von Benedikt Hoppe
Es ist 7.30 Uhr morgens in Berlin Grunewald. Höchste Zeit für Tobias zur Arbeit zu düsen, denn sein erstes Meeting in Berlin Mitte startet bereits um 8.15 Uhr und für die anstehenden 12 km braucht er in der Rushhour knapp 40 min. Doch zum Glück hat er kürzlich erst seinen neuen Mercedes GLE 350 de bekommen: einen SUV der Extraklasse, um genau zu sein, ein Plugin Hybrid Electric Vehicle (PHEV)*, das ihn mit 320 PS in der Stadt von 0 auf 100km/h in 6,8 s katapultiert und dabei nur 1,1 Liter verbraucht1. Wie das möglich ist? Um dem nachzugehen fehlt Tobias gerade die Zeit, denn er ist zu sehr damit beschäftigt seinen 2,7 Tonner auf den viel zu kleinen Parkplatz zu manövrieren. Erledigt, und es ist erst 8.05 Uhr. Vor dem Ausstieg gratuliert ihm das Display noch zur sparsamen Fahrt im „Ecomode“. Sein Plug-in ist wahrlich ein Alleskönner! So ein niedriger Verbrauch und dabei hat er das Teil noch nie geladen geschweige denn, das Ladekabel in seinem Kofferraum ausgepackt 2. Warum auch? Sein Flottenmanager hat ihm schließlich nur eine Tankkarte zum täglichen Nachtanken gegeben, Ladestationen gibt es auf dem Firmengelände sowieso kaum.
Allein ist Tobias damit nicht. In Deutschland fahren sogenannte PHEVs, die als Geschäftswagen dienen, nur zu 18 % im elektrischen Modus. Privat genutzte PHEVs schneiden mit 43 % schon etwas besser ab, aber auch nicht besonders gut. Kein Wunder also, dass in einer Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung und der gemeinnützigen Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT), in der die Nutzung von 100.000 PHEVs weltweit untersucht wurde, festgestellt werden konnte, dass PHEVs bei privater Nutzung das Doppelte und bei gewerblicher Nutzung das Vierfache des vom Hersteller angegeben Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen ausstoßen3. Tests der Deutsche Umwelthilfe (DUH) ergeben sogar noch größere Abweichungen, wenn die Batterieanzeige, wie bei vielen Geschäftswagenfahrer*innen, kontinuierlich bei 0 KWh steht. So wurden, bei PHEVs verschiedener Hersteller, die üblichen CO2-Ausstöße, die zwischen 25 und 90 g CO2 pro km liegen, um das bis zu Sechsfache übertroffen4,5. Ein herkömmlicher Mittelklasseverbrenner hat im Vergleich dazu einen CO2-Ausstoß von ca. 130 g pro km6. Hier wird also deutlich, dass PHEVs nur einen positiven Effekt auf die Umwelt haben, wenn sie regelmäßig geladen werden. Ansonsten schneiden diese oft noch schlechter ab als ihr Verbrenner-Pendant, da PHEVs durch den zusätzlichen Elektromotor und Batterie bis zu 300 kg mehr auf die Waage bringen7.
Diese Fakten stehen im starken Gegensatz zu der bundesweiten Förderung von PHEVs mit einem Bonus von bis zu 6750 €. Besonders beliebt sind die Fahrzeuge vor allem als Dienstwagen, da sogar Autos wie der Mercedes GLE 350 de Plug-in-Hybrid noch steuerlich begünstigt werden und Tobias dadurch bis zu 100 € pro Monat an Steuerersparnissen aufweisen kann. Dass die staatliche Förderung von PHEVs ihr Ziel, einen Beitrag zur Klimawende im Verkehrssektor zu leisten, verfehlt hat, haben die Niederlande bereits vor drei Jahren erkannt und die Förderung aufgrund der marginalen CO2-Ersparnis beendet. Eine Förderung müsste im Idealfall an die Nutzungsrate des Elektromotors eines PHEVs gekoppelt sein, was allerdings viel Aufwand und Ressourcen erfordert8. Der Lobbyverein der Automobilindustrie VDA (Verband der Automobilindustrie e.V.) stellt die PHEVs dagegen als „erheblichen Beitrag zur CO2-Reduzierung“8 dar. Das liegt vor allem daran, dass die europäisch geltenden CO2-Grenzwerte für PKWs ab 2020 erheblich strenger sind als bisher: Alle neuzugelassenen Fahrzeuge eines Herstellers dürfen einen durchschnittlichen Ausstoß von maximal 95 g CO2 pro km aufweisen. Diesen Grenzwert können viele Automobilhersteller nur durch den Verkauf von PHEVs erfüllen, da die CO2-Emissionen laut Herstellerangaben bei PHEVs sehr niedrig sind und so die Emissionen von Verbrennern, die zumeist über 95 g CO2 pro km liegen, ausgeglichen werden können. Bei Überschreitung des Grenzwerts werden pro zusätzlichem Gramm CO2 eine Strafzahlung von 95 € pro zugelassenem Fahrzeug fällig9. Dass strengere Grenzwerte notwendig sind, liegt vor allem daran, dass im Gegensatz zu anderen CO2-Verursachern, wie der Energieerzeugung oder der Industrie, die CO2-Emissionen im Verkehrssektor in den letzten 30 Jahren kaum gesunken sind10. Dabei trägt dieser in Deutschland mit 19 % am drittmeisten zu den Treibhausgasemissionen, dessen größter Anteil (88 %) von CO2 verursacht wird, bei. Der PKW hat dabei mit über 60 % den größten Anteil an CO2-Emissionen im Verkehrssektor innerhalb Deutschlands.11
Besonders Großstädte haben oftmals mit einer hohen CO2-Belastung zu kämpfen. Das hat auch Berlin erkannt und mit zahlreichen elektromobilitätsfördernden Maßnahmen reagiert. So wird beispielsweise die öffentliche Ladeinfrastruktur ausgebaut und der öffentliche Nahverkehr elektrifiziert. Doch auch die Berliner Elektromobilitätsstrategie baut vorerst nicht nur auf die Förderung von reinen Elektrofahrzeugen, sondern nimmt auch PHEVs mit in ihre Förderung mit auf. Deutlich wird das bei dem Projekt WELMO, das die gewerblich Elektromobilität fördern soll. Auch hier profitieren Elektrofahrzeuge und PHEVs mit einem Maximalausstoß von 50 g CO2 pro km gleichermaßen von der Kaufpreisförderung von max. 15.000 €, ungeachtet des tatsächlichen Verbrauchs eines PHEVs bei unregelmäßigem Laden der Batterie.12 Nicht nur die Förderung von PHEVs in Berlin, sondern die generelle Förderung eines Autokaufs ist hinsichtlich der Belastung der Bevölkerung und Umwelt durch immer steigende Autoverkehrszahlen zu hinterfragen. Der Volksentscheid Berlin autofrei hat hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zeigt wie selbst Berlin als Metropole autoärmer werden könnte.13
Während in Städten eine Abkehr der Autodominanz in Berlins Mobilitätsstrategie seitens des Volksentscheids Berlin autofrei gefordert wird, scheint das Auto in ländlicheren Gebieten als Fortbewegungsmittel erst einmal unabdingbar zu bleiben.14 Hier haben PHEVs, wenn sie möglichst oft im elektrischen Modus fahren, das Potential, eine positive Rolle in der Verkehrswende zu spielen, was sie allerdings aufgrund der Nutzungsweise bisher nicht tun. Um dies zu ändern, sollte das Laden des Autos auf verschiedene Weise gefördert werden. So werden beispielsweise über 60 % der PHEVs gewerblich genutzt, wodurch es gerade deshalb wichtig ist, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer aufklären wie PHEVs geladen werden und darüber hinaus garantieren, dass genügend Ladesäulen am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Ungefähr 60 % aller Ladevorgänge geschehen bei gewerblich genutzten PHEVs nämlich am Arbeitsplatz. Dies hängt auch damit zusammen, dass PHEVs, anders als reine Elektrofahrzeuge, nur deutlich langsamer geladen werden können und Ladevorgänge mehrere Stunden dauern, bis die Batterie wieder voll ist. Da viele Geschäftswagen lediglich für das Fahren von zu Hause zum Arbeitsplatz und zurück genutzt werden, bietet sich die Zeit während der Arbeit, in der das Fahrzeug nicht genutzt wird, zum Aufladen der Batterie an. Außerdem sollten die Flottenmanager von Firmenfahrzeugen das verfügbare Budget auf Kraftstofftankkarten für Firmenwagenfahrer*innen beschränken und dafür das Budget für Ladekarten an Ladesäulen erhöhen, um das Fahren im Elektromodus zu fördern. Darüber hinaus ist es essenziell bei der Fahrzeugauswahl auf eine geringe verbrennungsmotorische Leistung und eine hohe elektrische Reichweite, die zurzeit bei PHEVs im Durchschnitt bei nur 50 km liegt15, zu achten.2 Ob diese Anreize ausreichend sind, um PHEVs zukunftsfähig zu machen, ist fragwürdig, denn wie eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung belegt, gefährden PHEVs die deutschen Klimaziele für 2030 bisher eher als sie zu unterstützen16.
* Arten von Hybridfahrzeugen:17
Mikrohybrid: Elektromotor wird ausschließlich für das Starten des Motors verwendet und ermöglich das Abschalten des Verbrennungsmotors im Stand. Der Elektromotor wird durch Bremsen aufgeladen
Mildhybrid: Zusätzlich zu den Funktionen des Mikrohybriden unterstützt der Elektromotor den Verbrennungsmotor beim Anfahren. Die Bremsenergie wird zudem in einem weiteren Akku gespeichert.
Vollhybrid: Das Auto besitzt zwei ähnlich starke Motoren: einen Elektromotor als auch einen Verbrennungsmotor, die beide in der Lage sind das Fahrzeug kontinuierlich anzutreiben. Rein elektrisches Fahren ist bei geringen Geschwindigkeiten möglich.
Plug-in-Hybrid (PHEV): Eine Weiterentwicklung des Vollhybriden, bei dem mithilfe eines großen Akkus zusätzliche Energie über das Laden an einer Steckdose aufgenommen werden kann.
3 https://www.isi.fraunhofer.de/de/presse/2020/presseinfo-16-plug-in-hybridfahrzeuge-verbrauch.html
4 https://taz.de/Kritik-an-Plug-in-Hybriden/!5706790/
6 https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/autokatalog/marken-modelle/vw/vw-golf/
8 https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/plugin-hybride-101.html
9 https://www.autozeitung.de/co2-grenzwerte-192003.html
10 https://www.mdr.de/wissen/deutschland-top-fuenf-klima-emissionen-100.html#sprung2
13 http://volksentscheid-berlin-autofrei.de/downloads.php
15 https://ecomento.de/2020/12/09/durchschnittliche-elektroauto-reichweite-seit-2016-jato/
16 https://vision-mobility.de/news/neue-studie-plug-in-hybride-gefaehrden-klimaziele-76398.html
Der Autor Benedikt Hoppe engagiert sich bei der BUNDjugend Berlin