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Charta für das Berliner Stadtgrün

Ziele und Anforderungen des BUND

Die Naturschutzverbände haben vor etwa drei Jahren mit dem Konzept „Immer.Grün“ eine Konsequenz aus jahrelangem Kampf zum Erhalt von Grünen Freiflächen gezogen: Nicht mehr der oft hoffnungslose Kampf zur Rettung einzelner grüner Freiflächen soll im Mittelpunkt stehen. Dieser war meist schon verloren, da die Planungen zur Bebauung oft schon weit fortgeschritten waren und Änderungen nicht mehr gewollt waren und als unmöglich erklärt wurden.

Deswegen zogen wir die Konsequenz nicht mehr nur reaktiv auf Planungen zu reagieren, sondern proaktiv die für Berlin wichtigen grünen Freiflächen dauerhaft und verbindlich zu sichern, bevor Begehrlichkeiten zur anderen Nutzung Realität werden können. Die Kulisse dieser nötigen grünen Freiflächen reicht über Wälder, Schutzgebiete, Parkanlagen bis zu Friedhöfen, Kleingärten und den wichtigen Brachen, Bahnrandflächen und Gewässerufern. Sie sollen den Bedarf an Flächen für stadtklimatische Entlastung, Erhalt der Biodiversität und Erholung und Naturerleben sichern.

Bewertung

Die Koalitionsvereinbarung hat diese Idee dankenswerter Weise aufgegriffen und nun ein Impulspapier für eine Charta für das Berliner Stadtgrün zur Diskussion vorgelegt. Wir begrüßen diesen Schritt, wollen aber zur Bewertung diesen noch mal mit den Zielen vergleichen, die wir mit Immer.Grün gesetzt hatten:

Flächenkulisse: Bahnflächen und Gewässerufer fehlen

Zunächst die Flächenkulisse: Wir freuen uns, dass viele Grünflächen in diese Charta aufgenommen wurden, vermissen aber als wesentliche Kategorie die Brachflächen. Sie werden zwar zu Beginn in dem Kasten als Teil der Stadtnatur genannt (in dem Zitat aus dem “Grünbuch Stadtgrün des BMUB) aber im eigentlichen Text nicht mehr erwähnt. Dabei spielen sie für die Artenvielfalt und für die stadtklimatische Entlastung eine ganz wichtige Rolle. Auch Gewässerufer sind nicht vollständig aufgenommen. Hier ist noch einiges nachzuarbeiten und wir sind der Meinung, dass hier auch noch viel Arbeit und Abstimmung nötig ist, um die genaue Flächenkulisse zu bestimmen.

Sicherung: Selbstverpflichtung reicht nicht

Der zweite zentrale Punkt ist die Form der Sicherung: Aus dem Vertrag, den wir für Immer.Grün vorgeschlagen haben, ist eine Charta, eine Selbstverpflichtung geworden. Das kann uns nicht reichen. Gerade grüne Politik sollte sich an die Selbstverpflichtung der Berliner Immobilienwirtschaft erinnern, die in den 90er Jahren die verpflichtende Solardachverordnung ablehnte und letztlich verhinderte. Dies geschah mit der Zusage einer „Selbstverpflichtung“ auf Neu- und Umbauten Photovoltaik bzw. Solarthermie zu installieren – da ist nichts draus geworden, Berlin hat einen erschreckend niedrige Zahl an Dächern mit Photovoltaik, aber die Immobilienwirtschaft war ja auch nur sich selbst verpflichtet! Oder als Beispiel das Dosenpfand!

Verbindliches Konzept für die gesamte Stadt

Nein, wir wollen richtige Verbindlichkeit: Grünflächen sind zu sichern wie geplante Schulstandorte, Gewerbegebiete oder Verkehrstraßen. Beim Kleingartenentwicklungsplan haben wir immer wieder gesehen, wie Kleingärten deswegen nicht dauerhaft gesichert werden konnten, weil irgendwann mal Schulen oder andere öffentliche Gebäude darauf gebaut werden sollten, und das galt absolut; da wurde nicht mehr abgewogen. Kein Stadtplanungsamt käme z.B. auf die Idee, für einen einzelnen Bebauuungsplan (B-Plan) die – immer noch im Flächennutzungspaln (FNP) dargestellte – Nordtangente in Frage zu stellen, weil eine solche Bewertung nicht aus der Punktbetrachtung eines B-Plans heraus erfolgen kann; aber bei Grünflächen ist das tägliche Praxis. Hier werden für Gewerbe- und Wohnungsbau immer wieder wichtige grüne Freiflächen zerstört; und nicht nur dafür, auch die geplanten Radschnellverbindungen sollen häufig auf grünen Freiflächen verlaufen, dabei soll der Radverkehr zu Lasten des motorisierten Verkehrs ausgebaut werden, nicht zu Lasten von Grün!
Hier hilft nur ein verbindliches Konzept für die notwendige Grüne Infrastruktur für die Gesamtstadt. Sonst wird weiterhin nur – wenn überhaupt – kleinräumig bewertet und höchstens noch was ausgeglichen.

Vertragliche Vereinbarung mit Flächenbesitzern

Verbindlichkeit können Sie schaffen, wenn Sie mit den großen Flächeneignern, seien es öffentliche oder halböffentliche wie die Bahn, die BIM, Wohnungsbaugesellschaften, Wasserbetriebe oder seien es private, deren grüne Freiflächen vertraglich für das Gemeinwohl sichern.

Schutzgebietsausweisung

Verbindlichkeit könnte auch hergestellt werden, wenn die relevanten Flächen endlich als Naturschutz- bzw. Landschaftsschutzgebiete (NSG bzw. LSG) ausgewiesen werden.
Der Entwurf für den Stadtentwicklungsplan (STEP Wohnen) will alles, was im Flächennutzungsplan (FNP) als Wohnbaufläche ausgewiesen ist, bebauen. Der FNP ist – wenn auch in Teilen geändert und neu herausgegeben – in seinem Kern von 1994: Seitdem hat Berlin u.a. einen STEP Klima erarbeitet, Flora-Fauna-Habitate (FFH-) und Vogelschutzgebiete ausgewiesen und eine Biodiversitätsstrategie verabschiedet. Das alles ohne erkennbare Konsequenz im FNP. Dort sind z.B. noch erhebliche Teile des Tempelhofer Felds als Baufläche ausgewiesen. Eine Empfehlung zur konsequenten Umsetzung würde gegen das Tempelhof-Gesetz und gegen die Koalitionsvereinbarung verstoßen! Auch hier sind verbindliche Regelungen zur Sicherung besser als die allgemeinen Statements, die bis jetzt noch die Charta ausmachen.

Hier muss einfach entschieden etwas entgegen gesetzt werden. Unverbindliche Planungen haben wir genug: vom Landschaftsprogramm über Biodiv-Strategien, Biodivkonzepten, STEP Klima und Strategie Stadtlandschaften – alles gute Ideen, Papiere und Pläne, aber im Konflikt ohne Zähne, ohne Biss. So ist auch das Impulspapier für die Charta voll von guten Ideen aber letztlich zu unverbindlich.

Qualitätssicherung – gute Pflege und Weiterentwicklung

Ein weiterer Punkt ist uns wichtig: Wir sprechen bisher undifferenziert von Grünen Freiflächen, ohne deren Qualität zu beschreiben: Wir brauchen aber ein Pflegemanagement, das die Potenziale dieser Flächen für den Artenschutz realisiert. Das Handbuch gute Pflege mag ein Anfang sein, aber da muss insgesamt viel mehr, auch konzeptionell gemacht werden. Das ist nicht der Kernbereich der Charta, aber wir betrachten die grünen Freiflächen auch in ihrer Funktion für die Biodiversität in Berlin – und dafür müssen sich auch entsprechend gepflegt bzw. belassen werden.

Fazit:

Wir brauchen eine Charta, die verbindlich ist, vertragliche Festsetzungen schafft, eine vollständige Flächenkulisse darstellt und auf die Qualität der Flächen für die Biodiversität achtet.

 

Der Beitrag wurde auf der BUND-Diskussionsveranstaltung “Berliner Grünflächen verbindlich schützen” von Dr. Andreas Faensen-Thiebes, Mitglied im BUND-Vorstand gehalten.

 

links

Stellungnahme der Berliner Naturschutzverbände zum Impulspapier “Charta für das Berliner Stadtgrün”

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