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Spatzen am Weigandufer unter Druck

© by Andrea Gerbode / BUND Berlin

Unglaublich, aber wahr: Der Spatz, den fast jedes Kind kennt, manövriert gerade in vielen europäischen Großstädten vom „Allerweltsvogel“ zur bedrohten Art. Als erste deutsche Großstadt hat nun auch Hamburg den Haussperling auf die Vorwarnliste der gefährdeten Arten gesetzt.

Die Gründe für seinen Rückgang sind vielfältig. Als Gebäudebrüter sind Spatzen auf kleine Nischen an Hausfassaden angewiesen. Mit der Sanierung von Gebäuden schwinden diese. Bei Neubauten werden Brutplätze häufig gar nicht erst mitgedacht.

Zudem ist die Art und Weise, wie städtische Grünanlagen geplant und gepflegt werden, ein Problem. Aus Mangel an Geld, Personal und vielleicht auch Unwissenheit besteht das Gros der Grünflächen aus einem artenarmen „Einheitsgrün“, in dem Sträucher in regelmäßigen Abständen flächendeckend bodennah zurückgeschnitten werden oder gar ganz verschwinden. Diese Grünflächenpraxis führt dazu, dass Spatzen weder ausreichend Insekten für ihre Jungen noch geeignete Verstecke zum Rasten finden.

Ein Hilfeversuch

Nachdem auch am Neuköllner Weigandufer zwischen Inn- und Fuldastraße im vergangenen Jahr alle Sträucher gerodet wurden, stellten der BUND Berlin und die Berliner Spatzenretter kurz vor Weihnachten mit Genehmigung des Neuköllner Grünflächenamtes eine Weidenkugel als Notunterkunft auf. Zwar sieht der Bezirk eine Ersatzpflanzung von insgesamt 300 Sträuchern vor, bis es allerdings so weit ist und sich die neuen Gehölze dann auch entsprechend entwickelt haben, fehlen den Tieren ihre dringend benötigten Ruhe- und Versammlungsorte.

Natürlich kann die Spatzenkugel nicht über die hier beschriebene grundsätzliche Problematik hinwegtäuschen – die Kolonie scheint sich seit der Rodung vor allem auf der gegenüberliegenden Seite aufzuhalten. Dennoch sind der BUND und die Berliner Spatzenretter zuversichtlich, dass die Kugel den Tieren vor Ort zumindest vorübergehend ein zusätzliches schützendes Versteck bietet. Vor allem aber ist es beiden Naturschutz-Vereinen ein wichtiges Anliegen, sowohl die Mitarbeiter*innen des Grünflächenamtes als auch die Passant*innen für dieses Thema zu sensibilisieren. Wildtiere in der Stadt sind leider keine Selbstverständlichkeit.

Artenschutz nimmt alle in die Pflicht

Dabei könnten die Bezirke schon mit den einfachsten Methoden einen großen Beitrag zur Artenvielfalt leisten. Pflegekräfte könnten stärkere Schnittmaßnahmen an Gehölzen beispielsweise abschnittsweise durchführen, so dass betroffene Insekten, Amphibien, Vögel und Kleinsäuger auf benachbarte Sträucher ausweichen können. Stauden- und Krautschichten in den Saumbereichen von Sträuchern sowie Laub sollten belassen werden, solange das Gehölz dadurch nicht beeinträchtigt wird. Und anstatt alle 3-5 Jahre einmal mit der Motorsäge Tabula rasa zu machen, könnten Sträucher einmal jährlich behutsam verjüngt und von abgestorbenen Zweigen befreit werden.

Leider beobachtet der BUND aber auch immer mehr private Hauseigentümer, die Hecken und Sträucher durch Mauern und Zäune ersetzen oder anstatt den heimischen lieber zu den exotischen Gehölzen greifen. Diese sind für Spatzen völlig nutzlos, da hier keine Insekten leben. Vor allem in den innerstädtischen Bezirken wird zudem das Vermüllen mit Unrat aller Art zu einem immer unangenehmeren Problem. Wer hat neben Trinkpäckchen, Coffee To Go Bechern und Zigarettenpackungen nicht auch schon mal einen kaputten Fernseher in einem Gebüsch liegen sehen?

Artenschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die dringend angegangen werden muss, bevor auch hier scheinbar ständig vorkommende Arten auf der Roten Liste landen. Entscheidend ist, dass die Bezirke mit gutem Beispiel voran gehen und dafür die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen. #stadtbrauchtgrün

Dieser Beitrag gehört zur Reihe #stadtbrauchtgruen. Bis Ostern werden die Naturschutz-Aktiven des BUND Berlin über aktuelle Probleme und auch Lösungsansätze der Berliner Stadtnatur berichten.

 

Was können Sie tun?

Unterzeichnen Sie unseren Aufruf „Stadt braucht Grün“ an den Senat und das Abgeordnetenhaus.

Bauen Sie unsere Spatzenkugel einfach nach: Bauanleitung  – Spatzenkugel aus Weiden

 

Veranstaltungstipps:

Lesung, 20.1.: Ernst-Paul Dörfler liest aus seinem neusten Bestseller „Nestwärme – was wir von Vögeln lernen können“

Vortragsabend, 3.2.: Vogelsterben an Glasfassaden

Vortragsabend 2.3.: Vom Allerweltsvogel zur bedrohten Art? Bestand, Entwicklung und Aspekte zum Schutz des Haussperlings

 

Weiteführende Informationen:

Projekt Berliner Spatzenretter

Spatzen in Berlin und München

Bauanleitung für Nistkästen

Vogelfreundlicher Garten

Flyer: Pflanzliste für einen naturnahen Balkon

Flyer: Pflanzliste (Sträucher und Gehölze) für einen vogelfreundlichen Garten

Flyer: Gartentipps

2 Kommentare

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  1. Liebe Spatzenfreunde, die Spatzenkugel hilft den Spatzen überhaupt nicht !!!!

    Hier am Weigandufer ist noch nie ein Spatz in der aufgestellten Weidenkugel gesehen worden, außer zum Plündern von Meisenkugeln, wenn welche daran befestigt sind. Sie sitzen lieber direkt neben der Weidenkugel auf den Zweigen der wenigen nach der Rodung noch verbliebenen dürren Sträucher oder fliegen auf die andere Kanalseite.

    Wer etwas für notleidende Spatzen tun will, ergreift lieber andere Maßnahmen. Aufhängen von Futterampeln oder füttern auf dem Balkon o.ä.

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