Print

Posted in:

Bosepark-Sanierung als Testobjekt:

Zwischenbilanz einer biologischen Aufwertung

Die bauliche Umgestaltung dieses Tempelhofer Parks geht nach fast zwei Jahren höflicher Begleitung des BUND in die letzte Runde. Dank Rücksichtnahme auf Bürgerwillen aber ohne radikale Verheerungen wie sonst gern in dieser Stadt.
Der nächste Unterschied ist der Gebrauch spezieller Fördermittel mit der Maßgabe, an Ort und Stelle der urbanen Artenvielfalt aufzuhelfen. Dazu wäre zumindest eine detaillierte Ermittlung des Ausgangszustands und der Potentiale nötig gewesen. Dies ist nicht geschehen – wir nehmen daher ein Werk der Senatsverwaltung zur Hand:

Leitfaden zur Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen (2/2020)

Es ist dies ein Instrument, um Ausgleiche für Eingriffe bei Bauprojekten auf eine rechnerische Grundlage zu stellen – kaum bekannt ist es auch ein Zubehör für die Aufwertung von Parkanlagen, KGAs etc. (S. 41).
Fundament bildet eine furchterregende Tabelle mit 23.000 Zeilen(!) Biotoptypen in der alles Wertpunkte bekommt außer betonierte Parkplätze u. ä., bezogen auf 1.000 qm, Baum-Persönlichkeiten extra. Die Experten gründen darauf komplexe Rechenkunststücke, für uns dient sie als Kompass zur Einschätzung der Geschehnisse.

Ein Berliner Novum: Schlehe und Hartriegel für eine Parkanlage!

Üblicherweise finden in Grünanlagen hierzulande eher Strauchrodungen denn Neupflanzungen statt, Argumente „Sicherheit und Transparenz“. Und erst recht stoßen Naturschützer mit ihrem Verlangen nach Einbringen naturhafter Heckengehölze auf taube Ohren.
Im Bosepark sind wir nun Augenzeuge einer ersten Abkehr von der Fixierung auf modisches Zierstrauchinventar. Lob daher für das Einbringen von Schlehen (gezählte neun Exemplare), und Hartriegel (12). Das Potential für das Zehnfache wäre vorhanden… Lt. Biotoptypenliste rangieren solche Pflanzungen (Berlin-Code 07132621) mit hohen Biotopwert-Punkten von 16-24.

Die spurlos verschwundene Silberweide vom Bosepark…

Beim letzten Rundgang mit der Stadträtin war sie noch da: Stammumfang um die 350 cm,
hohl aber vital, Krone abgesetzt auf ca. 4 Meter. Paradies für allerlei Getier über und unterm Boden.
Laut Liste (Berlin-Code 0715 411) mit möglicher Gesamtpunktzahl 38 sehr hoch eingestuft. Dazu noch Prinzip Ordnung und Sauberkeit: Wurzelstock extra ausgefräßt (mit Fördermitteln?). Ein Affront gegen die Artenvielfalt….

Die Macht der Bodendecker im Kampf gegen die Wildnis

Die spottbilligen Lieblinge traditioneller Planung besitzen laut Werbung „unkrautunterdrückende Wirkung“. Zusammen mit als „Bio“ ausgerufenen Holzschnitzeln – temporär herbizid wirkend – ein formatiertes Bauteil zur Abschreckung störender Flora und Fauna – bei der Umgestaltung reichlich verwendet. Derartige Funktionsflora (Code 10272) wird lt. Liste mit Biotopwert-Punktzahl 2 gewertet – also wie ein agro-industrieller Acker…. Mais, Zuckerrüben.

Die gepflanzte Lonicera ligustrina var. pileata (Bild oben) stammt aus China und verbreitet sich in u. a. in Teilen der Schweiz und Nordamerika invasiv. Beeren ähnlich Blau-/Heidelbeeren aber giftig (keine Panik: schmeckt scheußlich).

Bodendecker Vinca minor. Zwar seit dem Mittelalter heimisch aber von Insekten gemieden u. a. wegen geringer Menge an Nektar und Pollen. Gut zu beobachten wie Biene und Co. einen Bogen drum fliegen. Aufwertung?
Zum Vergleich: artenreiche Staudensäume solch trockenwarmer Standorte (Code 051432) stehen in unserer Liste mit bis zu 16-fach höherer biologischer Wertigkeit.

Naturnahe Pflege in der Schwebe …

Von einem Pflege- und Entwicklungskonzept ist bislang nichts bekannt. Pessimistisch stimmt die Invasion der Ahornsämlinge quer durch den Park, die in diesem jungen Stadium gut beherrschbar wäre. Derselbe Arbeitsgang böte auch die Gelegenheit zur Förderung gewünschter Naturverjüngung (Liguster etc.), entsprechende Fachkenntnisse vorausgesetzt.

Hinein in das Abenteuer Artenvielfalt mit „gesteuerter Duldung“ von Wildkräutern und neuen Spatzenparadiesen. Testlauf Stadt-Natur in einer vielgenutzten Parkanlage mit kontrollierter Wildnis als Attraktion moderner Gartengestaltung. Begleiten wir das Gartenamt bei seiner Expedition in eine neu
formierte Parkpflege!

Links:

BUND zum Thema naturnahe Grünpflege:
https://www.bund-berlin.de/themen/stadtnatur/stadtgruen/oekologische-parkpflege/
Zur Senats-Seite: Leitfaden, Tabelle etc.:
https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/landschaftsplanung/bbe/

3 Kommentare

Kommentar schreiben
  1. Danke für den Einsatz. Leider ist für Nichteingeweihte nicht Alles verständlich 😉 Vielleicht kann man mal auflisten, was sich ändern müsste, damit es fürsolche Sanierungen ein Regelwerk gäbe und wo hierzu welche Anmerkungen gemacht werden müssten, zum Bsp. Landesnaturschutzgesetz ect.

  2. Ich wohne seit 15 Jahren in dem Park.
    Es war es eine wunderschöne Wildnis mit vielen alten Bäumen, sehr vielen Eichhörnchen und ein beeindruckend großen Vielfalt an Vögeln. Ich denke, dass sich daran kein Anwohner gestört hat.
    Mit der brutalen Ertüchtigung, wurden viele alte Bäume gefällt und die niedrigen Büsche entfernt.
    Die vorgeschobene Bürgerbeteiligung war keine. Wir hatten kein echtes Mitspracherecht und es gab zahlreiche Einwände gegen die Pläne. Was von dem einst einmalig schönen Parks übrig ist, ist einfach nur traurig.
    Es wäre nett, wenn wenigstes Toiletten aufgestellt würden, damit die zahlreichen neuen Besucher nicht immer in die Büsche machen, so dass es bereits übel riecht. Vor 10 Jahren war es hier sauber und erholsam, jetzt ist es ein Partypark, sehr voll und dreckig. Die Wildtiere sind fast alle verschwunden, auch der Buntspecht.
    Ich hoffe sehr, dass eine naturnahe Gestaltung umgesetzt wird. So, wie es unsere heutige Zeit dringend erfordert und ich bin sehr froh über den Einsatz der Umweltschützer. Danke.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert