ARD und ZDF hatten anlässlich des „Tags des Bauens“ und der rbb am 17. April noch einmal das Thema Baukosten und daraus folgende Mietkosten aufgegriffen. Der Senat plant mit seinem “Schneller-Bauen-Gesetz“ ebenfalls auch die Baukosten zu senken, indem Planungszeiten verkürzt und u.a. Naturschutzrechte eingeschränkt werden. In allen Fällen klingt die Motivation gut, nämlich dass auch Menschen mit geringem Einkommen eine vernünftige Wohnung bezahlen können. Lassen wir mal die berechtigte Kritik an der langsamen Bürokratie hier unberücksichtigt, so wird oft der Naturschutz als Preistreiber angesehen. Das wird oft behauptet, ohne die Kosten konkret zu benennen. Oder ins Verhältnis zu anderen Kosten zu setzen.
Kostentreiber Nummer 1 ist die Bodenspekulation
Der erste Schritt preiswertere Mieten zu erreichen, müsste deswegen der sein, die Bodenspekulation zu verhindern. Die Steigerungen des Bodenpreises in Berlin in den letzten Jahren ist nämlich der Kostentreiber Nummer 1: Das ist hier am Beispiel Neukölln, Gegend Flughafenstraße gut zu sehen:
Jahr €/m²
2015 600
2016 900
2017 1800
2018 2500
2019 3300
2020 3600
2021 3600
2022 3800
2023 3200
Für ein 1.000 m² großes Baugrundstück bedeutet das von 2015 bis 2020 ein Spekulationsgewinn von drei Mio. €, ohne dass der Eigentümer auch nur irgendetwas dafür getan hätte – das nennt sich leistungsloser Gewinn! Dieses 1.000 m² große Grundstück erlaubt bei dichter Bebauung ca. 1.500 m² Wohnfläche und wenn man die drei Mio € Mehrkosten auf diese Wohnfläche umlegt, erhöhen sich die Erstellungskosten um 2.000 €/m² – bei vielleicht 4.000 €/m² Baukosten! Diese leistungslosen Spekulationsgewinne sind erst mal der Haupttreiber der Mieten in unserer Leistungsgesellschaft – ist das damit gemeint, wenn es heißt „Leistung muss sich wieder lohnen“?
Naturschutz kostet wenig und bringt viel
Und was kostet der Naturschutz, der so böse die Kosten treiben soll? In dem von den Sendern genannten Beispiel der Bauplanungen in Lichterfelde Süd werden insgesamt ca. 319.500 m² Geschossfläche erstellt (B-Plan 6-30, S. 55). Die Groth Gruppe gibt ein Investitionsvolumen von 900 Mio. € an, wobei u.a. auch Straßen und Kitas gebaut und Grundstücke für Gemeinbedarf (z.B. Schule, Umweltbildung) zur Verfügung gestellt werden müssen. Der städtebauliche Vertrag nennt Kosten von 17.653.940 € für die Maßnahmen, die nach Naturschutzrecht aufgebracht werden müssen und 1.232.210 € als Waldausgleichsabgabe. Dazu kommen sicher noch Kosten für die Gutachter, die dort nicht dargestellt sind. Selbst wenn wir großzügig insgesamt 25 Mio € rechnen, dann kommen wir – bei den 319.500 m² Geschossfläche – auf ca. 80 €/m² Mehrkosten durch den Naturschutz, also 4% der 2.000 €, um die die Erstellungskosten durch den oben dargestellten Spekulationsgewinn steigen.
Und für die 80 € bekommen wir als Bewohner aber auch etwas, das ist nicht leistungslos: wir erhalten Natur, schaffen Ersatzlebensräume für seltene Amphibien, Vögel, Wildbienen, Schmetterlinge und Eidechsen und das mit 25 Jahre langer Pflege und dauerhafter Sicherung. So erhalten wir unseren Nachfahren den wertvollen Schatz der Artenvielfalt!
Schützenswerte Artenvielfalt gibt es auch bei uns
Noch ein weiterer Aspekt ist zu nennen: Wir wissen, dass nicht nur das Klima, auch die Artenvielfalt ist global bedroht. Viele denken da an Elefanten, Tiger, Giraffen, Amazonaswälder und Regenwälder auf Borneo und sind fest überzeugt, dass das erhaltenswert ist. Bleiben wir bei diesen Beispielen, dann bezieht sich das auf Länder, die so gut wie alle ärmer sind als das reiche Deutschland; und von diesen Ländern erwarten wir, dass sie für ihre Landwirtschaft nicht den Amazonaswald roden, dass sie zum Schutz ihrer Dörfer nicht die Tiger ausrotten, dass sie nicht die Elefanten töten, die ihre Ackerfrüchte plündern. Auch Deutschland, auch Berlin hat sehr viel wertvolle Artenvielfalt und das deutsche Fernsehen zeigt dauernd Filme über diese Schätze der Menschheit – aber kaum geht es darum, dass wir als reiches Land etwas für dessen Erhalt zahlen, dann ist das alles vergessen, dann zählt das alles nichts mehr.
Naturschutz nicht gegen Soziales ausspielen
In der ganzen Diskussion sollte einfach mal bedacht und praktisch auch umgesetzt werden: Wir leisten uns Spekulationsgewinne in ungeahnter Höhe, verschweigen diese aber um dann auf den Naturschutz zu schlagen, der vergleichsweise nichts kostet, den wir in Sonntagssendungen so schön finden, aber der sich so wohlfeil gegen die sozialen Belange instrumentalisieren lässt. Dagegen stellen wir als BUND das Konzept der sozial-ökologischen Transformation, denn wir wissen, dass sich die ökologischen Probleme nur lösen lassen, wenn wir auch die sozialen Belange lösen.
LINKS:
rbb-Beitrag vom 17.4.2024: Neubau von Wohnungen nach zwölf Jahren genehmigt
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/av7/video-baugenehmigung-lichterfelde-neubausiedlung.html
ZDF: https://www.zdf.de/nachrichten-sendungen/heute-journal/wohnungsbautag-wohnraum-mangel-100.html
ARD: https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1325958.html
Umweltverbände gemeinsam gegen Gaeblers “Schneller-Bauen-Gesetz” (Pressemitteilung vom 23. April 2024)
zum Thema sozial-ökologischen Transformation:
BUND-Publikation”Eine Zukunftsagenda für die Vielen” zum download
Studie: So kann energetische Modernisierung von Mietwohnungen sozialverträglich gelingen
Sozialer Klimaschutz in Mietwohnungen
Zum Autor: Andreas Faensen-Thiebes ist Mitglied im Vorstand des BUND Berlin und Geschäftsführer der BUND Landschaftspflege-Manufaktur gGmbH, die für die Pflege in der Weidelandschaft verantwortlich ist. Er hat die Planung von Lichterfelde Süd intensiv begleitet.
Großartiges Plädoyer. Danke für die gelungene Aufklärung. Solche Texte müssen jetzt nur noch mehr Verbreitung finden.
Ich versuche das bißchen, was mir möglich ist.