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Können wir auf die Hecken pfeifen?

Spatzenbanden nicht wegpflegen

Spatzen sind Heckenbewohner. Hier verstecken sie sich, singen gemeinsam und von hier aus stürzen sie sich ins Getümmel. Aber nicht jede Hecke oder jeder Busch ist geeignet. Sie müssen dicht sein, am besten immergrün und genügend Platz bieten. Denn Spatzen überleben als Gruppe. Spatzensträucher werden von Generation zu Generation weitervererbt. Verschwinden solche Gehölze und ist kein strukturreicher Ausweichort in der Nähe, verlieren die standorttreuen Vögel ihre Ruhe- und Versammlungsorte. Sie sind ohne Schutz vor Witterungseinflüssen und Greifvögeln.

Neben dem ersatzlosem Wegsanieren geschützter Brutstätten am Haus ist der zunehmende Rückgang naturnaher Flächen mit ausschlaggebend, dass die Bestände der Haussperlinge in vielen Städten dramatisch, in kurzer Zeit und irreversibel eingebrochen sind. Auch Igel, Fledermaus, Schmetterling und Nachtigall werden seltener. Auch sie sind als Stadtbewohner auf Brachen und wilde Stätten angewiesen.

Biotop vis-a-vis zur Platte

Spatzen lieben wie alle Gebäudebrüter ungedämmte Plattenbauten, weil sie dort noch Nischen und Hohlräume finden. Entscheidend ist, dass Nahrungsquellen in der Nähe der Brutplätze sind, denn Spatzen brauchen Insekten für die Jungenaufzucht. Selbst kleine grüne Inseln können für Stadtvögel Teil ihres Lebensraums sein, z.B. die Grünanlagen mit dicht wachsenden und großen Sträuchern in der Karl-Liebknecht-Straße in Berlin-Mitte. Spatzenschwärme finden hier seit Jahren einen Rückzugsort und pflegen hörbar ihr Sozialleben. Ein Stück Lebensqualität für Mensch und Tier innerhalb eines stark versiegelten, verdichteten und von Bauarbeiten geprägten Teils der Innenstadt. Passanten und Touristen erfreuen sich am gefiederten Treiben, lauschen den vielstimmig singenden Hecken.
Diese Hecken an der vielbefahrenen und lauten Karl-Liebknecht-Straße sorgen nebenbei auch für eine bessere Aufenthaltsqualität, weil sie Luftschadstoffe filtern und den Gehweg mit seinen Passanten zum Stressfaktor Verkehr hin abschirmen.

Dicke Luft in der Karl-Liebknecht-Straße

Vor Kurzem wurde der am dichtesten bewachsene Abschnitt dieses Grünstreifens auf den Stock gesetzt. Die angrenzenden dichten Heckenstreifen entlang der Karl-Liebknecht-Straße sollten ebenfalls auf einen Schlag gerodet werden. Die dort ansässigen Haussperlingskolonien liefen Gefahr, ihre Lebensstätten ersatzlos zu verlieren. Es finden sich in der Umgebung nämlich keine geeigneten Sträucher mehr, die ähnlich hoch sind, dicht bewachsen und auf Grund ihrer Flächenmaße eine größere Anzahl von Vögeln beherbergen können. Bereits im Februar 2015 wurden größere struktur- und vogelreiche Grünanlagen an der Rathauspassage gegenüber gerodet und nachfolgend zubetoniert. Seitdem ist es dort grau und still.

Lieber der Spatz auf dem Dach als die Säge in der Hand

Die intensive Beschneidung von tierischen Lebensräumen wie strukturreichen Gehölzen bei gleichzeitigem Fehlen von Ausgleichsflächen ist exemplarisch für die Gestaltung vieler Grünflächen und Parks. Das Vorgehen wird zumeist ökonomisch begründet und zollt einem Ordnungsbedürfnis Rechnung, wie dem Glauben, die Beseitigung von Hecken und Sträuchern würde Rattenbefall und Müll eindämmen. Berlin hat sich zur biologischen Vielfalt verpflichtet und deshalb dürfen solche Routinen öffentlicher Pflege in Bezug auf Zielerreichung und Schaden hinterfragt werden. Der Nachweis, dass die genannten Probleme gelöst werden, steht bisher aus.

Spatzenrückzugsorte erhalten

Berlin ist stolz auf seine Spatzen. Damit das im Zuge der starken baulichen Nachverdichtung auch so bleibt, sollten vorhandene Lebensräume (Inseln) in Siedlungs- und Wohnbereichen gezielter geschützt werden. Das gilt auch für andere geschützte Arten, deren Spielräume für Anpassung und Umzug schwinden.
Der BUND hat in konstruktiver Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Grünflächenamt Berlin-Mitte erreicht, dass die restlichen Heckenstreifen in der Karl-Liebknecht-Straße erhalten bleiben. So behalten dort ansässige Vögel und Insekten Rückzugsorte sowie Nahrungsquellen und Menschen Aufenthaltsqualität.
Ein großer Erfolg mit Vorbildwirkung für ganz Berlin. Der BUND setzt sich für eine ökologisch nachhaltige sowie kostengünstige Grünflächenpflege ein. Es sollen Standards in der Pflege angewendet werden, die die noch vorhandenen Grünflächen ökologisch aufwerten und die Bedürfnisse von Mensch und Tier berücksichtigen.

Lasst uns froh und gut zu Vögeln sein

Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass uns Tiere und Pflanzen auch in Zukunft wie selbstverständlich begleiten werden. Aber wir können sinnliche Stadterfahrungen wie die Lebensfreude von Spatzenbanden oder die Poesie des Amselgesangs für uns retten. Artenschutzmassnahmen müssen in der Grünflächenpflege, Parkgestaltung und auch bei Bauvorhaben proaktiv eingeplant werden. Nur dann kann die wachsende Stadt Berlin ihrer erklärten Verantwortung für den Erhalt der Biodiversität nachkommen. Verwaltungen, Bauherren, Architekten, Planer und Bürger sind gefragt. Der BUND steht als Partner zur Verfügung.

Kontakt:

Herbert Lohner

Naturschutzreferent des BUND Berlin

lohner@BUND-Berlin.de

 

links:

https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/spatz

http://www.bund-berlin.de/bund_berlinde/home/naturschutz/artenschutz_in_der_stadt/vogelschlag.html

https://www.bund.net/bund-tipps/detail-tipps/tip/voegel-wenn-ueberhaupt-massvoll-fuettern/

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