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Entsiegelung in Trippelschritten

5000 Quadratmeter will Berlin-Mitte bis Jahresende 2023 geschafft haben.

© by BUND Berlin/Nicolas Šustr

Ein Parkplatz weniger und dafür eine dreimal so große Baumscheibe wie bisher nebst einem neuen Baum. Zum Abschluss dieser Maßnahme lädt die im Bezirk Mitte für Verkehr und Grünflächen zuständige Stadträtin Almut Neumann (Grüne) in die Thomasiusstraße in Moabit.

Gepflanzt wird eine norwegische Ahornart. „Eine Sorte, mit der wir schon sehr gute Erfahrungen gemacht haben“, sagt Klaus Leder. Er ist im Straßen- und Grünflächenamt zuständig für die Straßenbäume im Bezirk. Die Sorte komme gut mit Trockenphasen zurecht, außerdem müsse man sie nur wenig beschneiden. „Jeder Schnitt ist eine Verletzung. Je weniger ich den Baum schneiden muss, um so vitaler bleibt er“, sagt Leder.

Nachdem der Baum in die Pflanzgrube gesetzt worden ist, wird die ganze Fläche der Baumscheibe mit einer armdicken Lage feinem grauen Schotter bedeckt. „Vor 15 Jahren haben wir die ersten Baumscheiben mit Granitsplitt belegt, haben ganz viel Prügel dafür bezogen. Wir sehen aber an unseren Feuchtesensoren, dass die selbst nach 15 Jahren immer noch 90 Prozent mehr Wasser aufnehmen als eine normale Baumscheibe“, so Leder.

“Wir bekommen immer noch Prügel dafür. Ich kriege ganz viele Mails: Ihr solltet doch Schottergärten verbieten und jetzt habt ihr sowas selbst. Weil es einfach nicht verstanden wird”, sagt Stadträtin Neumann.

1500 Liter Wasser könnte er hier reinschütten, ohne dass etwas überläuft, berichtet Leder. Normale Erde hat nicht diese Aufnahmefähigkeit. Wenn die Fläche, wie üblich, dann noch belaufen oder als Fahrrad- oder gar Motorrad-Abstellfläche genutzt wird, kann praktisch überhaupt kein Wasser mehr aufgenommen werden. „Dann läuft das Wasser einfach drüber und der Baum hat gar nichts davon“, so der Baumexperte.

Doch grau soll die Baumscheibe gar nicht bleiben. Rosen, Spirea, Lampenputzergras, Staudensalbei, Astern und Katzenminze sollen hier noch gepflanzt werden. „Wir wollen, dass sich die Pflanzendecke schnell schließt. Einerseits, damit weniger Wasser verdunstet und damit es eine größere Akzeptanz hat“, so Wolfgang Leder. Vom Bürgersteig kann Niederschlagswasser in die Fläche laufen und durch Lücken im Bord ebenfalls von der Straße.

Rund 5000 Quadratmeter Straßenland will Mitte dieses Jahr entsiegeln, die sechs Quadratmeter der Baumscheibe in der Thomasiusstraße sind ein Teil davon. 800.000 Euro stehen dafür zur Verfügung. 60 Prozent der Flächen im Bezirk sind versiegelt – durch Gebäude oder Straßen. Beton und Asphalt verschärfen die Folgen des Klimawandels. Sie heizen sich stärker auf und verhindern, dass Regenwasser im Boden versickern kann.

„Wir wollen jetzt wirklich massenhaft entsiegeln, um mehr Wasser versickern zu lassen und die Schwammstadt Wirklichkeit werden zu lassen. Damit wollen wir auch unseren Bäumen etwas Gutes zu tun, damit sie ein möglichst langes Leben haben“, sagt Stadträtin Almut Neumann. Bäume seien in der Klimakrise etwas Wesentliches. „Entsiegelte Flächen schaffen Raum für Pflanzen und Tiere und sie tun auch den Menschen gut, weil sie das Mikroklima verbessern und das Wohnumfeld verschönern.“

Doch es gibt viele Hindernisse auf dem Weg zu schnellen Erfolgen. „Der Planungsaufwand ist wirklich krass. Das müssen die Bezirksämter stemmen. Wir sind sehr froh, dass wir ein paar neue Leute gewinnen konnten“, sagt Neumann. Ein großes Thema sei die Entwässerung. „Erreicht das Niederschlagswasser noch die Kanalschächte, wenn man einen Bordstein versetzt?“, so laute eine der dominierenden Fragen. Reifenabrieb und andere Schadstoffe sowie das winterliche Tausalz sorgten dafür, dass an stärker befahrenen Straßen das Niederschlagswasser nur in die Kanalisation und nicht in entsiegelte Flächen fließen dürfe.

Das zweite große Thema sei die Finanzierung der Maßnahmen. „Wir hoffen und da bin ich sehr zuversichtlich, dass in dem neuen Klimatopf Entsiegelungsmaßnahmen drin sind und so eine stete Geldquelle zur Verfügung steht“, sagt Neumann. „Das größere Geldthema, bei dem ich derzeit überhaupt nicht sehe, dass sich etwas bewegt, ist die Grünflächenunterhaltung“, berichtet die Stadträtin. Nur etwa 3,50 bis 4 Euro pro Quadratmeter des sogenannten Straßenbegleitgrüns gibt es vom Senat pro Jahr. „Dadurch wird es eine große Herausforderung sein, diese Flächen zu pflegen. Für die Unterhaltung und die Müllbeseitigung ist eine glatte Asphaltfläche das Günstigste”, so Neumann.

Das größte Problem sei der Streit um die Parkplätze, wirft eine Anwohnerin ein, die der Pressetermin angelockt hat. „Wenn ich sage, dass ich möchte, dass die Hälfte der Parkplätze verschwindet, um die Flächen zu entsiegeln, habe ich die halbe Straße gegen mich“, sagt sie.

„Man braucht die Akzeptanz. Die gibt es aber nur, wenn es halbwegs schön aussieht, so dass auch ein nicht superökologisch bewegter Mensch sagen kann: Das ist aber schön bunt und blüht“, sagt Stadträtin Neumann. „Wenn da etwas entsteht, was man zwar intellektuell gut findet, sich aber nicht so schön anfühlt, dann haben wir dieses Akzeptanzproblem.“

Selbst Baumpflanzungen würden nicht immer begrüßt, berichtet Baumexperte Wolfgang Leder. „Nämlich dann, wenn sich die Leute über viele Jahre daran gewöhnt haben, dass aus Geldmangel die Baumscheibe nicht bepflanzt war. Und der neue Baum die Wohnung verschattet.“

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