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Keine Kapsel Kaffee, bitte!

Die Stadt Hamburg gibt grünen Leitfaden für die öffentliche Beschaffung heraus und setzt ökologisches Zeichen

© by sillilein74 / pixelio.de

Der gemeine, mitunter ja doch etwas zur Überheblichkeit neigende Berlin-Hipster sieht normalerweise in der Stadt Hamburg keine wirkliche Konkurrenz, schon gar nicht, um neidvolle Blicke in Richtung Elbmetropole zu werfen. Okay, das Nein neulich zu Olympia war mal ein ordentliches Achtungszeichen, bei dem selbst wir in Berlin anerkennend feststellen mussten, dass Hamburg seinen Verstand wohl doch noch nicht komplett an der Garderobe williger Olympiafunktionäre abgegeben hat. Ach ja, in guter Erinnerung ist auch, dass beim erfolgreichen Volksentscheid zur Rekommunalisierung des Hamburger Stromnetzes, nebst Aufbau eines eigenen Ökostadtwerkes, eigentlich auch nicht sooo viel Verachtenswertes zu entdecken ist. Im Gegenteil: Vergleicht man die Situation, zieht die Hauptstadt mal locker den Kürzeren (mit zwar nur knapp verlorenem Volksentscheid, aber einem politisch arg zurecht gestutzten Bonsai-Stadtwerk). Jetzt kommen also noch ökologische Standards bei der öffentlichen Beschaffung für die Hamburger hinzu. Bleibt uns Berlinern eigentlich erst mal nur zu sagen: Respekt, Hamburg!

Gut, die Neuausrichtung des öffentlichen Beschaffungswesens ist jetzt für Berlin nicht total neu. Seit 2007 gibt es das so genannte Berliner FAIRgabe-Bündnis aus umwelt- und entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen sowie aus Gewerkschaften, das sich dafür einsetzt, dass die öffentliche Hand ihre Konsummacht in sinnvolle Bahnen lenkt. Bei der öffentlichen Beschaffung sollen soziale Mindeststandards bei Ausschreibungen, der Einkauf von fair gehandelten Waren und ökologische Kriterien stärker Beachtung finden. Beabsichtigt ist hier eine breite öffentliche Vorbildwirkung, die letztlich eben auch in den privaten Bereich ausstrahlen soll. Seit 2010 gibt es dazu in Berlin denn auch ein Landesvergabegesetz, das aus Sicht der Beteiligten bzgl. des Vorgenannten sogar ganz gut gelungen ist. Leider, wie in Berlin aber in den letzten Jahren üblich, hapert es mal wieder an Konsequenz und Umsetzung des Gesetzes.

Für Hamburg spricht unterdessen aktuell, dass es in der Regierungskoalition mit Jens Kerstan einen grünen Umweltsenator gibt. Dieser verkauft sein neues Projekt sogleich auch ganz selbstbewusst: „Hamburgs Verwaltung nimmt bei der Beschaffung und Vergabe künftig eine Vorreiterrolle in Deutschland ein“. Das darf Berlin nun gewissermaßen als Kampfansage an sein ausgeprägtes Spitzenreiterselbstverständnis (warum und wofür eigentlich ? 🙂 ) verstehen.

Wie auch immer. Den Schritt Hamburgs kann man schon als recht konsequent betrachten. Für ca. 250 Mio. EUR pro Jahr kauft die Stadt Waren ein. Dabei muss nun also auch auf ökologische Kriterien geachtet werden. Das reicht am Ende von „Glühbirnen und Putzmittel bis hin zu Dienstwagen“, so der grüne Umweltsenator dort. Ziel sei eine Reduzierung der Klimabelastung und des Ressourcenverbrauchs. Das klingt gut! Man wünschte sich, dass sich der Berliner Senat dadurch auch entsprechend angespornt fühlte, die bestehende eigene Gesetzeslage noch viel besser umzusetzen.

Interessant beim neuen Hamburger Umweltleitfaden ist nun, dass mit dessen Veröffentlichung z.B. auch mal „Kaffeekaspeln aus Aluminium“ aufs Korn genommen werden. Diese sind nämlich ganz konkret in der öffentlichen Beschaffung Hamburgs ab demnächst verboten. Aus Abfall- und Ressourcensicht Wasser auf die Mühlen des BUND, weil wir uns seit Jahr und Tag gegen Verpackungsunsinn engagieren, für umweltverträgliche Alternativen stehen und uns da, wo möglich, sogar für den kompletten Verzicht von Verpackungen einsetzen. Kaffeekapseln aus Aluminium nun sind aus unserer Sicht die Inkarnation des Einwegwahns und die Ressourcenverschwendung schlechthin.

Unverständlicherweise stehen sie beim Konsumenten noch immer hoch im Kurs und eigentlich ist nicht nachzuvollziehen, warum. Marktführer Nespresso z.B. verkauft Kaffeekapseln zum Stückpreis von 33-35 Cent. Dafür erhält man sechs Gramm Kaffee. Hochgerechnet ergibt das für den Kunden 60 EUR für ein Kilo Kaffee. Das ist das Sechsfache (!) eines handelsüblichen, gemahlenen Kaffees. In der Schnäppchenjägernation Deutschland absolut unbegreiflich, weshalb sich Konsumenten auf solche Produkte und Preise einlassen. Für die gleichen 60 EUR bekäme man übrigens ca. zwei Kilo fair gehandelten Ökokaffee und hätte aber eben auch keine zahlreichen Wegwerfkapseln aus Aluminium, welche einerseits mit hohem Energieaufwand hergestellt wurden und andererseits bei der Entsorgung wiederum viel Energie verbrauchen und damit eine Umweltbelastung per se darstellen.

Aus BUND-Sicht jedenfalls ein absolut begrüßenswerter Schritt, den Hamburg nun mit seinem neuen Umweltleitfaden geht. Auf unsere Stadt bezogen soll es hier aber ausdrücklich nicht um eine Reduzierung des Themas auf Kaffeekapseln aus Aluminium gehen (wobei sich mit etwas gutem Willen aus unserem Berliner Landesvergabegesetz durchaus auch herauslesen lässt, dass die Beschaffung solcher Produkte bei uns gerne vermieden werden DARF…). Nein, für uns als BUND ist es spannend, dass der Fokus überhaupt mal so prominent auf einem vermeintlichen Nebenthema liegt. Was das Vergabewesen Berlins anbelangt, so bleibt unsere Stadt natürlich grundsätzlich aufgefordert, das eigene Landesvergabegesetz zur Kenntnis zu nehmen und diesbezüglich weiter an Verbesserungen und einer konsequenteren Umsetzung zu arbeiten. Vielleicht bieten die aktuellen Entwicklungen in Hamburg dazu noch mal einen neuen Impuls für unsere Stadt?

Der neue Umweltleitfaden Hamburg:
http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/4672998/2016-01-19-bue-umweltvertraegliche-beschaffung/

Studie zu umweltverträglicher Beschaffung:
http://www.vergabeblog.de/2015-12-05/umwelt-und-kostenentlastung-durch-umweltvertraegliche-beschaffung/

Kritik zur Umsetzung des Berliner Vergabegesetzes:
http://www.vergabeblog.de/2013-05-29/berliner-vergabegesetz-standpunkt-des-fairgabe-bundnisses/
http://www.weed-online.org/presse/6781702.html

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