Teil der Diskussions- und Informationsveranstaltung des BUND Berlin zum Dreieck Späthsfelde im Rahmen der Kampagne „Grüne Flächen retten – Hitzeschutz jetzt!“ war auch ein kleiner Rundgang durch das Gebiet. Vier Stationen widmeten sich den Themen Artenvielfalt, Kleingärten, Verkehr und Wasser.
Lebensraum für Amphibien
Station Eins des Rundgangs durch Späthsfelde ist eine eingezäunte Grünfläche an der Chris-Gueffroy-Allee. Nur der Schilfbewuchs verrät, dass sich hier ein Gewässer befindet. Es ist einer von mehreren Teichen, die als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme beim Bau der Teltowkanalautobahn A113 angelegt worden sind. „Wir haben hier mindestens vier verschiedene Amphibienarten, von denen wir wissen“, sagt Nadine Gamrath von der Stiftung Naturschutz Berlin. Dazu gehörten die „typischen Arten“ Teichfrosch und Teichmolch. „Die kommen hier auch in den Kleingärten vor.“
Zusätzlich kommen in diesem Kleingewässer, das als Ersatz-Laichhabitat angelegt worden ist, Knoblauchkröten vor. „Darüber sind wir sehr glücklich, weil Knoblauchkröten zu den streng geschützten Arten gehören“, sagt Gamrath. „Das ist etwas Besonderes.“ Zudem seien auf Flächen auf der anderen Straßenseite der Chris-Gueffroy-Allee Einzeltiere der Erdkröte nachgewiesen worden.
Amphibien leben sehr versteckt
Da Amphibien sehr versteckt lebten sei es sehr wahrscheinlich, dass noch weitere Arten vorkommen, die einfach noch nicht nachgewiesen sind.
Jeder kann mit dem Artenfinder der Stiftung Naturschutz Berlin seinen Beitrag für den Naturschutz leisten. Fünf einfache Schritte – entdecken, fotografieren/Ton aufnehmen, bestimmen, erfassen und von Expert*innen bestätigen lassen – sorgen dafür, dass auch Laien bei der Dokumentation mithelfen können, die Ergebnisse aber auch fachlich valide sind.
Gerade Kleingärten, die nur rund drei Prozent der Fläche Berlins ausmachen, seien ein wichtiger Lebensraum für Amphibien, erläutert Gamrath. „Sie haben ganz verschiedene Strukturen. Hecken sieht man ganz oft. Holzstapel, alles mögliche. Und damit bilden sie ein kleines Mosaik an Lebensräumen für verschiedenen Arten“, sagt die Expertin. „Gartenteiche können eine wichtige Rolle spielen.“ Allerdings nur, wenn keine Fische in ihnen leben, da sie den Amphibienlaich fressen.“
Amphibien sind als sehr sensible Arten aus unterschiedlichen Gründen stark gefährdet. Der Klimawandel spielt eine Rolle, aber auch die Zerschneidung von Naturflächen durch Bebauung oder Verkehrswege. Die Tiere wandern viel zwischen ihrem Landhabitat und ihren Gewässern oder auch zwischen verschiedenen Gewässern. Daher ist es besonders wichtig, relativ große Grünflächen in der Stadt zu erhalten“, sagt Nadine Gamrath.
Kleingärten in Gefahr
Nur wenige Schritte weiter berichtet Ramona Schneider, 1. Vorsitzende der Gartenfreunde Treptow, von der Situation der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in Späthsfelde. Station Zwei ist ein Weg in der Kleingartenkolonie Baumfreunde. „Weiter vorne ist die Siedlung X, nebenan die Kleingartenanlage Pritzer Allee. Gegenüber ist dann Gemütlichkeit 3, Harmonie, Holunderbusch weiter hinten“, sagt Schneider.
Genau an der Stelle, wo der Weg verläuft soll nach Vorstellungen des Senats eine vierspurige neue Hauptstraße verlaufen. Einst als Südost-Verbindung (SOV) bezeichnet, wird sie nun „Verkehrliche Lösung Späthsfelde“ genannt. Von der Autobahn-Ausfahrt Späthstraße mindestens bis zur Kreuzung Baumschulenstraße und Königsheideweg soll sie führen und den Haken abschneiden, den Späthstraße und Neue Späthstraße derzeit machen.
„Wenn es dazu kommt, dann sind hier keine Gärten mehr von der Kolonie Baumfreunde. Die fallen alle dem Bau zum Opfer. Auch in den Anlagen Britzer Allee und Lerchenhöhe würden wegfallen“, berichtet Schneider. „Also müssen wir alle zusammenhalten und kämpfen, dass wir alle unsere Gärten behalten können“, sagt sie.
Kleingärten als sozialer Ort
Eine Planierung der Kleingärten wäre „überhaupt nicht akzeptabel“, sagt Schneider. „Denn für viele ist ihr Garten so ein bisschen ihre kleine Heimat. Man kennt sich. Und wenn das jetzt auseinandergerissen wird, ist eine große Lücke für viele“, führt sie aus und fügt an: „Das würde mir genauso gehen.“ Weitere Kleingärten würden für den geplanten Wohnungsbau wegfallen.
„Wir reden hier ja auch von Klimaerwärmung. Wir reden von Umwelt. Wir reden von Erhalt der Natur. Und dafür kämpfen wir auch im Bezirksverband. Wir lassen hier keinen allein. Wir kämpfen gemeinsam und ziehen an einem Strang“, sagt Schreiner. Unklar sei zudem, ob die Pächterinnen und Pächter auch noch für die Beräumung ihrer Grundstücke zahlen müssten.
Autolawine schon jetzt
An Station Drei, einen Steinwurf von der Kreuzung Späthstraße/Baumschulenstraße/Königsheideweg entfernt, referiert Harald Moritz vom Fußverkehrs-Fachverband FUSS e.V. über die aktuelle Verkehrssituation und die Senatsplanungen. Zwischen 23.000 und 26.000 Kraftfahrzeuge täglich seien bei den letzten Zählungen auf der Baumschulenstraße registriert worden, berichtet er.
„Wir haben aber ein großes Verkehrssicherheitsproblem, gerade für Radfahrer und Fußgänger, da es für sie in dem ganzen Gebiet eigentlich gar keine Infrastruktur gibt. Der Nahverkehr steht natürlich mit den Buslinien auch im Stau“, sagt Moritz. Die Kreuzung Chris-Geffroy-Allee und Spätstraße sei im Jahr 2024 auch ein Unfallschwerpunkt gewesen.
50-Meter-Schneise durch Kleingärten
Für den Fall, dass tatsächlich 4000 Wohnungen in Späthsfelde gebaut werden sollen, würde auf der neuen Straßenverbindung auch eine Straßenbahntrasse angeordnet. „Die Planer gehen von einer 50 Meter breiten Trasse für Autospuren, Rad- und Fußgängerwege, Tramgleise und das sogenannte Straßenbegleitgrün aus“, sagt Moritz.
Moritz rechnet vor: 2000 Wohnungen mit durchschnittlich je zwei Bewohnern entsprechen statistisch 12.000 Wegen pro Tag, wenn man durschnittlich drei Wegen pro Bewohner und Tag zugrundelegt. In Treptow-Köpenick werden 26 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt, berlinweit 22 Prozent. Moritz rechnet mit einem Autoverkehrsanteil von einem Viertel der Wege, was 3000 zusätzlichen Autofahrten pro Tag entspräche. Bei 4000 Wohnungen müssten die Zahlen verdoppelt werden.
Die Straßen sind voll
„Die Baumschulstraße verträgt auf keinen Fall noch mehr Verkehr“, sagt Moritz. Von daher werde auf die SOV verwiesen. „Über die haben wir vor 30 Jahren schon gesprochen. Und in 30 Jahren werden wir immer noch drüber reden“, so der Experte. Angesichts der Finanznöte und zahlreicher anderer kostspieliger Straßenbauprojekte des Senats, Ost- und Westumfahrung Köpenick oder TVO, glaubt er nicht an eine absehbare Realisierung. Und unterstreicht: „Ich halte die TVO so oder so für verkehrt.“
„Man könnte etwas gegen die Belastung in der Baumschulenstraße machen. Man macht es aber nicht“, stellt er fest. Allein schon dadurch, die Freigabezeit für Rechtsabbieger von der Minna-Todenhagen-Brücke auf die B96a Richtung Innenstadt zu reduzieren.
Auf dem größten Gewässer Berlins
Zur Wassersituation in Späthsfelde referiert am Königsheideweg schließlich Christian Schweer vom Wassernetz Berlin. Es ist die vierte und letzte Station des Rundgangs. Ein paar Meter tiefer liegt das „Grundwasser Untere Spree“, das größte Gewässer Berlins, „und gleichzeitig ein Gewässer, auf das auch die EU achtet, dass das gut geschützt ist“, wie Schweer erläutert.
Angesichts der geringen Niederschläge in Berlin – weniger als in Barcelona oder Neapel – sei insbesondere die Schwammfunktion des Bodens als Wasserspeicher sehr wichtig, so Schweer. „Wenn uns das Wasser fehlt, dann fehlt uns auch irgendwann das Trinkwasser“, sagt er.
Es betrifft aber auch die grundwasserabhängigen Lebensräume. Dazu zählt der angrenzende Wald Königsheide, aber auch die Teiche im Gebiet, die eigentlich von Grundwasser gespeist werden.
Auch im Grundwasser ist Leben
„Wo Wasser ist, ist Leben. Da ist die Vielfalt, da sind zum Beispiel bedrohte Amphibien. Was die wenigsten aber wissen, dass das Grundwasser auch selbst lebt. Und das ist so wichtig, weil das Grundwasser-Ökosystem dafür sorgt, dass das Wasser rein bleibt. Das ist wie eine biologische Kläranlage.“, erläutert Schweer.
Genauso wichtig sei, dass der Boden Wasser weiter durchsickern lasse. „Wir haben hier vor allen Dingen sehr kleine Lücken, die schnell verstopfen. Die Tiere im Grundwasser sorgen mit den Mikroorganismen dafür, dass das Wasser versickern kann, dass es sich weiter bewegen kann, aber auch wieder aufsteigen kann. Und auch, dass die ganzen krankmachenden Keime, die wir auch im Wasser haben, in Schach gehalten werden“, sagt Schweer.
Aufwändige Suche nach Leben
Die Suche nach Leben im Grundwasser ist aufwändig, berichtet der Experte. Zehn bis 15 Untersuchungen seien manchmal nötig, um fündig zu werden. Das ist in Späthsfelde inzwischen gelungen. „Solange wir auch nicht wissen, wie es unseren Tieren geht, wenn wir jetzt hier noch weiter versiegeln“, fordert Schweer. Zumal Versiegelung zu einer weiteren Erwärmung des Grundwassers führt – eine Gefahr für das besonders empfindliche Leben im Boden.
Rückstände aus der Industriegeschichte in Oberschöneweide finden sich auch in Späthsfelde im Grundwasser, darunter Zyanide und Lösungsmittel. „Wir haben selbst bei Untersuchungen festgestellt, dass es Kupfer ein Problem gibt. Und was schon auch erschreckend war, dass wir selbst Mikroplastik unten in 25 Metern Tiefe gefunden haben“, berichtet Schweer. „Also man merkt, da ist schon einiges im Argen.“
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