„Mama, Mama, ich hab’s gerade geschafft, unsere ganze Straße mit dem Einrad runter zu fahren!“, ruft Tim begeistert seiner Mutter zum Küchenfenster zu. Solche und ähnliche Szenen werden sehr wahrscheinlich ab dem 7. August im Gräfekiez in der Böckhstraße in Kreuzberg zu beobachten sein.
Autos und Parkplätze wichtiger als Menschen
Was früher noch die Regel war – nämlich die eigene Mobilität auf der Straße vor dem Haus zu erproben, spielend Nachbarskinder kennenzulernen und an der frischen Luft zu spielen – ist heute durch dicht befahrene Innenstadtbereiche für Kinder zu gefährlich geworden.
Straßen für Lebensqualität
Umso besser, dass Tims Nachbarschaft sich zusammengetan und gemeinsam eine temporäre Spielstraße durchgesetzt hat. Dank dieser wird Tims Straße ab August einmal pro Woche in der Zeit von 14 bis 18 Uhr für alle PKWs mit einem für diesen Zweck vorgesehenem Verkehrsschild gesperrt. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Tim und seine Freunde freuen sich, dass sie ihre geliebten Fahrgeräte auf geeignetem Asphalt ausprobieren können. Sie spielen an der frischen Luft, verabreden sich mit Freunden, können gemeinsame Abenteuer erleben. Nachbarn aus anliegenden Häusern lernen sich kennen, können per Klappstuhl bei einem Kaffee ein Pläuschchen halten. Und nicht zuletzt werden Klima und Umwelt geschützt.
London ist da besser
Als Vorlage dient das Konzept des Engländers Paul Hocker und Kolleg*innen. Dieser stellte Ende Mai in der Freien Schule am Mauerpark seine Organisation „LONDON PLAY“ vor. Das Konzept ist ebenso simpel wie einleuchtend: Nachbarschaften schließen sich zusammen und beantragen auf einfache Art und Weise eine Spielstraße für ihren Bezirk. Doch Spielstraße ist nicht gleich Spielstraße: Durch unterschiedliche Interpretationen des Gesetzes verfügen Anwohner*innen in London über eine große Flexibilität, über unterschiedliche Nutzungen und sinnvolle Zeiten einer Spielstraße selbst zu entscheiden. Jung und Alt profitieren davon.
Bündnis “Temporäre Spielstraßen”
Das soll auch in Berlin Zukunft werden. Dazu hat sich das Berliner Bündnis “Temporäre Spielstraßen”gegründet initiiert v.a. vom Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS), vom Deutschen Kinderhilfswerk (dkhw) und vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Gemeinsam hat es sich zum Ziel gesetzt, das Konzept der Spielstraße in Berlin populärer zu machen. Es soll ein klar definiertes, einfaches Antrags- und Genehmigungsverfahren für engagierte Nachbarschaften geben, um eine temporäre Spielstraße umsetzen zu können.
Doch leider läuft es nicht immer so glatt: Seit mehreren Jahren kämpfen einige Initiativen hart dafür, temporäre Spielstraßen in ihrem Kiez einrichten zu dürfen, wie die Intiative Gudvanger Straße (siehe dazu unseren Blogbeitrag vom 27.6.2017: Spielende Kinder nicht wirklich erwünscht: hier).
“Es gibt keinen Rechtsanspruch auf einen Parkplatz”
In Friedrichshain-Kreuzberg geht es deutlich schneller, auch Dank eines engagierten Leiters des Straßen- und Grünflächenamtes. Felix Weisbrich am 27.5. in der rbb Abendschau: „Es gibt keinen Rechtsanspruch auf einen Parkplatz im öffentlichen Straßenland.“
In Zukunft könnte es also häufiger vorkommen, dass Kinder und ihre Familien ihre Straße einmal anders nutzen können als zuvor. Wir drücken jedenfalls die Daumen!
Bündnis Temporäre Spielstraßen
Ansprechpartnerin: Cornelia Dittrich
c/o DaKS e. V., Crellestraße 19/20, 10827 Berlin
(030) 700 94 25 – 90
info@spielstrassen.de
Links
Bündnis temporäre Spielstraßen: www.spielstraßen.de/
London Play: www.londonplay.org.uk/
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