur zu konsumieren, was notwendig ist, Müll korrekt zu entsorgen und Dinge möglichst lange zu nutzen oder weiterzugeben. Der Prophet Muhammad (saw) sagte:
„Esst und trinkt, kleidet euch und spendet. Aber hütet euch vor der Verschwendung.“ (Buhârî).
Als Zero-Waste-Botschafterinnen engagieren wir uns dafür, Müll zu vermeiden, richtig zu trennen und Alternativen zum Wegwerfen aufzuzeigen. Wir möchten vermitteln, dass auch der Islam eine bewusste Lebensweise fordert.
Unsere Zukunftsvision für eine nachhaltige High-Deck-Siedlung
Diese Haltung wollen wir nicht nur vorleben, sondern auch in unserer Nachbarschaft stärker verankern. Daher
- laufen wir jede Woche die Müllsammelplätze ab,
- befestigen Aufkleber gegen Plastik im Biomüll an den Biotonnen,
- unterstützen Clean-Ups und Zero-Waste-Workshops in Schulen und Kitas,
- sammeln bei den Bewohner*innen Rezepte für das Null-Müll-Kochbuch der High-Deck-Siedlung ein
und vieles mehr.
Am Earth-Overshoot-Day – und an jedem anderen Tag – lautet unser Ziel, die Siedlung nicht nur sauberer, sondern auch nachhaltiger und zukunftsfähiger zu machen. Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Umweltschutz keine zusätzliche Aufgabe, sondern Teil unserer religiösen und gesellschaftlichen Verantwortung ist. Mit unserer Arbeit erinnern wir daran, dass bewusster Konsum und Rücksichtnahme auf die Umwelt Ausdruck eines gelebten Glaubens sind.
Wir sind überzeugt: Wenn jeder Einzelne achtsam handelt, wird die High-Deck-Siedlung nicht nur sauberer, sondern auch ein noch lebenswerterer Ort für alle Generationen.
Der Text stammt von den Zero-Waste-Botschafterinnen Afia und Jazba Mahmood, denen wir herzlich für ihr Engagement danken. Ihr interessiert euch dafür, was sonst im Kontext des Projektes High-Decks ohne Müll passiert? Dann schaut auf der Projektwebsite unter Aktuelles vorbei und abonniert unseren Newsletter. Einen guten Überblick zur Müllentwicklung in der High-Deck-Siedlung ermöglicht auch der Blogbeitrag Für eine saubere High-Deck-Siedlung.