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BVG im diskreten Kürzungsmodus

Ein Drittel weniger Fahrten auf der Tram M4, ein Sechstel weniger Angebot auf der U8

© by BUND Berlin/Nicolas Šustr

Seit Jahren ist der Fahrplan auf mehreren U-Bahnlinien wegen fehlender Wagen gekürzt, erst zum letzten Fahrplanwechsel im Dezember 2023 haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) das zuvor bereits um 2,5 Prozent reduzierte Angebot noch einmal deutlich zusammengestrichen. Seitdem werden 6 Prozent der bestellten Leistung im Busbereich nicht mehr gefahren, weil hunderte Fahrerinnen und Fahrer fehlen. Rechnerisch ist das so als hätte die BVG einem kompletten Berliner Bezirk das Busangebot gestrichen.

Doch auch im Straßenbahn- und U-Bahn-Bereich geht die Angebotskürzung munter weiter. Seit Ende Februar fahren auf der Straßenbahnlinie M4 im Berufsverkehr die Züge nur noch alle fünf statt bisher alle drei bis vier Minuten. Was sich zunächst nach einem kleinen Unterschied anhört, entspricht einer Streichung von einem Drittel des planmäßigen Angebots. Zwölf statt 18 Fahrten pro Stunde und Richtung, die Kapazität sinkt damit von 5400 auf 3600 Fahrgäste stündlich je Fahrtrichtung.

Dieser drastische Einschnitt wurde den Beförderungsfällen, wie es so schön im Amtsdeutsch heißt, per neuem Fahrplanaushang an den Haltestellen kundgetan. Unterlegt sind die Tabellen in hellgrauer Schrift mit dem Hinweis “Baufahrplan”. Doch es geht gar nicht um Tram-Baustellen.

“Auf der M4 haben wir derzeit durch Baustellen (mit drei zusätzlichen Ampeln) im Streckenverlauf eine verlängerte Fahrzeit. Um den Mehrbedarf an Fahrzeit zu kompensieren, müssen wir daher den Takt in der Hauptverkehrszeit leider vorübergehend anpassen”, nennt die BVG-Pressestelle als Grund der Maßnahme. Außerdem solle an zwei regulären Ampeln die Steuerung auch noch angepasst werden, man sei dazu “bereits in Gesprächen mit den beteiligten Stellen”, heißt es weiter.

Es ist also mal wieder die mangelnde Bevorrechtigung von Straßenbahnen und Bussen, weswegen die Verkehrsbetriebe die Notbremse beim Angebot ziehen. Ein seit Jahrzehnten notorisches Problem, dass keine und keiner der vielen Verkehrssenatorinnen und -senatoren von SPD, Grünen oder CDU in den langen Jahren systematisch angegangen ist.

Nach einem kleinen Zwischenhoch in der Corona-Pandemie folgt die Durchschnittsgeschwindigkeit wieder dem langjährigen Trend abwärts. Beim Bus sank das Tempo stadtweit von 17,98 Kilometern pro Stunde im Jahr 2020 auf 17,9 im Jahr 2022, bei der Straßenbahn von 17,67 Kilometern pro Stunde auf 17,49. Die Linie M4 kam 2020 durchschnittlich in einer Stunde noch 17,8 Kilometer weit, 2022 waren es nur noch 17,2 Kilometer. Die Angaben stammen aus Antworten auf Schriftliche Anfragen der Verkehrspolitiker Tino Schopf (SPD) und Kristian Ronneburg (Linke). Zahlen für 2023 sind nicht öffentlich verfügbar.

In einem Nahverkehrsforum wird ein Straßenbahnfahrer deutlicher als die BVG-Pressestelle, was die Situation auf der M4 betrifft. “Auf der ganzen Linie befinden sich über zehn Ampeln im Festprogramm, die teilweise auch entgegengesetzt voneinander schalten, sodass man die sonst gute Fahrzeit einfach nicht schaffen kann”, schreibt er. “Es sind ausschließlich die Ampeln, die für diese Verspätungen sorgen.”

Die Daten der Online-Fahrplanauskunft vor und nach dem Angebotsschnitt nähren Zweifel an der monokausalen Darstellung der BVG. Die Fahrzeit zwischen Hackescher Markt und Falkenberg liegt unverändert bei 40 Minuten. Überschlägig gerechnet spart die drastische Fahrplankürzung mindestens sieben Kurse mit den entsprechenden Fahrpersonalschichten ein. Zu einem möglichen Ende der Einschränkungen äußert sich das Landesunternehmen nicht.

Ebenso überraschend für die Fahrgäste kam die Kürzung des Angebots der U8 am 22. Februar. Der Takt ist um eine Minute gedehnt worden. Tagsüber kommt nur noch alle sechs Minuten ein Zug. Damit sinkt die Beförderungskapazität pro Stunde und Richtung je nach eingesetztem Zugtyp um 1300 bis 1500 Fahrgäste – immerhin ein Sechstel des Angebots wurde gestrichen. Auf einer Linie, die sowieso regelmäßig überfüllt ist.

Grund ist laut BVG eine Tunnelbaustelle. “Wegen der Arbeiten im Bereich Weinmeisterstraße mussten vorübergehend sogenannte Langsamfahrstellen eingerichtet werden. Diese haben Einfluss auf die Fahrzeiten und damit den Takt auf der Linie”, antwortet die Pressestelle auf Anfrage.

Die Baustelle an der Weinmeisterstraße ist nur eine von vielen auf der Linie, wie von Insidern in Nahverkehrsforen zu erfahren ist. Die Zeiten, die die Züge für einen Umlauf benötigen, haben sich um mehrere Minuten verlängert. Damit kann die tarifvertraglich vereinbarte Mindestwendezeit von vier Minuten an den Endpunkten nicht mehr eingehalten werden.

Der Insider nennt den tieferliegenden Grund der Kürzung: “Es gibt weder Reserven an Fahrzeugen noch an Fahrpersonal für einen zusätzlichen Umlauf.” Durch die Maßnahme würden sogar zwei Züge und das entsprechende Fahrpersonal eingespart, “sodass theoretisch eine Reserve bei Fahrzeugstörungen oder Personalausfall vorhanden ist”.

Die BVG-Pressestelle hebt lieber den positiven Aspekt für die Fahrgäste des nördlichen Streckenabschnitts der U8 hervor. Denn nun fährt jeder Zug bis Wittenau durch. An Wochentagen vormittags sowie am Wochenende endet sonst bisher jeder zweite Zug bereits am U-Bahnhof Paracelsus-Bad.

Die BVG bestreitet, nicht aktiv über die aktuelle Fahrplankürzung auf der U8 zu informieren. Sie verweist auf die im Internet veröffentlichten Bauinfos. In diesen findet sich in einer Fußnote zu baustellenbedingten spätabendlichen Pendelverkehren folgender Hinweis: “Tagsüber verkehrt die Linie im 6-Minuten-Takt.” Immerhin ist ein Ende absehbar: “Ab dem 22. März fahren die Züge wieder in den gewohnten Takten”, teilt die Pressestelle mit.

Die Ausfälle bei der BVG nehmen immer weiter zu. Sind 2022 noch 3,9 Millionen Nutzwagenkilometer bei Bus, Tram und U-Bahn ausgefallen, waren es im vergangenen Jahr bereits 5,4 Millionen Nutzwagenkilometer, wie die Anwtwort auf eine Anfrage des SPD-Verkehrspolitikers Tino Schopf zeigt. Derzeit sieht es nicht so aus, dass der Trend im laufenden Jahr gebrochen wird.

Fahrzeugmangel wird den U-Bahn-Betrieb weiter prägen. Nur 48 neue Wagen für die U-Bahn sollen dieses Jahr ausgeliefert werden, davon 36 für das sogenannte Kleinprofil der Linien U1 bis U4. Das entspricht dort gerade mal viereinhalb kompletten Zügen mit acht Wagen. Für das Großprofil von U6 bis U9 entsprechen die 12 Wagen gerade mal zwei Zügen. Dabei geht es um Vorserienzüge, die erstmal ausführlich erprobt werden müssen, bevor sie tatsächlich für den Fahrgasteinsatz zur Verfügung stehen werden.

Es wird spannend, ob im Frühjahr 2025 genug Züge für das U-Bahnnetz einsatzbereit sein werden. Dann sollen die Bauarbeiten auf dem Nordast der U6 zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Alt-Tegel beendet sein. Ohne die Sperrung des rund vier Kilometer langen Abschnitts mit den entsprechend reduzierten Bedarf an U-Bahn-Wagen wäre die Fahrzeuglage aktuell noch viel angespannter.

 

 

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