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Nur Natur kann Natur ersetzen

Ein Urteil zwingt die Berliner Behörden, Eingriffe in die Natur künftig besser zu kompensieren.

Dass Naturschützer gegen Straßenbaupläne vorgehen, passiert immer wieder, was angesichts des autofixierten Treibens in den Verkehrsministerien dieser Republik auch nicht weiter verwunderlich ist. Aber wenn sie eine Behörde gerichtlich daran hindern, einen Rad- und Fußweg anzulegen, dann horcht die interessierte Öffentlichkeit doch einmal auf. So geschehen im Februar 2015, als der BUND das Verwaltungsgericht Berlin einschalten musste, um vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg veranlasste Arbeiten im Wannseebahngraben zu stoppen. Allerdings ging es nicht darum, das Vorhaben als solches zu verhindern, denn den „Multifunktionsweg“ auf den derzeit ungenutzten Gleisen der Stammbahn entlang der S1 zwischen den S-Bahn-Stationen Yorckstraße und Julius-Leber-Brücke hielt auch der BUND für eine sehr sinnvolle Zwischennutzung, bis die Stammbahn wieder als Regionalbahn vom Potsdamer Platz über Zehlendorf und Kleinmachnow nach Potsdam fährt. Allerdings bestand der BUND auf eine ordentliche Planung, sowohl inhaltlich als auch formal.

Inhaltlich hatte der Plan des Bezirksamts das Manko, mehr als 90 Bäume des sogenannten Crelleurwalds auf Höhe des Crellemarktes roden zu wollen.

Formal war das Vorgehen des Bezirksamts aus mehreren Gründen unhaltbar. Zum einen fehlte mit einem verabschiedeten Bebauungsplan die rechtliche Grundlage für die Gestaltung der Grünfläche im Wannseebahngraben. Zum anderen hätte der Bezirk ein naturschutzfachliches Eingriffsgutachten vorlegen müssen, das klärt, inwieweit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen notwendig sind. Außerdem hatte die Behörde versäumt, bei den zu fällenden Bäumen zu prüfen, ob sie von Höhlenbrütern bewohnt wurden.

Urteil mit weitreichenden Folgen

Im September 2015 hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass Maßnahmen dieser Größenordnung ein Eingriff in die Natur sind, die einer Beteiligung eines anerkannten Naturschutzverbands bedürfen. Aber das Entscheidene: Vor allem stellten die Richter klar, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen funktionsbezogen erfolgen müssen. Das bedeutet: Wenn gefällt und versiegelt wird, muss an anderer Stelle neu gepflanzt und entsiegelt werden. Genau das wollte das Bezirksamt vermeiden, indem es den Multifunktionsweg als Verbesserung von Landschaftsbild und Erholung mit der verlorengegangenen Natur verrechnete.

Aktuell kann und soll der Weg nicht mehr gebaut werden, zumal gerade ernsthaft geprüft wird, ob die Stammbahn wieder in Betrieb geht. Aber viel wichtiger das Urteil hat ein kleines Beben in der Verwaltung ausgelöst. Die bisherige Praxis, Naturzerstörung durch Verbesserungen von Landschaftsbild und Erholung zu kompensieren, kann so nicht weiter gehen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist deshalb zur Zeit dabei, das Bewertungssystem zu überarbeiten. Der BUND bleibt dran – Natur kann nur durch Natur ersetzt werden!

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