Print

Posted in:

Berlin-Istanbul, ein Katzensprung … mit dem Zug

Nicht jeder kann Greta sein, aber Änderungen unseres Reise- und Mobiltätsverhaltens stehen in Zeiten der Klimakrise auch auf der Agenda. Allerdings wird klimafreundliches Reisen oft mit Verzicht, Unbequemlichkeit und hohen Kosten in Verbindung gebracht. Aber ist das wirklich so?

Lassen Sie sich von dem kurzen Erfahrungsbericht unserer Klimaschutzberaterin Dilek Lenglachner zu einer “langen” Zugreise von Berlin nach Istanbul inspirieren.

Ob die Langsamkeit hier tatsächlich das Problem oder nicht vielleicht doch eher eine Lösung klimafreundlichen Reisens darstellt, können Sie nach der Lektüre ganz einfach selbst entscheiden. Die Liste persönlicher Gewinne ist augenscheinlich länger als die der Verluste (Geld, Zeit, Stress und Klima).

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Put down the map and get wonderfully lost !

Genau das war es, die drei Tage, meine alternative Route per Zug von Berlin nach Istanbul! Ich wusste nicht immer, wo der Zug gerade fährt, wechselnde Landschaften wie ein endloser Film. Zeit war auch nicht wichtig. Es war wundervoll. Denn der Balkan ist verwunschen schön, wild, romantisch, unendliche Mais- und Sonnenblumenfelder in Rumänien, undurchdringliche Wälder, in der Ferne felsige, kantige Berge, eigenartig schöne alte rumänische Häuser. Alba Julia, Medias, Brasow sind einige Haltestellen von Wien nach Bukarest. Danach ging es weiter nach Istanbul.

Aber erst einmal von Anfang an:

Mitte Juni 2019 habe ich mich dazu entschlossen, etwas anderes als den üblichen Flug für meinen Besuch in Istanbul auszuprobieren. Ich hasse die Flughafenhektik, den vielen sinnlos hektischen Menschen auf einmal zu begegnen und außerdem bin ich mit zunehmendem Alter ein ausgesprochener Angsthase bezüglich des Fliegens geworden. Aber am wichtigsten war es mir, so umweltfreundlich wie möglich zu reisen, so emissionsarm wie möglich im Vergleich zu einem Flug ( 556 kg CO² Ersparnis – one way).

Tickets und Gepäck

Also, nach einigen Recherchen im Internet, habe ich über ein Reisebüro in Freiburg, spezialisiert für Georgien-Reisen, das Zugticket Bukarest-Halkali bis Istanbul reserviert. Die Ticketreservierung habe ich auch am gleichen Tag in Berlin am DB Automaten ausgedruckt. Den gültigen Fahrschein würde ich nach Zahlung im Bahnhof Bukarest erhalten, wurde mir vom Reisebüro verlässlich erklärt. Alles lief reibungslos: Ich habe die Zugtickets nach Bukarest bezahlt und bekommen.

Am 11. Juli, ausgerüstet mit relativ kleinem Rucksack mit sehr wenigen Anziehsachen (inspiriert von Bea Johnson – Zero Waste Pionierin: “80 Prozent deiner Klamotten brauchst du nicht”), aber vielen Büchern, mit dem ICE 1001 um 6h von Berlin nach München und über Salzburg nach Wien, drei Mal umsteigen, aber für den unschlagbaren Sparpreis von 35 €. Ankunft in Wien: 14:30 Uhr

Schlafzüge – Mitreisende – Balkan – Grenzkontrollen – Proviant

Am gleichen Tag mit dem Nachtzug von Wien ab 19:40 Uhr nach Bukarest im 2-Personen- Schlafabteil mit altmodischen beleuchteten, klappbaren Waschbecken-Spiegelschrank und fließendem Wasser. Alles sehr gemütlich mit 22 Stunden Fahrtzeit. Sehr gut geschlafen, unterbrochen durch Passkontrollen an der Grenze – Ende des Schengenraums – zwischen Ungarn und Rumänien. Am nächsten Morgen ist der rumänische Schaffner sogar mit einem Becher heißen Kaffee an meiner Abteiltür erschienen. Aber es ist ratsam, Proviant und Wasser mitzunehmen, insbesondere für den weiteren Abschnitt von Bukarest nach Istanbul.

Alter Bahnhof in Bukarest
Alter Bahnhof in Bukarest

Eine Nacht hab ich in Bukarest im Hotel in Bahnhofsnähe verbracht, um am nächsten Tag am Mittag den Zug nach Istanbul zu nehmen. Dadurch konnte ich ein bisschen diese schöne Stadt sehen und fühlen und mich mit einer Frau, die sehr gut Englisch gesprochen hat, über ihre Stadt und die Menschen länger unterhalten.

Der Zug von Bukarest nach Istanbul hatte nur einen Schlafwagen. Der war abgeschlossen und hatte einen eigenen Schaffner, das gab ein gutes Sicherheitsgefühl für mich als allein reisende Frau. Das 4-Personen-Abteil teilte ich mir mit einem jungen Schweizer Paar und einem Argentinier. Alle waren sehr interessante Begleiter*innen: Das junge Paar plante Wanderungen über die osttürkischen Berge und weiter mit dem Ostexpress von Ankara bis Georgien. Und das Ganze von Zürich per Zug. Beeindruckend! Wir alle hatten Proviant und auch Wasser dabei, denn der Zug hat überhaupt keinen Speisewagen, auch Getränke etc. zu kaufen, war nicht möglich. Ich hatte Erdnussmus, trockene Pflaumen, etwas Brot, Käse und Kefir, meine Lieblingsspeisen dabei. Während der drei Reisetage habe ich nichts anderes gegessen, ich benötigte aber auch nicht mehr.

Bahnhof Gorna

In Gorna, Bulgarien hatten wir zwei Stunden am Nachmittag Aufenthalt – Wagen mussten an- und abgehängt und eine andere Lok angekoppelt werden. Wunderbare Gelegenheit für mich und die anderen ca. 20 Mitreisenden ausgiebig spazieren zu gehen. Grün, hügelig, schön verwunschene verlassene Häuser, neue Häuserblocks, wild streunende, gefährlich bellende Hunde, ein Pferd in einem Garten…

Der Rest der Fahrt in der Nacht war erst kurz unterbrochen an der Ausreisegrenzkontrolle Bulgariens, aber später noch mal zwei Stunden am türkischen Grenzübergang Kapikule. Da mussten wir alle um 4h früh (!) den Zug verlassen für die Passkontrolle !

Am 14. Juli, meinem vierten Reisetag, um 10.30h haben wir Istanbul-Halkali erreicht, einen Vorort ganz im Westen der Stadt, drei Stunden später als angegeben, aber das war nicht wichtig. Insgesamt 52 Stunden Zugfahrt für 2200 km. Bereichert durch eine Stempelsammlung im Pass. Einmal nicht über den Balkan fliegen und ihn ignorieren, aber einen näheren Blick für diese Länder haben, wenn auch nur kurz.

Fazit:

Es ist ein sehr schönes Gefühl – wie die Lebenszeit langsam fließt anstatt ständiger Beschleunigung. Zeit zu haben, verschiedene Landschaften, Orte und Veränderungen mitzuerleben. Und die Erkenntnis, dass klimafreundlich zu reisen einfach toll ist. Zurück werde ich wieder mit dem Zug nach Berlin fahren.

Ich möchte durch diesen Bericht viele andere Menschen motivieren, Neues zu überlegen und auszuprobieren, um sich und diesen Planeten zu entlasten!

Zu guter Letzt:

Meine Gesamtkosten betrugen 144 Euro bis Istanbul plus Hotel für 30 Euro. Flug hätte zu diesem Zeitpunkt mit Türkisch Airlines 350 Euro gekostet.

Eure Nazli D. Lenglachner

 

PS Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen, Erlebnisse vom klimafreundlichen, entschleunigten Reisen

 

links:

Ticketreservierung : Bukarest-Halkali : https://www.gleisnost.de/onlineshop/

Verbindung Bukarest-Halkali gibt es immer zwischen 7.Juni – 7. Oktober

Wien – Bukarest : www.oebb.at

BUND-Kurzinfo Zug statt Flug

weiterer Reisebericht:

5 Kommentare

Kommentar schreiben
  1. Auch von Berlin nach Rumänien kommt man mit der Bahn super – in 2 Tagen! Zwischenstopp inklusive Übernachtung haben wir in Budapest gemacht. Fahrt dorthin ca. 10,5 h, dann nochmal so viel bis zu unserem ersten Reiseziel Sibiu/Herrmannstadt. Rückfahrt dann umgekehrt von Cluj aus.

  2. Danke Dein Artikel bestärkt mich das ebenso zu machen, vor allem deshalb, weil die Reise an sich ja das Erlebnis ist. Ich plane nur mehr Zwischenstopps bzw. Aufenthalte z.B. in Budapest, in Bukarest usw., weil ich bei der Gelegenheit auch gleich die Eindrücke von diesen Orten gewinnen will. Ich will es auch noch gemütlicher, 10 Stunden und mehr Zugfahren am stück, muss ich nicht haben.

    heinrich

  3. Ich möchte mein motorad kawasaki mit dem Zug nach Istanbul fahren
    Wo kann ich erkundigen
    DB oder wo
    Mit freundlichen Grüßen
    Fethi cakmak
    Telefon 017649055944

Schreibe einen Kommentar zu Heinrich Seibold Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert