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Alles im grünen Bereich?

Berlin baut - sich zu!

Es läuft nicht alles rund, aber es läuft. Berlin ist weltoffen und beliebt. Geprägt durch die besondere Geschichte von Zerstörung und Teilung hat sich hier zwischen Altbau und Neubau, Brachen und Baulücken eine Metropole entwickelt, die wie nur wenig andere für einen Sehnsuchtsort steht, an dem sich Großstadtreiben und Leben im Grünen miteinander vereinen lässt. Diese Mischung ist sexy und gefragt und so wächst Berlin. Die steigenden Mieten drücken auf den Geldbeutel und die Stimmung, aber neue Wohnungen sollen das Problem lösen. Nicht nur in den gefragten Szenekiezen, sondern auch in den Außenbereichen wird kräftig gebaut. Familien wollen ins Grüne, Einkommensschwache und Erwerbslose können nicht anders als an den Rand zu ziehen. Unter Druck wird dort gebaut, wo schnell gebaut werden kann. Und so wächst die Stadt in die grüne Infrastruktur hinein, die nicht nur für den Natur- und Artenschutz wichtig ist. Diese grünen Freiflächen sind Garant für Lebensqualität in der hochverdichteten Stadt, für die Erholung in der Nähe zum Wohnort. Sie sind Orte für Sport und Begegnung und wichtige Frischluftlieferanten und Kaltluftentstehungsgebiete.

Die Bedeutung von Parks, Kleingärten, Gewässerufern, Friedhöfen, grünen Lernorten, Bahnrand- und Landwirtschaftsflächen ist unumstritten. Daher gibt es auch zahlreiche Instrumente und Programme, die den Bestand dieser wertvollen Flächen sichern sollen. Flächennutzungsplan, Landschaftsprogramm, Stadtentwicklungsplan Klima, Strategie Stadtlandschaft, Kleingartenentwicklungsplan, Strategie der biologischen Vielfalt heißen sie und eigentlich sollte damit alles gut sein. Eigentlich beschreibt aber immer einen suboptimalen Zustand. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Die beiden bedeutsamsten und bekanntesten übergeordneten Planwerke dürften der Flächennutzungsplan (FNP) und das parallel seit 1994 erstellte Landschaftsprogramm (LaPro) sein. Der FNP soll die räumliche Entwicklung der Stadt steuern und als strategische Grundlage für die Bauleitplanung dienen. In groben Kategorien wird hier beschrieben wie welche Flächen genutzt werden sollen. Demgegenüber vertritt das Landschaftsprogramm die Ziele der Landschaftspflege und des Naturschutzes. Das 2015 aktualisierte Planwerk stellt in verschiedenen Karten dar, wie sich Naturhaushalt, Biotop- und Artenschutz, Landschaftsbild, sowie Erholungs- und Freizeitnutzung entwickeln sollen und welche Maßnahmen dazu notwendig sind. Im LaPro ist auch das für die Stadtentwicklung Berlins grundlegende grüne Achsenkreuz mit den die Innen- sowie die Außenstadt umgebenden zwei Ringen aus Grünflächen festgelegt.

Beide Planungsgrundlagen sollen sich idealerweise ergänzen und so zu einer flächendeckenden stadtplanerisch und ökologisch verträglichen Nutzungsverteilung beitragen, die für die nachgeordneten Planungsebene verbindlich ist. Doch leider sieht die Wirklichkeit hier anders aus.

Bebauungspläne werden aus dem FNP entwickelt, umgekehrt heißt das aber auch, dass alles was nicht im FNP eingezeichnet ist, sich nur selten in einem Bebauungsplan wiederfindet. Viele wichtige Programme zur Sicherung der grünen Freiflächen wie der StEP Klima, die Strategie zur biologischen Vielfalt oder die Strategie Stadtlandschaft werden in ihm immer noch nicht abgebildet. Seit seiner Entstehung wurde der FNP 199 Mal geändert, zumeist für “anstehende größere, aus gesamtstädtischer Sicht erwünschte Investitionen”. Hinzu kommt, dass der FNP nicht parzellenscharf ist und aufgrund des verwendeten Maßstabes keine Flächen unter einer Größe von 3 ha dargestellt werden können. Um trotzdem kleinteiliger und flexibler zu planen, wurde die sogenannte 3-ha-Regel eingeführt. Mit ihr können weitere Flächen als Bauland entwickelt werden. Diese Regelung soll eigentlich nur im Ausnahmefall angewendet werden, tatsächlich geschieht es aber doch öfters, wenn auch nur schwer zu sagen ist wie oft, da die Öffentlichkeit an diesen Entscheidungen nicht beteiligt wird.

Grundsätzlich sollte es keinen Widerspruch zwischen FNP und LaPro geben, doch durch die zahlreichen Änderungen des FNP gibt es mittlerweile erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Planungsprogrammen. Gerade in der verdichteten Innenstadt ist der geforderte Biotopverbund bislang nicht rechtlich gesichert. Die Darstellung einer solchen Fläche im FNP als Freifläche ist kein Garant dafür, dass nicht im Zuge einer Änderung die Fläche zur Baufläche werden kann und somit als Erholungsfläche verschwindet. So sind in der LaPro-Karte “Erholung und Freiraumplanung” auch schon die entsprechenden Gebiete für Nutzungsänderungen nach FNP eingezeichnet.

Eine Auswertung von über 100 Bebauungsplänen der letzten 14 Jahre ergab, dass die Ziele des LaPro oft ignoriert oder weggewogen werden, insbesondere im dicht besiedelten Innenstadtbereich. Und das, obwohl das Land Berlin die Erhaltung der grünen Stadt, in der trotz Verdichtung und Erweiterung der bebauten Stadtfläche der Charakter der Stadt mit hochwertigen Erholungsflächen und funktionsfähigem Naturhaushalt bewahrt werden solle, als eines der grundlegenden Ziele für die Stadtentwicklung formuliert hat. Dem Land Berlin fehlen an vielen Stellen schon die Grundstücke um das im Bundeskleingartengesetz vorgesehene geeignete Ersatzland für gekündigte Kleingärten bereit zu stellen. Schon als Berlin 2004 den Kleingartenentwicklungsplan aufgestellt hat, waren von den 21 im FNP als Ersatzstandorte vorgesehenen Flächen gerademal acht für Kleingärten geeignet.

In Berlin gibt es viele schöne Planungsgrundlagen und Programme, die die lebensnotwendige grüne Infrastruktur schützen sollen. Dennoch bleiben Natur und Grün in der wachsenden Stadt auf der Strecke. Der Bekenntnisse zur grünen Stadt gibt es genug, der Wunsch ist sicherlich da, und vermutlich auch der Wille. Es fehlt aber an zuverlässigen und verbindlichen Sicherungsinstrumenten. Damit nach dem Boom kein böses Erwachen droht, braucht Berlin dringend ein Sicherungsprogramm um nicht nur zu bauen, sondern dabei auch die Versorgung der Bevölkerung mit grünen Freiflächen zu sichern. Für die Erholung der Bewohner, für ein positives Stadtklima und als Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Und um so auch das Berlin zu erhalten, das gerade so beliebt und begehrt ist.

 

Veranstaltung zum Thema:

Diskussion mit Senator Geisel und Berliner PolitikerInnen

Berlin baut – sich zu!

Wie können die grünen Freiflächen gesichert werden?

Am 30. August, 18-21 h, Prinzenstr. 85, 10969 Berlin, TAK Theater im Aufbauhaus, Eingang F

Weitere Infos unter http://www.bund-berlin.de/bund_berlinde/termine/umweltkalender.html

 

link

zur Kampagne Immer.Grün: www.berlin-immergruen.de

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