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Marathonlauf Bus-Elektrifizierung

Die Berliner Verkehrsbetriebe müssen ihren Busbetrieb neu denken – und viel neu bauen

© by BVG/Screenshot

„Wir als BVG möchten gerne unseren Fuhrpark bis 2030 auf Elektromobilität umgestellt haben“, sagte Rolf Erfurt kürzlich auf der Hauptstadtkonferenz Elektromobilität. Erfurt ist Betriebsvorstand der Berliner Verkehrsbetriebe. Tatsächlich ist die Dekarbonisierung des Busverkehrs der Hauptstadt sogar im Mobilitätsgesetz festgelegt und der BVG im Verkehrsvertrag auferlegt.

In allen Bereichen arbeitet das Landesunternehmen derzeit an den Voraussetzungen für die Elektrifizierung der derzeit rund 1500 Fahrzeuge umfassenden Busflotte, die bis 2030 auf 1700 Busse wachsen soll.

Rund 15 Prozent der BVG-Busse fahren elektrisch

Eine weitere Etappe ist nun fast geschafft. Mit fünf Monaten Verspätung ist Ende Mai der letzte von 90 Bussen des niederländischen Herstellers Ebusco bei der BVG angekommen, bis Ende Juli sollen alle in Betrieb sein. Damit fahren dann 227 Elektrobusse bei der BVG, rund 15 Prozent der Flotte. Nur 17 Stück davon sind Gelenkbusse, die auf der Linie 200 fahren.

Einen großen Sprung hat mit den Ebusco-Fahrzeugen auch die Reichweite gemacht – der Hersteller garantiert 295 Kilometer Laufleistung mit einer Ladung. 80 Prozent der täglichen Busumläufe können damit ohne Nachladung gefahren werden. Die zuvor gelieferten Stadtbusse kommen nur auf 130 bis 150 Kilometer. Die hohe Laufleistung resultiert nicht nur aus einer größeren Batterie, sondern auch aus einer optimierten Steuerung, bei der 40 Prozent weniger Strom pro Kilometer durch die Rückgewinnung der beim Bremsen anfallenden Energie verbraucht werden.

Leichtgewichte senken den Energiebedarf

In Berlin abgeliefert wurden Fahrzeuge des Modells Ebusco 2.2. Beim Nachfolgemodell Ebusco 3.0 ist die tragende Konstruktion nicht mehr aus Stahl, sondern aus Verbundwerkstoffen auf Glasfaserbasis, für die Verkleidung werden Carbonfasermaterialien verwendet, mit durchschlagendem Ergebnis beim Gewicht: Statt knapp 13,6 Tonnen wie beim Modell 2.2 bringt der Zwölf-Meter-Bus nur noch etwa 9,5 Tonnen leer auf die Waage. Das reduziert nicht nur den Energieverbrauch deutlich, der Hersteller verspricht auch eine Lebensdauer der Karosserie von 25 Jahren – deutlich mehr als bei Metallkonstruktionen, die irgendwann rosten oder ermüden.

Bereits 1988 stellte der deutsche Hersteller Neoplan einen Stadtbus aus Carbonfasern vor, der bei der BVG fuhr. Allerdings stellte man nicht nur in Berlin schnell fest, dass die Reparatur von Unfallschäden kaum möglich war. Inzwischen soll das einfach möglich sein. „Sie können die beschädigte Stelle ausschneiden und ein passgenaues Ersatzteil wieder mit dem Rest der Karosserie verschweißen“, versprach Ebsuco-Chef Peter Bijvelds für das neue Flaggschiff des Unternehmens beim Pressetermin zur Auslieferung des ersten Busses an die BVG im August 2022.

Doch bereits das Modell 2.2 glänzt mit einem niedrigen Energieverbrauch. 0,9 Kilowattstunden pro Kilometer beträgt er nach Angaben von Ebusco im Stadtverkehr. Das entspricht einem Dieselverbrauch von rund neun Litern pro 100 Kilometer. Vergleichbare Verbrennerbusse benötigen aktuell mehr als das Fünffache.

Bis Ende März 2023 sind zusammen 157 E-Busse bei der BVG in den Einsatz gekommen, heißt es im jährlichen Bericht der Senatsmobilitätsverwaltung zur Umstellung auf alternative Busantriebe. Bei einer Laufleistung von rund 17,3 Millionen Nutzwagenkilometern seien 6,9 Millionen Liter Dieselkraftstoff eingespart worden. “Dabei ist auch bereits der Verbrauch der 50 E-Busse mit Brennstoff-Zusatzheizung berücksichtigt, deren Verbrauch an besonders kalten Tagen aber deutlich mehr Kilometerleistung über das ganze Jahr hinweg ermöglicht. Ebenso beinhaltet diese Berechnung, dass durch die kürzere Reichweite der derzeit vorhandenen E-Busse zusätzlich Ein- und Aussetzfahrten stattfinden müssen”, heißt es im jüngsten Bericht von Ende Juni 2023. Dadurch erhöhe sich der Anteil von Leerkilometern an der Gesamtlaufleistung von 8 auf etwa 15 Prozent bei Eindeckern. Bei den Gelenkbussen steige der Anteil der Leerkilometer von 8 auf etwa 10 Prozent beim vorhandenen Flottenbestand, da diese aufgrund technischer Ausfälle eine geringere Verlässlichkeit aufwiesen und häufiger ausgetauscht werden müssten.

Günstige Klimabilanz der Stromer

“Aus dem durch den E-Bus-Betrieb eingesparten Dieselkraftstoff ergibt sich eine Einsparung von Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) in Höhe von 22.600 Tonnen CO2-Äquivalenten. Neben den THG-Emissionen werden auch Stickoxid-Emissionen (NOx-Emissionen) vermieden. Diese betragen 0,2 Gramm pro Kilometer bei Dieselbussen. Somit wurden durch den E-Bus-Betrieb bisher 3,5 Tonnen NOx-Emissionen vermieden”, heißt es weiter im Bericht.

In der Mitteilung zum Abschluss des Projekts E-Metrobus für die 17 Batterie-Gelenkbusse auf der Linie 200 wird auf die günstige Klimabilanz selbst unter Einbezug des höheren Aufwands für die Produktion der Fahrzeuge verwiesen. “Die höheren Treibhausgasemissionen bei der Herstellung der E-Busse konnten bereits innerhalb der ersten sechs Betriebsmonate kompensiert werden”, heißt es dort.

Bisher waren alle Elektrobusse auf einen Betriebshof konzentriert, jenen an der Indira-Gandhi-Straße in Hohenschönhausen. Doch dieser Tage sollen, ebenfalls mit vielen Monaten Verspätung, die ersten je 30 Ladestellen auf Höfen in Britz und an der Cicerostraße in Wilmersdorf den Betrieb aufnehmen.

Eigentlich hätte bereits dieses Jahr der erste komplett neue E-Bus-Betriebshof für bis zu 280 Busse in Treptow-Köpenick eröffnen sollen. Unter anderem neue Brandschutz-Vorschriften nach mehreren Elektrobus-Bränden machten eine Umplanung nötig. Nun wird das von der BVG als Betriebshofverbund Süd-Ost bezeichnete Vorhaben auf zwei Grundstücken zu beiden Seiten der Minna-Todenhagen-Brücke wohl, so die Hoffnung, Anfang 2025 zumindest teilweise und Ende 2025 vollständig in Betrieb genommen werden können. Tausende Betonpfähle im Boden sollen es überhaupt möglich machen, zu bauen. Im August sollen die Arbeiten starten.

Der neue Betriebshof wird dringend benötigt. Denn Ende 2024 sollen die ersten von 344 zu bestellenden E-Gelenkbussen für die BVG ankommen. Fast 200 Millionen Euro Bundesförderung konnten dafür gesichert werden. Das Landesunternehmen verhandelt bereits über einen Rahmenvertrag für bis zu 700 Busse, die sie Flexilader nennt. Eine mittelgroße Batterie soll sowohl auf dem Hof über Nacht als auch an den Endhaltestellen geladen werden.

Mittlerweile beerdigt worden sind die Pläne für ein Netz von sogenannten Streckenladern in Berlin. Dafür sollte zunächst die in Spandau verkehrende Linie M32 auf etwas über der Hälfte der Strecke mit der typischen zweipoligen Obus-Fahrleitung überspannt werden. Die Akkus sollten während der Fahrt unter der Oberleitung aufgeladen werden. Doch wegen der Fortschritte bei den Batterietechnologie und der Furcht vor langwierigen Planfeststellungsverfahren sollen die künftig dort verkehrenden Doppelgelenkbusse im reinen Akkubetrieb und Ladung an der Endhaltestelle betrieben werden.

30 bis 40 Endhaltestellen müssen für die Umsetzung des Konzepts Flexlader bis Ende 2025 mit 70 bis 80 Ladepunkten ausgerüstet werden, berichtete Daniel Hesse bei der Elektromobilitäts-Konferenz im Juni. Er ist Leiter der Stabsabteilung Technologie und Innovation bei der BVG. „Wir merken, dass die schiere Masse und die Gleichzeitigkeit von Aufträgen eine Herausforderung ist“, so Hesse.

Neue Technologie eröffnet Möglichkeit zu effizienterem Einsatz

Doch die neuen Möglichkeiten brachten ihn ins Schwärmen. „Wir bekommen dann einen Freiheitsgrad, den wir beim Diesel nicht hatten. Wir können die Fahrzeuge sehr viel länger fahren lassen und die Fahrer gleich auf der Strecke wechseln“, sagte er. „Wir haben das ausprobiert auf der Linie 200. Wir haben spaßeshalber die Fahrzeuge 41 Stunden am Stück fahren lassen“, berichtete er. Die dortigen Gelenkbusse können an beiden Endhaltestellen nachgeladen werden. Letztlich müsse man dann „eher aus hygienischen denn aus Reichweitengründen ins Depot“.

Bei der Berliner Straßenbahn ist es bereits üblich, dass Fahrzeuge auch mal 24 Stunden im Fahrgasteinsatz sind. Das kann den Fahrzeugbedarf gegenüber dem Diesel-Busbetrieb perspektivisch sogar reduzieren. Derzeit werden im Vergleich mehr E-Busse benötigt. Bei den ersten Lieferungen werden laut dem jährlichen Bericht der Senatsmobilitätsverwaltung ein Drittel mehr Elektrofahrzeuge für die gleiche Betriebsleistung wie bei den Verbrennern benötigt. Bei der gerade abgeschlossenen Ebusco-Lieferung liegt der Mehrbedarf noch bei 15 Prozent.

Doch bei einem Punkt zur guten Umsetzung des Flexlader-Konzepts ist die BVG auf mehr Einsatz der Senatsverkehrsverwaltung angewiesen. “Wir müssen durch den Verkehr kommen. Wenn wir die Pausenzeiten nicht zum Nachladen haben, haben wir ein Problem”, sagte Daniel Hesse. Und da liegt es weiterhin im Argen. “Störungen durch Bauarbeiten, Demonstrationen, Veranstaltungen und Einsätze von Notarzt,
Polizei und Feuerwehr im Straßenland sowie nicht optimierte Lichtsignalanlagen und eine unzureichende Qualitätssicherung der ÖPNV-Priorisierung führen zu Verspätungen und Ausfällen”, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Antwort der Senatsverkehrsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage des SPD-Verkehrspolitikers Tino Schopf. Die Pünktlichkeit im Busnetz lag 2022 bei 90,3 Prozent, 2021 waren es noch 91,3 Prozent. Da sich dieser Wert auf die gesamte Betriebszeit bezieht, sind die Werte zu den Hauptverkehrszeiten deutlich schlechter. Außerdem werden größere Verspätungen als Ausfall gewertet und sind nicht dann nicht mehr Teil der Pünktlichkeitsstatistik.

Der neue Betriebshof in Treptow-Köpenick reduziert auch die teilweise langen Betriebsfahrten für Buslinien im Südosten der Hauptstadt. Auch der Süden Berlins soll einen neuen Elektrobus-Betriebshof bekommen. Die BVG sucht derzeit einen sogenannten Totalunternehmer, der Planung und Bau der Anlage für bis zu 230 Busse an der Säntisstraße in Marienfelde übernehmen soll. Das Landesunternehmen verspricht sich von dem neuen Ansatz der Totalunternehmerschaft die Einsparung von Zeit bei der Vergabe, da Planungs- und Bauleitungen gemeinsam vergeben werden. Bereits Ende 2026 soll der Hof betriebsbereit sein.

Ende 2025 sollen rund 580 Elektrobusse dann über ein Drittel der Flotte stellen. Wenn bis Ende 2030 alle 1700 Busse der BVG elektrisch fahren sollen, müssen dann Jahr für Jahr über 200 neue Fahrzeuge den Betrieb aufnehmen. Die Dekarbonisierung der BVG ist ein Marathonlauf.

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