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Mission Auto bei der Berliner CDU

Mit heiligem Eifer will die Regierungspartei die Verkehrswende aufhalten

© by A.Savin, WikiCommons

So mancher, der sich nicht in die Gedankenwelt der Berliner CDU einzufühlen vermag, hielt den kürzlich bekanntgewordenen Entwurf der Abgeordnetenhausfraktion für eine Novellierung des Mobilitätsgesetzes für Satire. Hat etwa der bei Xitter äußerst rege Account SPDBenzin sich die Arbeit gemacht, das Papier zu faken? Das wäre schon etwas viel Aufwand gewesen. Immerhin 94 Seiten umfasst die Synopse der Novellierungsträume, oder besser gesagt: Aushöhlungsphantasien des Mobilitätsgesetzes mitsamt einem Entwurf für das noch fehlende Kapitel “Neue Mobilität”.

Ganz kompakt zusammengefasst sollen die Standards und damit auch die Sicherheit der Fahrrad-Infrastruktur abgesenkt werden, die Anlage neuer Radwege deutlich erschwert werden. Die Vorgaben für Planungsstellen für den Radverkehr in den Bezirken werden halbiert. Auch die Einrichtung neuer Kiezblocks, die den Auto-Durchgangsverkehr unterbinden, könnte unmöglich gemacht werden. Gestrichen wird auch beim Fußverkehr und der Beteiligung bei der Planung. Die Definition des Umweltverbunds auf Fuß-, Rad- und öffentlichem Nahverkehr wird absurd aufgeblasen. Das Ziel ist klar: Möglichst keinen Fußbreit Raum dem Autoverkehr wegzunehmen, die gerechte Neuaufteilung des Straßenraums stoppen.

Ganze fünf Tage ließ sich die SPD-Fraktion Zeit, um öffentlich auf den Entwurf zu reagieren, der das Mobilitätsgesetz fast vollständig entkernen soll. Zwar sagten der verkehrspolitische Sprecher Tino Schopf und Umweltpolitikerin Linda Vierecke von der SPD sinngemäß, dass die Novelle so nicht kommen werde. Allerdings hat sich die SPD bisher als sehr wankelmütiger Partner bei der Verkehrswende erwiesen. Obwohl also der CDU-Entwurf offiziell als “vom Tisch” angesehen werden könnte, ist es wichtig, die Dimension der CDU-Fantasien zu dokumentieren. Allein schon um zu wissen, was in den Diskussionen noch auf Berlin zukommen könnte. Hier schon einmal die Warnung: Der Text ist sehr lang ausgefallen.

§ 3: Auto-Privilegien erhalten

Wie so oft kommt damit das Beste am Schluss, doch widmen wir uns der zähen Kärrnerarbeit der Exegese des Novellierungsvorschlags. Die Intention der CDU-Fraktion wird schon bei Paragraf 3 klar. Er trägt den Namen “Mobilität für alle”. “Mobilität in Berlin soll bezogen auf die wesentlichen Wegezwecke an allen Tagen des Jahres und rund um die Uhr in allen Teilen Berlins gleichwertig und unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft oder individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit gewährleistet werden”, heißt es zunächst unverändert. “Dabei steht der Ausbau der Angebote des Umweltverbundes im Vordergrund. Benachteiligungen oder Verbote für einzelne Verkehrsträger, insbesondere den motorisierten Individualverkehr, gilt es zu vermeiden”, möchte die CDU anfügen.

Ganz abgesehen davon, dass der MIV laut Definition kein Verkehrsträger ist, sondern Nutzer des Verkehrsträgers Straße, soll letztlich der private Autoverkehr keines seiner Privilegien zugunsten des Umweltverbunds aus Fuß- und Fahrradverkehr, Bahnen und Bussen aber letztlich auch des Wirtschaftsverkehrs abgeben müssen. Fun Fact am Rande. Damit würde man auch Regulierungsmöglichkeiten beispielsweise bei E-Scootern erheblich einschränken.

§ 2: Umweltverbund ist nun fast alles

Obwohl wir noch gar nicht tief im Gesetz sind, hätten wir damit schon eine Intervention gegen die Verkehrswende übersprungen. Denn die CDU möchte auch die allgemeingültige Definition des Umweltverbundes kreativ erweitern. Dazu gehören soll demnach auch der Taxiverkehr, was man vielleicht noch als einen Graubereich ansehen könnte, denn Taxis (nicht Mietwagen!) sind laut gesetzlicher Definition Teil des ÖPNV, also des Öffentlichen Personennahverkehrs. Allerdings soll auch das Sharing mit ins Boot. Damit wäre de facto auch jedes Privatauto, das von mehreren Haushalten genutzt wird (vielleicht auch nur als Beifahrende?), Teil des Umweltverbundes und damit eine Priorisierung oder Bevorrechtigung dessen ein Zirkelschluss. Wir sind alle Umweltverbund, so offenbar das orwellsche Credo der CDU-Abgeordnetenhausfraktion.

§ 4: Verkehrsfluss für Lebensqualität

Weiter geht die fröhliche CDU-Auto-Vorfahrt in Paragraf 4 “Menschen- und stadtgerechter Verkehr”. Statt eines gleichwertigen ÖPNV-Angebots in ganz Berlin will die CDU in Absatz 1 ein bedarfsgerechtes Angebot des Umweltverbundes. Das heißt nicht nur, dass die gesetzliche Grundlage für beispielsweise einen Zehn-Minuten-Takt beim Bus auch am Stadtrand geschwächt wird, nach dem Motto: “Fährt ja niemand mit, gibt keinen Bedarf.” Angesichts der erweiterten Umweltverbunds-Definition könnte es auch heißen: “Gebt den Leuten ein paar Taxigutscheine oder einen Carsharing-Standort.”

Deutlicher wird man im dritten Absatz. Heißt es derzeit im Gesetz, dass Aufenthaltsqualität und Lebensqualität in der Stadt “durch die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur und durch möglichst geringe Rauminanspruchnahme des fließenden und ruhenden Verkehrs” verbessert werden soll, dreht die CDU hier die Prioritäten um. Nun soll dieses Ziel “durch die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur für den fließenden Verkehr, beschränkt auf den notwendigen Raumbedarf” erreicht werden, nur noch für das Parken soll möglichst wenig Raum beansprucht werden. Ganz streichen möchte die Fraktion den Satz: “In der Stadt werden weitere Räume geschaffen, in denen der motorisierte Individualverkehr keine oder nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.” Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigte Bereiche sollen also kein Ziel der Mobilitätspolitik mehr sein. Das könnte auch Auswirkungen auf Kiezblocks haben.

§ 5: Umweltverbund statt nur Fahrrad

Nach den Wünschen der CDU soll in Paragraf 5 nicht mehr das Ziel sein, dass möglichst viele Pendler das Fahrrad  sondern den Umweltverbund nutzen. Dabei muss man immer im Hinterkopf behalten, dass die Definition des Umweltverbundes großzügig erweitert worden ist.

§ 20: Straßenbahn gestrichen

Gestrichen hat die Fraktion auch die Vorgabe, geplante Straßenbahnstrecken auch im Flächennutzungsplan einzutragen. Die Linke hatte intensiv dafür lobbyiert, weil bereits mehrfach bei Ersatz- und Neubauten von Brücken Straßenbahnpläne nicht berücksichtigt worden sind. Die Regelung findet sich in Absatz 4 von Paragraf 20 “Umsetzung der Ziele und Planwerke durch Verwaltungshandeln”. Auch sollen bei regionaler Planung, Stadtentwicklungsplanung sowie Planungen und Entscheidungen über verkehrsrelevante Einrichtungen und Standorte die Erfordernisse “aller Verkehrsteilnehmer” einbezogen und berücksichtigt werden. Derzeit gilt das nur für die Verkehrsmittel des Umweltverbundes. Offenbar hatte man hier schon vergessen, dass der Umweltverbund definitorisch so erweitert worden ist, dass diese Änderung im Sinne der Automobilität eigentlich überflüssig wäre.

§ 21: Insbesondere Abschwächung

Warum in Paragraf 21 “Besondere Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit” der Satz gestrichen wird, dass der verkehrssicherere Umbau von Kreuzungen “die Verteilung auf mehrere Bezirke berücksichtigt werden”, soll, bleibt das Geheimnis der CDU. In Absatz 4 des Paragrafen werden jedoch durch das einstreuen des Wortes “insbesondere” Ziele abgeschwächt. Erstens “Regelverstöße zu verfolgen, die die Sicherheit, insbesondere der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden gefährden” und zweitens “Verkehrsteilnehmende für die Verkehrssicherheit, der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden zu sensibilisieren”.

§ 22: Autos an Baustellen

In Paragraf 22 “Störungsfreie Nutzbarkeit der Verkehrswege des Umweltverbundes sowie von Liefer- und Ladezonen” sollen künftig nach Vorstellungen der CDU-Fraktion die postulierten Regelungen sowohl bei dauerhaften Anordnungen als auch bei Baustellen für “die Verkehrsinfrastruktur” allgemein gelten. In einem weiteren Fall soll also die von den Konservativen als “Benachteiligung des Autos” bezeichnete gerechte Umverteiligung des öffentlichen Straßenlandes ausgebremst werden.

§ 26: Doppelte Dekarbonisierung gestrichen

Bei den “Besonderen Zielen der Entwicklung des ÖPNV” des Paragrafen 26 soll in Absatz 10 das Ziel der Dekarbonisierung der BVG bis 2030 ganz entfallen. Damit gäbe es kein zeitliches Ziel für die Elektrifizierung des Busverkehrs mehr, wenn nicht bereits in Absatz 9 dieses Ziel postuliert worden wäre. Insofern hatte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) recht, als sie das bei einer Veranstaltung am 25. September als Streichung einer Dopplung bezeichnete. Bemerkenswert ist, dass die beiden SPD-Landesvorsitzenden Raed Saleh und Franziska Giffey in ihrer Kritik am CDU-Entwurf für eine Novelle des Mobilitätsgesetzes beim Landesparteitag am Samstag zuvor als einziges konkretes Beispiel diesen Paragrafen herausgepickt haben. Denn in den vergangenen Jahren war die SPD in den damaligen Koalitionen sehr geneigt, diese mit hohen Investitionen verbundene Maßnahme zumindest zeitlich hinauszuschieben. Die CDU formuliert diesen Absatz 10 des Paragrafen 26 vollkommen neu. Er soll lauten: “Dort, wo aufgrund der baulichen Situation des Straßenlandes kein Buslinienverkehr möglich ist, wird durch Ruftaxis oder Kiezbusse die Zubringerfunktion zum schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr sichergestellt.”

§ 36: Radverkehr bitte nicht wahrnehmbar

Eine regelrechte Streichungs- und Neuformulierungswut überkommt die CDU-Abgeordnetenhausmitglieder bei den den Radverkehr betreffenden Paragrafen 36 bis 48. So ist in Paragraf 36 “Besondere Ziele der Entwicklung des Radverkehrs” nicht gewünscht, dass der Radverkehrsanteil “im öffentlichen Raum wahrnehmbar” deutlich ansteigt. Deutlich ansteigen darf er aber noch. Die objektive Sicherheit darf noch steigen, der für die Motivation aufs Fahrrad umzusteigen aber sehr wichtige Anstieg der subjektiven Sicherheit ist allerdings gestrichen. Dabei legt die CDU doch sonst so viel Wert auf die subjektive Sicherheit, um kostenträchtige bauliche oder polizeiliche Maßnahmen im Stadtbild zu begründen.

§ 37: Bloß nicht zu viele Radwege

Ordentlich geholzt wird auch bei den “Aufgaben und Zuständigkeiten für den Radverkehr” in Paragraf 37. Die unmittelbar der Hausleitung unterstellte Koordinierungsstelle Radverkehr bei der Mobilitätsverwaltung soll neu “den Radverkehr betreffenden Maßnahmen auf Konflikte und/oder Redundanzen prüfen und diese auflösen”. Dieser Satz kann es in sich haben. Mit Redundanzen können Dinge gemeint sein, wie Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) sie am Beispiel Torstraße in Mitte genannt hatte. Da es parallel die Fahrradstraße Linienstraße gebe, sei aus Sicht der Senatorin ja der Bau von Fahrradinfrastruktur auf der Hauptstraße entbehrlich, ließ sie in der Vergangenheit mehrfach wissen. Auch das Thema Konflikte aufzulösen kann ordentlich Blockadepotenzial enthalten. Einerseits machte so manche Radwegeplanung in Berlin nicht den Eindruck, dass die Belange von ÖPNV und Fußverkehr ausreichend berücksichtigt und abgewogen worden sind, andererseits lässt sich mancher Konflikt nicht einmal für diese drei Verkehrsarten voll befriedigend auflösen. Wenn dann dem MIV noch mehr Gewicht als bisher eingeräumt werden soll, kann es schnell düster aussehen für die gerechte Umverteilung der Verkehrsfläche.

Gestrichen werden soll auch die Abstimmung über größere Radverkehrsmaßnahmen in den Bezirken im Bündnis für den Radverkehr. Der FahrRat auf Landesebene soll auch nicht mehr an der Erarbeitung und Fortschreibung des Radverkehrsplans mitwirken, sondern daran nur noch beteiligt werden. Beide Änderungen sind Einfallstore für fahrradfeindliche Eigenmächtigkeiten der Verwaltung.

§ 39: Radverkehr an Baustellen sich selbst überlassen

Die Änderungspläne für Paragraf 39 “Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen” bedeuten eine deutliche Verschlechterung der Sicherheit und des Komforts von Fahrradfahrenden. Denn es soll nicht mehr “eine sichere Radverkehrsführung sichergestellt” , sondern eine Radverkehrsverführung “wenn möglich aufrechterhalten” werden. Und überhaupt nur dann, wenn es an der Stelle bereits eine eigene Radverkehrsinfrastruktur gibt. Nur noch bei relevanten Vorhaben soll noch geprüft werden, ob die Bauarbeiten auch zur Schaffung von dem Mobilitätsgesetz entsprechenden Radverkehrsanlagen genutzt werden können. Dokumentations- und “unverzügliche” Veröffentlichungspflichten im Internet darüber sollen auch gestrichen werden.

§ 40: Abgesenkte Radwegestandards durchsetzen

In Paragraf 40 “Aufstellung und Fortschreibung Radverkehrsplan” wird bereits auf die nach Vorstellungen neu überhaupt im Mobilitätsgesetz und deutlich abgesenkten Standards für Radwege verwiesen, die in Paragraf 43 festgelegt werden sollen. Doch zunächst gibt es in Paragraf 41 “Berliner Radverkehrsnetz” noch eine sprachlich gewagte Ergänzung. Demnach sind die Fahrradstrecken “unter Berücksichtigung des ÖPNV-Vorrangnetzes, des Fußverkehrsplans und für den Wirtschaftsverkehr notwendigen Strecken herzustellen und sollen sich nicht gegenseitig verdrängen”. Die Änderung, dass nur noch das Radvorrangnetz bis 2030 fertiggestellt sein soll kann noch als Anpassung an realistische Ziele angesehen werden.

§ 42: Dem Auto den Vorrang nicht streitig machen

Paragraf 42 “Vorrangnetz und prioritärer Umsetzungsbedarf” soll hier mit den gewünschten Streichungen und gefetteten Neuformulierungen einmal im CDU-Bearbeitungsmodus wiedergegeben werden. Der Vorrang vor dem MIV soll fallen, ebenso wie eine Grüne Welle für den Radverkehr.

(1) Innerhalb des Berliner Radverkehrsnetzes sind die für den Radverkehr besonders wichtigen Verbindungen, insbesondere Verbindungen von gesamtstädtischer Bedeutung, zu definieren (Vorrangnetz). Bei im Vorrangnetz ausgewiesenen Straßen soll im Rahmen des geltenden Rechts dem Radverkehr als Teil des Umweltverbundes Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.

(2) Die Qualitäten der Radverkehrsanlagen im Vorrangnetz sollen den in den Vorgaben der Radverkehrsplanung und in dem Radverkehrsplan festgelegten Standards für das Vorrangnetz entsprechen. Im Vorrangnetz Radverkehr sollen im Rahmen des geltenden Rechts die Lichtzeichenanlagen für einen fließenden Radverkehr koordiniert werden.

(3) (2) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stimmt im Bündnis für Radverkehr einen Zweijahresmaßnahmenplan ab, der die Projekte mit prioritärem Umsetzungsbedarf enthält. Dazu zählen neben dem Vorrang-netz auch wichtige Verbindungen, die noch ohne Radverkehrsinfrastruktur und ohne Alternativrouten sind, sowie stark genutzte Routen in schlechtem Zustand.

(3) Bei der Priorisierung von Maßnahmen zur Sanierung und dem Neubau von Radwegen werden Kriterien der Bedarfs- und Angebotsplanung, notwendige Lückenschlüsse im Netz und die Verkehrssicherheit besonders berücksichtigt.

§ 43: Handtuchbreite Fahrradwege sind die Zukunft

Der größte Hammer ist allerdings Paragraf 43 “Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen”. Gestrichen wird zunächst die Vorgabe, dass sich Radfahrende sicher überholen können sollen. Auf gemeinsam geführte Geh- und Radwege als auch auf zur Nutzung durch den Radverkehr freigegebene Gehwege soll nur noch verzichtet werden, “wenn eigenständige Radverkehrsanlagen sachgerecht und möglich sind”.

Die CDU-Fraktion hat einen komplett neuen zweiten Absatz formuliert. Der lautet:

Nach Maßgabe dieses Gesetzes sind Radverkehrsanlagen und Trennstreifen unter Berücksichtigung der gewünschten Verkehrsbedürfnisse, der Verkehrsbelastung, der Verkehrsbedeutung, der Verkehrsstruktur, des Verkehrsablaufs, der Flächenverfügbarkeit und der Art und Intensität der Umfeldnutzung zu errichten. Bei der Abwägungsentscheidung sind folgende Breitenmaße von Radverkehrsanlagen, einschließlich der Markierung, zu berücksichtigen und in der Regel durchgängig zu beachten:

1. Schutzstreifen
Regelmaß 1,50 m
Mindestmaß 1,25 m

2. Radfahrstreifen
Regelmaß 1,85 m

3. Einrichtungsradweg
Regelmaß: 2,00m
Mindestmaß 1,50m

4. beidseitiger Zweirichtungsradweg
Regelmaß 2,50 m
Mindestmaß 2,00 m

5. einseitiger Zweirichtungsradweg
Regelmaß 3,00 m
Mindestmaß 2,50 m

6. gemeinsamer Geh- und Radweg
Mindestmaß 2,50 m

Zur Gewährleistung eines Ausgleichs zwischen allen Verkehrsbedürfnissen sind hiervon abweichende höhere oder niedrigere Mindest- oder Regelmaße für die Breite der Radverkehrsanlagen in anderen auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Regelwerken nicht zu berücksichtigen. Ausnahmsweise und nach sorgfältiger Überprüfung kann von den Mindestmaßen dann, wenn es aufgrund der örtlichen oder verkehrlichen Verhältnisse erforderlich und verhältnismäßig ist, unter Wahrung der Verkehrssicherheit abgewichen werden.

Damit liegen die von der CDU erträumten Radwegebreiten noch unter den für frühestens 2024 erwarteten neuen “Empfehlungen für Radverkehrsanlagen” der bisher vor allem als autofreundlich bekannten und kritisierten Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV). Als Basisstandard sind dort zwei Meter breite Richtungsradwege zuzüglich der 25 Zentimeter breiten Markierung vorgesehen. Netto will die CDU dem Berliner Radverkehr als Mindestmaß nur einen Meter breite Schutzstreifen zugestehen. Dabei handelt es sich um die von Autofahrenden weitgehend ignorierten gestrichelten Markierungen für den Radverkehr, die auch als Radverkehrsangebotsstreifen bezeichnet werden. Radfahrstreifen sind die oft durchgängig rot oder grün markierten Streifen mit durchgezogener weißer Linie. Sie wären netto nach den Träumen der CDU nur 1,60 Meter breit.

An Hauptstraßen dürfte es sich jedoch eher um das Handeln, was die FGSV als Radvorrangroute bezeichnet. Dort fordert sie 2,50 Meter Breite zuzüglich 25 Zentimeter Markierung. Dieses Maß gibt auch die derzeit gültige Fassung der Berliner Ausführungsvorschriften (AV) Geh- und Radwege für das Radvorrangnetz vor. Für Zweirichtungs-Radwege sind es vier Meter. Als Regelmaß im Ergänzungsnetz werden derzeit 2,30 Meter vorgegeben, bei einer Mindestbreite von zwei Metern.

Bemerkenswert ist auch der Absatz hinter den von der CDU erträumten neuen Radwegebreiten. Denn er lässt sich eigentlich nur so interpretieren, dass eine Überschreitung der vorgegebenen Maße praktisch ausgeschlossen ist, eine Unterschreitung jedoch sehr wohl.

Streichen möchte die CDU im bisher zweiten, nun dritten Absatz auch den Satz, demzufolge im Sinne vorausschauender Planung “die in Umsetzung der Planung zu erwartende Radverkehrsnutzung bei der Dimensionierung zu berücksichtigen” ist.

§ 44: Kiezblocks verhindern

Holzen will die CDU auch in Paragraf 44 “Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz”. So sollen Fahrradstraßen weiter der “Sicherheit und Leichtigkeit” des Fahrradverkehrs dienen, aber nicht mehr der “Flüssigkeit”. Auch sollen Fahrrad- und Nebenstraßen so gestaltet werden, dass es keinen MIV-Durchgangsverkehr mehr gibt. Doch anschließend will die CDU-Fraktion einen Satz am Rande der Verständlichkeit einfügen: “Dabei sind auf an die betroffene Fahrrad- oder Nebenstraße anschließenden Hauptverkehrsstraßen Maßnahmen zu vermeiden, die den motorisierten Individualverkehr so verdrängen, dass eine Umfahrung über diese erforderlich wird.” Das wäre wohl das Ende der gerade erst aufkeimenden Kiezblocks, bei denen mit Einbahnstraßenregelungen und Diagonalsperren die Umfahrung über das Hauptstraßennetz erzwungen wird.

§ 47: Irgendwas mit Fahrradparken

Auch das Ziel von Paragraf 47 “Fahrradabstellanlagen”, die Standorte “gleichwertig” in Berlin einzurichten, soll laut CDU-Willen gekippt werden. Sie sollen neu “auf die anderen Verkehrsträger abgestimmt sein” – welcher Sinn sich dahinter auch immer verbirgt.

§ 48: Radwege-Neubau aushebeln

Ihren vorläufigen Abschluss findet die Streich- und Änderungsorgie beim Radverkehr bei Paragraf 48 “Erhalt und Sanierung Radverkehrsnetz”. Natürlich sollen auch hier die Standards, was beispielsweise die Breiten betrifft, sich nicht mehr an den bisherigen Vorgaben richten. Neu eingefügt werden soll ein vierter Absatz: “Der Sanierung von bestehenden Radverkehrsanlagen ist Priorität gegenüber der Errichtung neuer Radverkehrsanlage einzuräumen.” Damit wäre der Radwegeneubau in Berlin auf längere Zeit ausgehebelt.

§ 50: Kein Fußbreit dem Fußverkehr und Spielstraßen

Doch das reicht der CDU-Fraktion nicht, schließlich stört auch der Fußverkehr immer wieder das Autoverkehrsglück. Gestrichen werden sollen in Paragraf 50 “Besondere Ziele der Entwicklung des Fußverkehrs” die Sätze: Dem Fußverkehr wird als Teil des Umweltverbundes im Rahmen des geltenden Rechts Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt. Dieser Vorrang ist insbesondere bei der Straßenraumaufteilung sowie bei der Schaltung von Lichtzeichenanlagen umzusetzen.” Stattdessen soll es heißen: “Dem Fußverkehr wird als Teil des Umweltverbundes im Rahmen des geltenden Rechts unter Berücksichtigung der Anforderungen und Bedürfnisse anderer Verkehrsteilnehmer Vorrang eingeräumt.” Vorrang also nur, wenn der Autoverkehr nicht beeinträchtigt wird.

Nicht mehr fördern möchte die CDU auch die Einrichtung von temporären Spielstraßen und dafür Regelungen entwickeln und umsetzen. Künftig soll es unverbindlich heißen: “Spielstraßen können einen sinnvollen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit leisten. Ihre Errichtung und Förderung werden auf Basis bestehender Regelungen und Gesetze geprüft.”

Es wird nicht gerüttelt am Satz: “Die effektiv nutzbare und ohne Hindernisse zur Verfügung stehende Breite der Gehbahn innerhalb der berlintypischen Gehwegstruktur soll ein für das Fußverkehrsaufkommen ausreichendes Maß haben.” Allerdings möchte die CDU einen sich von der Intention aber nicht vom Wortlaut erschließenden Satz anfügen: “Schmalere Gehbahnen sind möglich, wenn alle anderen Belange ausgeschlossen wurden.” Welche Belange wie ausgeschlossen worden sein sollen, bleibt das Geheimnis der Fraktion.

Nicht zufrieden geben will man sich mit der juristisch bereits offenen Formulierung “Grundsätzlich sollen Rad- und Gehwege getrennt geführt werden.” Sie möchte sie ergänzen durch den Satz: “Gehwege, die auf Grund des geringen Ziel- und Quellverkehrs nur sehr selten von zu Fuß Gehenden genutzt werden, können durch den Radverkehr mit genutzt werden.” Nicht der erste Fall, der keine Zweifel am Eifer aufkommen lässt, keinen Zentimeter Raum für das Auto aufgeben zu wollen, jedoch große Zweifel an der juristischen Kompetenz der Personen, die im Gesetz herumgestrichen und -geschrieben haben.

§ 51: Beteiligung beim Fußverkehr stört

In Paragraf 51 “Aufgaben und Zuständigkeiten für den Fußverkehr” soll die Koordinierungsstelle Fußverkehr analog zur Regelung beim Radverkehr “unter anderem sämtliche den Fußverkehr betreffenden Maßnahmen auf Konflikte und/oder Redundanzen prüfen und diese
auflösen”. Soll damit das Ende der vermeintlichen Redundanz “Gehwege auf beiden Straßenseiten” eingeläutet werden. Damit ließe sich natürlich wertvoller Abstellplatz für Autos im öffentlichen Straßenland generieren, um es mit der SPDBenzin zu formulieren.

Nicht rütteln will die CDU an einem Gremium, “das die Senatsverwaltung in allen Fragen der Entwicklung des Fußverkehrs unterstützt
und Vorschläge und Anregungen unterbreitet”. Aber irgendwelchen konkreten Einfluss soll dieser Fußverkehrsrat bloß nicht haben. Denn die Mitwirkung möchten die CDUler streichen. Konkret derzeit formuliert in folgenden Sätzen: “Das Gremium wirkt bei der Erarbeitung und Fortschreibung des Fußverkehrsplans, der Erstellung beziehungsweise Überarbeitung von Standards zur fußverkehrsfreundlichen Gestaltung, Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und Ausstattung von Straßen, Wegen und Plätzen sowie der Kategorisierung und Priorisierung der Fußverkehrsnetze mit.”

Immerhin sollen die Bezirke mit dem neu eingefügten Absatz 7a mit einer ebenso aufwändigen wie nutzlosen Maßnahme beschäftigt werden: “Die im Rahmen der Schulwegpläne definierten Schulwege sollen, wenn möglich optisch auf den Gehwegen gekennzeichnet werden (sog. Fußstapfen). Die Anordnung und Umsetzung der Markierungsmaßnahmen obliegt den bezirklichen Stellen.”

§ 52: Fußverkehrsplan möglichst unverbindlich

Dem in Paragraf 52 beschriebenen Fußverkehrsplan soll die Verbindlichkeit genommen werden. Denn dessen Erlass als Rechtsverordnung möchte die CDU streichen.

§§ 53, 55: Fußgänger sollen sich nicht so anstellen

Von der Muss- zur Kann-Bestimmung möchte die CDU auch die Ausrüstung von Fußgängerampeln an Baustellen herunterstufen, die sich in Paragraf 53 findet. In Paragraf 55 soll die Formulierung gestrichen werden, dass Straßen mit Mittelinseln an Ampeln grundsätzlich in einem Zug querbar sein sollen. Stattdessen soll dies nur “möglichst” der Fall sein. Gesetzlich festgeschrieben werden soll aber die teure wie zweifelhafte Maßnahme, “wenn möglich” Ampeln mit Countdown-Anzeigen auszustatten.

Neue Mobilität: Hyperloop, Flugtaxi und Wasserstoff

Damit können wir nun die Niederungen der Einhegung von Fuß- und Radverkehr hinter uns lassen und uns optimistisch der Zukunft zuwenden. Denn die CDU hat trotz der schweren Bürde der Rettung des bedrohten Autoverkehrs ihre kindliche Neugier und Vorfreude auf das, was kommen möge, nicht vergessen. Es ist das Kapitel “Neue Mobilität”, das die Fraktion gleich mit entworfen hat.

Wie üblich bei der Autolobby nahestehenden Organisationen wird große Hoffnung in die “Schaffung intelligenter Verkehrsmanagementsysteme sowohl für den fließenden als auch für den ruhenden Verkehr” gesetzt. Etwas kritischer sieht es aus bei den nicht weiter spezifizierten “Vergünstigungen für batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge”. Hier geht die Tendenz zur Förderung der Antriebswende statt der nötigen Verkehrswende. Per se nichts einzuwenden ist auch am Ziel, dass das Land die “Errichtung von Photovoltaikanlagen über P+R-Parkplätzen und Stadtautobahnen” fördern soll. Dafür möchte die CDU jedoch ihren hochgradig irreführenden Begriff “Klimaautobahnen” einführen.

Unbeirrt zweigt sich die CDU vom Umstand, dass der Einsatz von Wasserstoff als Champagner der Energiewende strikt auf die Bereiche beschränkt werden muss, in denen keine Alternative zur Verfügung steht. Denn die Energiebilanz ist durch Umwandlungsverluste verheerend. Der Energieträger ist teuer und benötigt für die Produktion als grüner Wasserstoff Unmengen an Ökostrom, der wesenstlich effizienter direkt genutzt wird, wo es möglich ist. Die CDU aber so: “Die Nutzung von Wasserstoff als sauberem Energieträger für den Verkehr wird gefördert, einschließlich der Integration von Wasserstoffantrieben in den öffentlichen Nahverkehr.”

Und natürlich wachsen für die CDU die Bäume in den Himmel, wenn es heißt: “Die Förderung und Regulierung von elektrischen Flugtaxis und Luftmobilitätsdiensten wird aktiv vorangetrieben. Hierzu gehören die Schaffung sicherer Landeplätze in geeigneten urbanen Gebieten, um die Integration von Luftmobilität in den öffentlichen Verkehr zu ermöglichen.” Träumerisch geht die Koalition davon aus, dass diese
Maßnahmen “dazu beitragen, den Verkehr in Berlin zu entlasten, die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern und innovative Verkehrslösungen zu fördern”. Auch der sehr aktive Hubschrauber-Shuttle-Service von den Flughäfen nach New York City entlastet das dortige landgestützte Verkehrssystem im nicht messbaren Bereich, sondern bedeutet nur eine Zeitersparnis für Reiche zu hohen Kosten.

Zu den Metropolis-Träumen der CDU gehört auch der Wunsch, dass das Land Berlin “aktiv die Erforschung, Entwicklung und Implementierung von Lufttaxis, Drohnentechnologien und Hochgeschwindigkeits-Transportsystemen” fördern soll, “um innovative Mobilitätsoptionen in der Stadt zu schaffen”. Dabei wird auch der Hyperloop nicht vergessen, das zuletzt von Elon Musk propagierte Hochgeschwindigkeitstransportsystem, das auf Vakuumröhren setzt. Technische und Sicherheitsprobleme bei dem System scheinen allerdings kaum befriedigend lösbar.

Bis auf Einzelfälle bisher nicht befriedigend gelöst werden konnten auch noch nicht die Herausforderungen beim Gütertransport auf Straßenbahnen gerade auf dicht befahrenen innerstädtischen Straßenbahnstrecken. Doch grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass die CDU hier weitergehen möchte.

Ein Lichtblick im Auto- und Technologiewahn ist das Ziel, die “Parkraumbewirtschaftung im Land Berlin auf Gebiete mit Parkdruck” auszuweiten und eine “konsequente Überwachung” sicherzustellen. Sogar die CDU hat inzwischen erkannt, dass das dazu beiträgt, “den begrenzten öffentlichen Raum effizient und stadtverträglich zu nutzen”.

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