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Eventisierung des Grunewalds

Klima-Ausstellung mit 'Wohnzimmer-Informationsinseln'

Der Grunewald, auch außerhalb Berlins weit bekannt, ist mit ein Symbol für die Bedeutung Berlins als grüne Stadt. Die Beziehungen der Berliner zu diesem Wald sind ziemlich innig, sie haben schon um 1915 für seinen Erhalt gekämpft, das Ergebnis war der Dauerwaldvertrag, dessen Entstehung sich 2015 zum hundertsten Mal gejährt hat.
Es hat aber immer auch Begehrlichkeiten und Konflikte gegeben, immer wollte die Stadt nach dem Wald greifen, hätte es den Dauerwaldvertrag nicht gegeben, wären heute die Havelchaussee und wahrscheinlich auch der übrige Wald mit Villen bebaut, wie das im gleichnamigen Ortsteil  Grunewald zu besichtigen ist. Der Gassenhauer aus dieser Zeit erinnert daran „Im Jrunewald ist Holzauktion….“. Unter den Nazis wurde die sogenannte wehrtechnische Fakultät am Teufelsberg gebaut und der große Rest sollte in einen Park für „Germania“ umgestaltet werden. Dann kam der große Kahlschlag während und nach dem 2. Weltkrieg, als die Berliner froren und Brennholz brauchten.

Wilde Ideen für den Wald

Auch nach der Wiederaufforstung gab es immer Versuche, die Partikularinteressen einzelner Nutzergruppen durchzusetzen. So entstand anlässlich der ersten internationalen Boots-, Sport- und Freizeitausstellung 1976 der Vorschlag, eine Wildwasser- und Kanustrecke im Wald anzulegen. Mit elektrischen Pumpen sollte Wasser aus dem Grunewaldsee in die eiszeitliche Grunewaldrinne  gepumpt werden und dort ordentlich Strömung machen. Der Plan kam Gott sei Dank nie zur Ausführung, heute wäre sowieso kein Geld mehr da, um den Pumpenstrom zu bezahlen.

Zahlreiche Landschaftsplanerstudenten übertrafen sich in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in ihren Seminaren mit immer obskureren Vorschlägen, wie man den Wald bedarfsgerecht verstädtern könnte. Schließfächer entlang des Grunewaldsees sind mir noch in Erinnerung, in denen Badende und Schlittschuhläufer ihre Klamotten unterbringen sollten.
Selbst der ehemalige Umweltsenator Hassemer wollte für die vorletzte Olympiabewerbung noch schnell Flächen am Rand des Grunewalds für ein neues Tennisstadion abknapsen.

Wald als Gegenwelt

Die Förster haben diese Ansprüche fast immer in aller Ruhe abgewehrt und ihre Flächen verteidigt. Eines war Konsens, der Wald sollte immer als Gegenwelt zur hektischen Stadt fungieren und für die Erholung des gestressten Städters ein Ort der Ruhe und Natürlichkeit sein. Spaziergänger, Jogger, Radfahrer, Naturbeobachter, (auch –innen), Yogafans und spielende Kinder sind im Wald willkommen, aber keine Massenveranstaltungen mit mehreren 100 Teilnehmern. Auch die Attribute städtischer Parks haben demnach im Wald nichts zu suchen: Befestigte Wege, Parkbänke, Papierkörbe, Imbissbuden gehören aus dieser Sicht nicht in den Wald.

Und da der Grunewald wie auch der gesamte Berliner Wald offiziell als Erholungswald eingestuft ist, nach FSC- und Bioland-Standards bewirtschaftet wird und nicht ausschließlich der Holzproduktion dient, sind inzwischen auch wieder schöne Waldbilder entstanden, hinter denen sich viele brandenburgische „Holzäcker“ verstecken müssen. So haben der Wald und wir mit diesem Zustand all die Jahre gut gelebt.

Wald-Klima-Ausstellung

Nun kommt im nächsten Jahr die IGA und in ihrem Gefolge der Klimawandel und damit nach dem Willen der Forstverwaltung und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz auch eine sogenannte Wald-Klima-Ausstellung als Wald-Klima-Pfad in den Grunewald. Diese wurde vom zuständigen Forstamt Grunewald ziemlich klammheimlich vorbereitet.
Wie der bis Ende Dez. 2015 nur unvollständig bekannten Planung zu entnehmen war, bestand diese aus einem ca. 4 km langen Rundweg im zentralen Grunewald im Bereich Pechsee/Barsee. Ausgangspunkt sollte der Grunewaldturm sein. Im Verlauf des Rundwegs sollten auf 11 sogenannten Informationsinseln, von den Planern auch „Wohnzimmer“ genannt, Ausstellungs- und Infoobjekte sowie Sitzgelegenheiten installiert werden, alles aus „nachhaltigem“ edlem heimischen Laubholz und schick designed. Dazu sollten einige Wege und Plätze mit Schotter neu befestigt werden.

Weiter sollten mehrere Plattformen sowie Stege und Podeste errichtet werden, zwei davon in unmittelbarer Nähe der als NSG geschützten Moore Pechsee und Barsee. Dort hätte man dann den beiden Mooren, die seit langem durch die Trinkwasserförderung von der völligen Austrocknung bedroht sind, beim Dahinsiechen bzw. Sterben zugucken können.

Besondere Gimmicks waren weiter

  • eine Rutschbahn in ein Grunewald-Tälchen (dort sollte früher das Wildwasser rauschen), für die man eine 6 m breite Schneise frei hauen hätte müssen. Dazu sollte ein begleitender Treppenweg in den steilen Hang gebaut werden.
  • sprechende Bäume, mit denen man telefonieren kann (Berliner Schauspieler leihen den Bäumen ihre Stimme)
  • und ein Flaschenautomat, aus dem man sich eine Glasflasche zum Abfüllen mit echtem Berliner Leitungswasser entnehmen kann.

Welche wesentlichen Informationen dem staunenden Bürger durch die Installationen vermittelt werden sollen, darüber ist bis heute noch wenig bekannt. Zu hören war, dass vor allem über das aktuelle Waldumbauprogramm (die noch zahlreichen Kiefernbestände sollen und werden bereits mit Laubholz unterbaut), über die Fähigkeit des Waldes CO2 zu binden und über nachhaltige Holznutzung informiert werden soll.

Es gibt keine verlässliche Prognose, wie viele Menschen diese Ausstellung tatsächlich aufsuchen werden. Immerhin sind dort min. 4 km zu laufen.

5 Jahre sollen die Objekte stehen bleiben, danach werden sie wieder abgerissen. Während der Dauer der IGA 2017 gibt es eine Betreuung und einen Eingangspavillon am Grundwaldturm mit Toiletten.
Das Ganze kostet round about über 1 Mio. Euro.

Nun kann man ja als Naturschutzverband eine derartige Ausstellung mit dem Anspruch, die Bürger zu bilden und ihnen die klimawirksamen Wirkungen des Waldes näher bringen zu wollen, nicht als rund heraus schlecht ansehen.

Fragwürdiges Konzept
Warum muss das Projekt ausgerechnet im landschaftlich schönsten und ruhigsten Teil des Grunewalds, im Naturschutzgebiet (NSG) und Flora-Fauna-Habitat FFH-Gebiet stattfinden, verbunden mit Störungen für Flora und Fauna und Eingriffen in das dortige NSG – Alternativstandorte wurden offensichtlich nicht geprüft?
Warum plant man diese Ausstellung in einem Bereich mit einer miserablen Erschließung durch den ÖPNV? So ist der Grundwaldturm eigentlich nur per PKW erreichbar, der BVG-Ausflugsbus kommt im Sommer alle Stunde einmal vorbei, der nächste S-Bahnhof ist 5 km entfernt. Die meisten Besucher werden also mit dem PKW kommen. Am Grunewaldturm gibt es zwar eine begrenzte Anzahl Parkplätze, die müssen aber an schönen Sommertagen mit denen geteilt werden, die zum Baden an die Havel wollen. Auf der Waldklima- Ausstellung können dann die mit dem PKW angereisten Besucher sehen, wie viel CO2 sie gerade erzeugt haben und wie viel davon der Wald kompensieren kann. Vielleicht kommt dabei jemand auf die Idee dass wir mehr Wald brauchen oder dass man am besten die Havelchaussee stilllegen sollte, wie dies vor 30 Jahren schon mal versucht wurde.

Warum gibt man dafür 1 Mio. € aus in einer Zeit, wo öffentliche Gebäude aus Geldmangel verwahrlosen und Eltern die Schulen ihrer Kinder selber streichen müssen oder aber kein Cent mehr vorhanden ist für die Pflege von Naturschutzgebieten, wie z.B. Pechsee/Barsee?

Und was ist an dieser Ausstellung nachhaltig, wenn die ganzen Objekte nach 5 Jahren wieder abgerissen werden?  Was passiert dann mit dem wertvollen heimischen Laubholz, im besten Fall wird es zur Spanplatte oder zu Pellets fürs Heizkraftwerk. Ist das nachhaltig? Wäre doch schöner, die Bäume stünden noch im Wald und würden mit ihren Blättern rauschen! (das ist aber kein Plädoyer dafür, dass die Objekte noch länger stehen bleiben sollen!!).

Auch über das der Ausstellung zugrunde liegende Konzept ließe sich lange diskutieren – glaubt man wirklich, dass man damit der Natur entfremdete junge und alte Stadtbewohner erreichen kann? Die heutige Umweltpädagogik hat viele Methoden und Konzepte entwickelt, um Menschen tatsächlich so zu erreichen, dass sie der Wald im Innersten berührt – über die CO2-Bilanz funktioniert das nicht. Dafür hätte man aber entsprechend ausgebildetes Personal einstellen müssen.

Tabubruch
Berliner Forsten und die Senatsverwaltung leiten so mit dieser Ausstellung einen Paradigmenwechsel ein, der Wald wird nunmehr zu einer Hintergrund-Requisite für weitere Ausstellungen und Events, das war in der Vergangenheit jedenfalls tabu.

An dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch bei den meisten Grunewald-Revierförstern das Vorhaben keine Zustimmung findet und auch in der Naturschutzbehörde heftig umstritten war.

Inzwischen gab es darüber mehrere Gespräche zwischen Forstverwaltung, Oberster Naturschutzbehörde die das alles genehmigen muss und will (und inzwischen getan hat) und den Berliner Naturschutzverbänden. Das Ergebnis waren minimale Änderungen am Konzept, so gibt es jetzt keine Rutsche mehr, sondern einen ca. 10 m hohen Aussichtsturm im Kirschental, ein geplanter Steg über ein kleines Feuchtgebiet wird reduziert und es soll an einem ökologischen Verkehrskonzept gearbeitet werden, was immer das auch heißen mag.

Aus meiner Sicht vergiftet diese Ausstellung das Waldklima jedenfalls nachhaltig!

Was denken die Leser darüber?

links:

Bislang gibt es weder von Berliner Forsten noch SenStadtUm eine Website dazu.

Stellungnahme zum Waldklimapfad der Berliner Arbeitsgemeinschaft Naturschutz

Dauerwald Chronologie

Der Autor Manfred Krauß ist im BUND-Landesvorstand und seit vielen Jahren aktiv im Naturschutz. Neben Ufer- und Gewässerschutz gehört auch der Berliner Wald zu seinen Schwerpunkten.

3 Kommentare

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  1. Hände weg vom Grunewald!
    Nicht Eventträume bringen den Wald für Menschen näher, sondern die eigenaktive Erholungs- und Erbauungssuche abseits vom Stress und Lärm der Großstadt. Der bloße Wald ist uns Eventraum genug, aber eben nicht im Sinne einer aufgebauschten pseudopädagogischen Feigenblattaktion mit den erwähnten Belastungen für Flora, Fauna und Waldruhe, sondern als das was er uns an sich bietet: Naturraum! Und selbstverständlich gibt es lohnendere Objekte für die Investition der hierfür geplanten Finanzierungsmittel in dieser Stadt.

  2. Danke für diese solide Information. Es wird Zeit damit aufzuhören, den Wald für das Versagen von Gesellschaft und Politik beim Klimaschutz zu missbrauchen. Viele Akteure der Forst- und Holzwirtschaft buhlen ja regelrecht darum, sich (den Wald und ihre Holzwirtschaft) zu prostituieren. Wie aber Dirk Riestenpatt kürzich beim Freiburger Winterkolloquium sagte: Die gesamte Holzenergie trägt nur zu 1,68 Prozent zu unserem Primärenergieverbrauch bei. Das ist pillepalle. Besser legen wir einige Kohlekraftwerke und Braunkohletagebaue still, als dass wir Wald für Pseudo-Klimaschutz misshandeln.

    László Maráz, Koordinator AG Wald, Forum Umwelt und Entwicklung

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