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Pilze sammeln – gewusst wie

Neue BUND-Pilzsachverständige stehen Berliner*innen mit Rat und Tat zur Seite

Kürzlich war ich bei einem Bekannten zum Abendessen eingeladen. Es gab Pilzpfanne – selbst gesammelt, wie ich erst während des Essens erfahre. „Hast Du da einen Ratgeber gelesen oder Dich von einem Fachmenschen beraten lassen?“, fragte ich ihn in der Hoffnung, er widerlege meine Beunruhigung. Er hätte sich natürlich nicht beraten lassen, sondern sammle stattdessen immer den gleichen Pilz. Das überzeugte mich weniger. Schließlich weiß mittlerweile jedes Kind, dass viele Speisepilze einen giftigen Doppelgänger haben. Da ich aber ein höflicher Mensch bin, schluckte ich einen Bissen nach dem anderen runter und ging im Kopf durch, wie weit es bis zum nächsten Krankenhaus ist. Ich hoffte das Beste.

Besuch beim BUND-Arbeitskreis Pilzkunde & Ökologie

Heute bin ich als Ehrenamtsbeauftragte zu Gast beim BUND-Arbeitskreis Pilzkunde & Ökologie (AK PilzÖk) und denke unweigerlich an diesen Abend. Denn es gibt etwas zu feiern: Hal, Simone und Tamara – alle drei Mitglieder des Arbeitskreises – haben die Prüfung zum BUND-Pilzsachverständiger (PSVBUND) erfolgreich bestanden und sind somit für die Pilzberatung, insbesondere für die Bestimmung giftiger Pilze als auch für die Beratung, wo welche Pilze zu finden sind, qualifiziert.

1500 Pilzarten allein in Berlin und Brandenburg

Von ihnen erfahre ich, dass Pilze seit Jahrmillionen maßgeblich zur Beschaffenheit der Erde beitragen. In Europa wachsen schätzungsweise 4000-5000 Großpilzarten, also Pilze, deren Fruchtkörper mit dem bloßen Auge gut erkennbar sind. Allein in den Wäldern von Berlin und Brandenburg gibt es mehr als 1500 Arten. Zu ihnen zählen Ständer- und Schlauchpilze, von denen ein Großteil ungenießbar und teilweise giftig ist. Manche dieser Giftpilze lassen sich nur unter dem Mikroskop von einem Speisepilz unterscheiden. Diese Information war auch mir neu und bestätigt mich nur in meinem paranoiden Verhalten bei meinem Bekannten. Wie war das noch? Er sammle immer den gleichen Pilz?

Pilzsachverständige: “Ich wollte Pilz essen, die ich noch nie gegessen hatte”

„Während der Ausbildung bekommt man schon Respekt vor der Vielfalt der meist hochgiftigen Arten. Es gab eine Phase, in der ich dachte, ich esse keine Pilze mehr“, erzählt Tamara, eine der neuen Pilzsachverständigen und lacht. „Aber mit der Zeit hat sich mein Appetit auf Pilze langsam wieder gesteigert.“

„Ist es mitunter das, was Euch an dem Thema so fasziniert? Wie kamt ihr denn eigentlich zu den Pilzen?“, frage ich in die Runde.

„Ich wollte einfach Pilze essen, die ich noch nie gegessen habe“, antwortet Hal und grinst. „Das stimmt wirklich. Ich bin Anfang der 90er ab und zu mit Freunden zum Pilze Sammeln mitgegangen und habe mich zunächst nur für wenige leicht bestimmbare Pilze interessiert. Vor drei Jahren habe ich dann den Kurs Pilze Kultivieren bei Dirk Harmel besucht und kam über diesen dann zum Grundkurs Mykologie, welcher Dirk Harmel ja in Kooperation mit dem BUND Berlin anbietet. Je mehr ich über Pilze erfuhr, desto mehr wurde mein Interesse geweckt. So war mir beispielsweise die Ausgestaltung und Entwicklung von Pilzen (Morphogenese) völlig neu.“

Pilze wie Tiere besitzen kein Chlorophyll und müssen daher ihren Kohlenstoff aus dem bereits existierenden organischen Material beziehen. Diese Ernährungsweise nennt man Heterotrophie und ist Pilzen und Tieren gemein. Während beispielsweise Menschen die Nahrung über den Mund aufnehmen und im Inneren des Körpers verwerten, scheidet der Pilz Enzyme aus, welche die Nahrung extrazellulär aufschließen, um dann die dadurch entstandenen einfacheren, chemischen Verbindungen zu absorbieren.

“Die Formenvielfalt ist das Faszinierendste an Pilzen”

Ein weiteres Mitglied des Arbeitskreises erzählt mir, dass er in seiner Kindheit oft mit seinen Eltern raus zum Pilze Sammeln ging. „Das ist zwar irgendwann eingeschlafen, jetzt bin ich aber in einem Alter, wo ich mir langsam Gedanken mache, was ich mit meiner Freizeit anfange, wenn ich mal in Rente bin.“ Nachdem er mit einem Kollegen über Pilze ins Gespräch kam, ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, dass das Sammeln schwammiger Einbeiner ein schöner Zeitvertreib werden könnte. Über Internet-Recherchen wurde er auf eine der Pilzexkursionen des BUND Berlin aufmerksam. „Diese hat mir so gut gefallen, dass ich im Anschluss auch noch den Grundkurs Mykologie belegte.“ Für ihn ist die Formenvielfalt das Faszinierendste an Pilzen: „Der Laie verbindet ja mit ihnen erst mal nur die Stiel-ständigen Formen, es gibt aber Pilze, von denen ich noch vor Kurzem nicht gedacht hätte, dass es sich hierbei um einen Pilz handeln könnte.“

“Diese Schönheit möchte ich als Sachverständige gerne auch anderen Menschen vermitteln.“

Auch Simone erzählt, dass sie bereits als Kind mit ihrem Vater Pilze sammelte und seither von den Formen und kuriosen Namen fasziniert ist: „Es gibt Pilze, die fast was Elfenhaftes haben“ und zeigt dabei auf ein Foto von einem Pilz, der so schimmert, als schiene er aus Glas zu sein. „Diese Schönheit möchte ich als Sachverständige gerne auch anderen Menschen vermitteln.“

Tamara, die dritte Pilzsachverständige im Bunde, erzählt, dass sie vor zwei Jahren aus Spaß angefangen habe, Pilze in Plastiktüten zu kultivieren: „Das hat mein Bewusstsein für Pilze gesteigert und plötzlich sah ich sie überall: in Parks, auf den Mittelstreifen von Straßen, im eigenen Garten. Eigentlich ist es mit Pilzen so: Früher oder später finden sie zu einem – nicht umgekehrt. Das ist das Spannende. Meine Neugierde hatten sie damit geweckt und ich wollte mehr über sie erfahren.“

Pilzesammeln ist im Trend – in der Wissenschaft leider nicht

Mit ihrer Leidenschaft sind die AK-Mitglieder nicht allein. Denn das Sammeln von Pilzen ist längst nicht mehr nur ein Freizeitvergnügen für Rentner*innen, sondern erfreut sich auch bei jungen Erwachsenen wachsender Beliebtheit. Gleichzeitig verschwinden die Einbeiner aber von den hiesigen Lehrplänen. An Universitäten und Hochschulen gibt es keine Studiengänge, in denen die Artenkenntnis oder ihre Umweltbedingungen vermittelt werden. Wer Biologie studiert, befasst sich vertieft mit Pflanzen und Tieren, nicht jedoch mit Pilzen. Die Erforschung der Funga liegt daher überwiegend in den Händen engagierter Hobbymykologen, so wie jetzt auch im Falle des Arbeitskreises „Pilzkunde und Ökologie“.

Der allgemeine Wissensverlust, gepaart mit der wachsenden Pilz-Begeisterung in der Bevölkerung und dem gesundheitlichen Risiko, welches mit dem Verspeisen wilder Pilze verbunden sein kann, macht das Engagement Aktiver wie Tamara, Simone, Hal und Dietmar wichtiger denn je. Denn sie stehen pilzwütigen Berliner*innen ab kommenden Herbst wöchentlich mit kostenlosen Beratungen und ehrenamtlich organisierten Pilzexkursionen zur Seite.

Prüfung zur Pilzsachverständige ist anspruchsvoll

Für ihr Engagement mussten sie viel Zeit investieren. Der Grundkurs Mykologie umfasst 20 Unterrichtseinheiten à 120 Minuten mit Exkursionen, die optional hinzugebucht werden können. Neben Fertigkeiten in der Bestimmung von Pilzen, müssen Teilnehmer*innen auch Kenntnisse in Pflanzen-, Boden und Klimakunde erwerben: „Nur wenn man die Bedürfnisse eines Pilzes kennt, weiß man, wo man überhaupt suchen soll“, erklärt Kursleiter Dirk Harmel.
Für die Prüfung, die aber auch ohne den Grundkurs Mykologie abgelegt werden kann, mussten Simone, Tamara und Hal dann noch mal ein gutes halbes Jahr lernen. Ob Ihnen das neben Beruf und Familie nicht sehr schwer gefallen sei, möchte ich wissen. Zu hören bekomme ich, dass die Ausbildung zu einem Pilzsachverständiger zwar recht arbeitsintensiv sei, vor allem aber lohnenswert.
„Für mich war das Ganze ein Projekt. Das Lernen über Monate hinweg ist zwar eine Herausforderung, aber vor allem eine tolle Erfahrung. Wie lang ist es schon her, dass ich zuletzt etwas auswendig lernen musste?“, stellt Hal fest und lacht. „Aber es war ja nicht nur das Auswendiglernen. Einen Großteil des Wissens haben wir uns während der Exkursionen aneignet. Der Praxisteil im Gelände wurde zu einer Gedächtnis-Brücke, die es mir erleichterte, den Lernstoff zu behalten.“ Simone beispielsweise, nahm ihre Karteikarten überall mit hin und nutzte jede Gelegenheit zum Lernen: „Die Prüfung war schon sehr anspruchsvoll. Aber auch mit einer bestandenen Prüfung ist es noch nicht getan. Man muss sein Wissen ständig erneuern.“

Aktiv im BUND-Arbeitskreis

Wer sich PilzsachverständigerBUND (PSVBUND) nennt, muss im Anschluss regelmäßig an Nachschulungen teilnehmen, um immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu bleiben. Das decken die drei vor allem durch die Teilnahme am AK PilzÖk ab. Neben der Organisation von Pilzberatungen und Exkursionen, werden hier mitgebrachte Pilze bestimmt und allgemein ökologische Zusammenhänge untersucht. Mit der Veranstaltung von Vorträgen und Seminaren möchte der AK zudem auf die Gefährdung von Pilzen beispielsweise durch Nitrat und Ammoniak-Einträge aus der Landwirtschaft aufmerksam machen. Das Wichtigste, aber sei für sie der Spaß an der Sache und natürlich das Beisammensein.

Nach dem Gespräch überlege ich, wie ich meinen Bekannten animiere, sich beim nächsten Mal vom Arbeitskreis PilzÖk beraten zu lassen oder am besten gleich einen Kurs zu besuchen, damit ich getrost seine Pilzpfanne essen kann. Vielleicht mache ich aber auch einfach selber einen Kurs und lade ihn zum Essen ein. Jetzt melde ich mich aber erst mal zu einer Exkursion an.

 

Termine:

Tag des Pilzes beim BUND am So. 23. September 10-17 Uhr mit Ausstellung, Vortrag und Führung

Pilzberatung jeden Montag, 18 Uhr beim BUND, Crellestr. 35, Berlin-Schöneberg (Bitte tel. anmelden 030-78 79 000)

Pilzexkursionen in Berlin und Brandenburg (Start am 1. September 2018, Termine)

links:

Infos zum BUND-Arbeitskreis Pilzkunde & Ökologie (AK PilzÖk)

Pilz-Infoseite des BUND

Pilz-Kurse und Seminare

Ein Kommentar

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  1. Ich selber interessiere mich seit ca.5 Jahren für Pilzen, bin Jetzt 16 und habe mir mein Wissen über Bücher angeeignet, hatte nie Hilfe und auch keine Probleme. Selber lerne ich aktuell (2020) für den Pilzsachverständigen und wenn mich nicht am Tag der Prüfung ein böses Erwachen grüßt finde ich die Beschreibungen des Schwierigkeitsgrades etwas überspitzt. Wobei für die Schlehenrötlinge und Mehlräslinge schon eine Expertenmeinung wünschenswer wäre, bevor ich sie endlich Mal probieren kann ist das bei mir in der Region irgendwie nicht so möglich und vorher werde ich mir vlt. die entsprechenden Chemikalien zulegen. Als Jugendlicher ohne viel Geld ist man aber so benachteiligt, da man z.B nicht einfach so in die Mikroskopie einsteigen kann :/.

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