Die Verkehrspolitik der Hauptstadt-CDU sorgt mal wieder für bundesweite Aufmerksamkeit. Diesmal ist es die von CDU-Fraktionschef Dirk Stettner bei einem Essen mit Journalist*innen am vergangenen Freitagabend ventilierte Idee, dass Berlin eine fünf bis sieben Kilometer lange innerstädtische Magnetbahnstrecke bekommen soll. Es sei quasi alles eingetütet, in zwei bis drei Jahren Bauzeit könne sie dank Fertigteilbauweise realisiert sein – und das alles zum Schnäppchenpreis von 85 Millionen Euro. Finanziert werden sollte die Strecke aus dem geplanten Berliner Klimafonds. Die B.Z. fantasierte in ihrer nicht immer ganz präzisen Art bereits einen Baubeginn 2026 herbei. Obwohl noch nicht mal eine Strecke feststeht.
Am eifrigsten begeistert von dieser Idee zeigte sich Ute Bonde, Chefin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB). “Wir dürfen nicht immer zugucken, wenn andere Städte, so beispielsweise Hamburg oder Paris immer die Vorreiter sind und wir hinterhergucken und an unseren alten Systemen haften bleiben”, ließ sie das rbb-Inforadio wissen. Die Magnetschwebebahn sei leise, flexibel, könne sowohl ebenerdig als auch unter der Erde fahren. Zu den weiteren Vorteilen gehöre, dass sie fahrerlos ist, kostengünstiger als die U-Bahn und auf dem Dach könnten Photovoltaik-Sonnenreflektoren installiert werden, “so dass sie sich mit der Energie, die sie braucht, selbst speisen kann”, redete sich Bonde weiter in den Magnetrausch. Was diese Sonnenreflektoren sein sollten und wieviel Prozent (oder Promille?) des Energiebedarfs des Verkehrsmittels sein sollten, bleibt wohl ihr süßes Geheimnis.
Geballte CDU-Propaganda
Vielleicht ist dieser Hinweis hilfreich: Die ehemalige Finanz-Geschäftsführerin der BVG-Projektgesellschaft für den Bau der U5 wurde von der Berliner CDU bei ihrem damals erfolglosen Versuch, 2021 an die Macht zu kommen, als Schatten-Verkehrssenatorin präsentiert. Bonde, die offenbar wenige Technik-, geschweige denn verkehrswissenschaftliche Kenntnisse hat, gilt als Vertraute des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU). Bemerkenswert ist auch, dass überhaupt der VBB im Boot ist, der für die Verkehrsplanung in Berlin jenseits der Vollbahn überhaupt nicht zuständig ist.
Bondes Aussagen sind in so vielen Hinsichten verquer, dass man kaum weiß, wo man anfangen soll. Sie behauptet beispielsweise, dass eine M-Bahn auch Güter transportieren kann, was U-Bahnen oder Straßenbahn nicht könnten. Mit der entsprechenden Infrastruktur – Abstellgleise, Verladebahnhöfe und Güterfahrzeuge – können das alle drei genannten Verkehrsmittel gleich gut oder gleich schlecht. Die Zusatzkosten machen die Sache allerdings unter den aktuellen Gegebenheiten schlicht unwirtschaftlich. Ganz abgesehen davon, dass Güterverkhr betrieblich bei stark belegten Innenstadtstrecken schlicht ein Hindernis für den Personenverkehr wäre. Auch sagt sie, dass U-Bahnen mehr Transportkapazität hätten als Magnetbahnen. Auch das ist in dieser Schlichtheit falsch. Es hängt immer davon ab, wie groß man die Züge und Stationen dimensioniert. Berliner U-Bahnen sind bei voller Zuglänge um die 100 Meter lang.
Und da sind wir schon bei den Kosten. Bei Tunneln und längeren Brücken unterscheiden sich die Baukosten für eine Magnetbahn und eine U-Bahn nicht. Günstiger ist sie letztlich nur bei aufgeständerten Strecken aus Fertigbauteilen. Von Vorteil für die Trassierung ist, dass die M-Bahn relativ enge Kurvenradien und steilere Steigungen nehmen kann als eine klassische U-Bahn.
Verhöhnung des Klimaschutzes
Zu den ersten Kritikern des Magnetbahntraums der CDU gehörte Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin. Er konzentrierte sich dabei vor allem auf die Finanzierung. “Die Idee, eine Magnetbahn aus dem geplanten Berliner Klima-Sonderfonds finanzieren zu wollen, ist eine absolute Verhöhnung aller Menschen, die ernsthaft den Klimaschutz schnell voranbringen wollen”, sagte er. Es gehe bei dem Fonds darum, schnell Energie und CO2 einzusparen und den Umstieg auf regenerative Energien zu beschleunigen, was auch künftige Berliner Landeshaushalte entlasten kann. Ziel könne nicht sein, absurde Projekte zu finanzieren. “So eine Maßgabe ist auch zwingend im Lichte der Hinweise des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil aus der vorigen Woche, mit dem der Klimafonds auf Bundesebene gekippt worden ist”, so Heuser weiter. “Die Klimakrise ist zu bedrohlich, um mit ihr nach Art einer Spaßpartei umzugehen. Phantasieprojekte aus Beton leisten keinen Beitrag für die Klimaschutzziele”, unterstrich er.
Heuser forderte auch die Koalitionsfraktionen auf, sich von den Plänen zu distanzieren. Aus der CDU kamen solche Signale bisher nicht, deren verkehrspolitischer Sprecher Johannes Kraft unterstrich stattdessen die Vorreiterrolle mit so einem Projekt. Bei der SPD reagierte zuerst der Verkehrsexperte Tino Schopf. “Das macht mich schon wieder sauer – wie beim Vorstoß zum Mobilitätsgesetz”, sagte er zu “nd”. “Mit mir hat er darüber nicht gesprochen und mir ist auch nicht bekannt, dass da sonst jemand drüber gesprochen hat.” Als Schwarz-Rot habe man gemeinsam einen Koalitionsvertrag mit klaren, finanziell abgesicherten Projekten im Bereich Verkehr beschlossen. Diese, so Schopf, müssten eigentlich Priorität haben. “Ich habe nichts gegen neue Ideen”, führte der SPD-Abgeordnete aus. “Aber in Zeiten, in denen wir knapp bei Kasse sind, sollten wir die 85 Millionen lieber in die Schieneninfrastruktur und autonomes Fahren investieren.” Fahrerlose Züge ließen sich dabei natürlich auch in der U-Bahn realisieren.
Schließlich äußerte sich gegenüber dem Newsletter Checkpoint des “Tagesspiegel” (Bezahlartikel) auch Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) eher ablehnend: “ Dort wird auch berichtet, dass der einzige deutsche Hersteller einer solchen Magnetbahn, der bayerische Baukonzern Max Bögel mit dem “Transportsystem Bögl”, bereits beim ehemaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorgefühlt habe.
Schöne Bilder vom Architekturbüro
Das Büro Graft Architekten hatte im Auftrag des Baukonzerns auch Entwürfe für eine Strecke von der Charité Mitte über den Hauptbahnhof zum Weddinger Standort Rudolf-Virchow-Klinikum der Charité und weiter auf das Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel, dem künftigen Gewerbe- und Wissenschaftsstandort Urban Tech Republic erarbeitet. Diese Strecke misst, das wird einen vielleicht gar nicht so überraschen, übrigens ziemlich genau sieben Kilometer. Gezeigt werden sollte damit eine Doppelnutzung. Einerseits als öffentliches Nahverkehrssystem zur Verbindung der vier genannten Punkte. Andererseits als internes Transportsystem, um die beiden Charité-Standorte virtuell zu einem Großstandort zusammenzufassen. Patient*innen, Proben, Personal und Material sollten so problemlos zwischen den rund drei Kilometer voneinander entfernten Kliniken transferiert werden können, was laut den Vorstellungen des Plans für Effizienzvorteile durch Abbau von Doppelstrukturen führen soll. Auf einer Wirtschaftsdelegationsreise nach New York im Jahr 2019 hatte ein mitreisender Architekt intensiv versucht, das Projekt der damaligen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) schmackhaft zu machen. Allerdings vergebens.
Ein prominentes Grünen-Mitglied ist jedoch mit an Bord, der ehemalige Verkehrs-Staatssekretär Jens-Holger Kirchner. Er war 2018 von der damaligen Verkehrssenatorin Regine Günther nach längerer Absenz aufgrund einer Krebserkrankung entlassen worden, was für große Empörung sorgte. Michael Müller holte ihn schließlich in die Senatskanzlei, wo er seitdem für besondere Projekte zuständig ist. Nun also für die Magnetbahn, was die Rückendeckung Kai Wegners für das Vorhaben zeigt.
Entscheidungsweg falschrum
Widerstand gegen das Projekt kam auch aus der Wissenschaft. Einer der führenden Eisenbahnexperten Deutschlands, Professor Markus Hecht von der Technischen Universität Berlin, sagte: “Die Kosten für den Bau einer aufgeständerten Magnetschwebebahn denen für eine neue U-Bahn-Strecke gegenüberzustellen, ist wie ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Natürlich ist eine unterirdische Bahn teurer als eine aufgeständerte oberirdische – aber das muss deshalb keine Magnetschwebebahn sein.” Genauso gut und wesentlich billiger könne man auch eine ganz normale Bahnstrecke aufständern.
Zudem berge die Zulassung eines völlig neuen Konzepts für eine Magnetschwebebahn in Berlin unkalkulierbare zeitliche und finanzielle Risiken. “Nehmen Sie nur die Fluchtwege, die bei heutigen aufgeständerten Schienenbahnen – wie etwa Teilen der Berliner S-Bahn – entlang der Strecke realisiert sind. Hier können die Passagiere im Notfall jederzeit aus der Bahn. Ich kenne aber keine Magnetschwebebahn, bei der dieses Sicherheitskonzept momentan integriert ist”, so Hecht. Solche Fragen seien aber für eine Zulassung in vertretbarer Zeit essentiell.
Professor Markus Hecht legte auch den Finger in die Wunde der Entscheidungsfindung: “Ich wundere mich sehr, dass hier der Entscheid für eine neue Technologie im Vordergrund steht und nicht die Frage, welcher Verkehrsbedarf in Zukunft an welcher Stelle in Berlin befriedigt werden soll.”
Über das negative Echo in Berlin empört zeigt sich David Harder in einem Beitrag auf der von ihm betriebenen Internetseite magnetbahn.org. Zurecht moniert er diverse technische Fehlannahmen, die in verschiedenen Medienbeiträgen verbreitet worden sind. Auch den BUND Berlin bezichtigt er dessen. Allerdings geht er von der Fehlannahme aus, er würde eine U-Bahn bevorzugen und verbreitet seinerseits eine allzu positive Sichtweise des Systems.
Interessant sind seine einleitenden Sätze. “Berlin plant, eine Magnetschwebebahn in der Innenstadt zu errichten. Zum Einsatz kommen soll das Transport System Bögl: Eine neuartige Magnetschwebebahn, die für den Nahverkehr entwickelt wurde”, schreibt er. So eine Vorfestlegung dürfte schwerlich mit dem Vergaberecht vereinbar sein, an das die öffentliche Hand gebunden ist. Nicht umsonst sprechen die CDU-Magnet-Fans von Herstellern im Plural, wenn auch schwerlich ein anderer Produzent als Bögl in Frage kommen dürfte. Zwar gibt es in Südkorea, Japan und China Systeme, doch teilweise plagen sie größere technische Probleme oder es sind keine unabhängigen Informationen über sie zu bekommen.
Völlig unrealistischer Zeitplan
Die Zeitschiene für einen Bau der Magnetbahn, die die CDU beschreibt, ist jedenfalls völlig unrealistisch. “Für den Bau einer Magnetbahn muss wie bei einer U- oder Straßenbahnstrecke ein Vorplanungsprozess mit sechs Leistungsphasen von jeweils mindestens zwei Jahren Länge durchlaufen werden”, sagte laut Berliner Zeitung Jürgen Murach, Vizepräsident des Verbands Deutscher Eisenbahn-Ingenieure. “Dann folgt das Planfeststellungverfahren.” Insgesamt könne man von zwölf bis 16 Jahren Umsetzungszeit ausgehen, wenn man die Bahn für den öffentlichen Verkehr bereitstellen will, rechnete der Bahnexperte vor.
Autor Andreas Sebayang rechnet im Online-Magazin heise.de ausführlich vor, dass auch der von der CDU genannte Kostenrahmen für eine Magnetbahn jenseits der Realität ist. Sein Fazit: 300 bis 400 Millionen Euro müssten schon fließen, um eine sinnvolle Strecke zu bauen. Selbst ein weitgehend nutzloses eingleisiges Minimalprojekt mit fünf Kilometern Länge und nur zwei Stationen würde laut Preisstand 2020 mindestens 91 Millionen Euro kosten. Die verwendeten Zahlen sind frei im Internet verfügbar. Denn das Bundesverkehrsministerium hatte noch unter Führung von Andreas Scheuer (CSU) zwei Studien dazu anfertigen lassen.
Doch solche Kritik macht CDU-Fraktionschef Dirk Stettner nur trotzig. “Wer immer jede Innovation und Idee pauschal ablehnt von wegen ‘Hatten wir doch alles schon mal’ oder ‘Das haben wir doch noch nie so gemacht’ denkt für Berlin zu klein”, sagte Stettner dem “Tagesspiegel”. “Wer nicht den Mut hat, Neues zu prüfen, verharrt im Alten.”
Abhängig von einem Hersteller
Noch gar nicht in der lebhaften Diskussion thematisiert worden ist ein weiteres Problem, das herstellerspezifische Systeme für Betreiber bereithalten können. Während bei normalen Schienenfahrzeugen viele Konzerne und auch kleinere Hersteller um Kunden konkurrieren, herrscht bei Spezialsystemen kein Wettbewerb. Der einzige Hersteller kann Monopolpreise verlangen. Sieht er keine wirtschaftliche Zukunft für sein Produkt, kann er die Produktion auch komplett einstellen. Erweiterungen von Streckennetz und Fuhrpark, aber auch die Ersatzteilversorgung.
Diese Erfahrungen mussten bereits die französischen Städte Caen und Nancy machen, die auf das Verkehrssystem TVR des Herstellers Bombardier setzten, eine Technik, die die Nachteile von Straßenbahn und Bus vereint. Caen hatte den Betrieb 2017 eingestellt und 2019 eine klassische Straßenbahn eröffnet. In Nancy verkehren seit diesem Jahr Doppelgelenk-Obusse ohne Spurführung. Auch beim ähnlichen und etwas besser verkauften System Translohr, das auch in Paris auf zwei Linien zum Einsatz kommt, droht perspektivisch eine Einstellung. In China ist bereits die erste Linie stillgelegt worden.
Und weil man die Diskussionen schon kennt und auch die Prüfung von Seilbahnen im Kaolitionsvertrag vorgesehen ist: Gerade hat Zürich eine umfangreiche Untersuchung zu möglichen Seil-, Hänge- und Hochbahnen in der Stadt abgeschlossen. Ergebnis: Diese Bahnen sind unwirtschaftlich und bringen keine Verbesserung des öffentlichen Verkehrs im Stadtgebiet. Die Neue Zürcher Zeitung hat einen lesenswerten Artikel dazu veröffentlicht.