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Wer macht die Berliner Verkehrspolitik?

Die Magnetbahn ist ein Bürgermeister-Projekt

© by Transport System Bögl

“Ich finde es ganz spannend, wenn wir über moderne Mobilitätsformen sprechen, die in anderen Ländern der Welt zum Einsatz kommen”, diktierte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) der Deutschen Presse-Agentur kurz vor Silvester. Er meint damit nicht den umfassenden Aufbau eines Straßenbahnnetzes oder das Zurückdrängen des Autoverkehrs zugunsten von Fuß- und Fahrradverkehr wie in Paris. Es geht ihm um die Magnetbahn.

Gerade über die Kritik des BUND Berlin daran sei er sehr verwundert. “Die Magnetschwebebahn ist ein sehr leises Verkehrsmittel und auch ein sehr umweltfreundliches. Es wäre auch möglich, direkt darunter Fahrradschnellwege zu bauen”, hat Wegner auch eine Vision. Das Muster der Verwunderung ist ähnlich wie bei der BVG, die im Zuge der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD ihre “Vision Expressmetropole” lancierte. Auf 318 Kilometer mehr als verdoppeln sollte sich demnach das Berliner U-Bahn-Netz.

Unsere Kritik an beiden Visionen ist und bleibt im Kern dieselbe: Sie sind die komplette Verkennung der verkehrspolitischen Notwendigkeiten in der Stadt. Angesichts der eskalierenden Klimakrise muss mit Nachdruck das Straßenbahnnetz der Hauptstadt ausgebaut werden. „Es droht, dass mit Verweis auf die angedachten neuen U-Bahn-Strecken bereits fest vereinbarte Straßenbahn-Ausbauten gestoppt werden. Und das, obwohl allein schon angesichts der Kosten die Realisierung der U-Bahn-Träume vollkommen unrealistisch ist. Dazu kommt noch der eklatante Fachkräftemangel im Planungs-, Bau- und Genehmigungsbereich“, warnte unser Geschäftsführer Tilmann Heuser im März.

Zwar scheint es inzwischen so, dass Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) bereits laufende Straßenbahnprojekte nicht stoppen will. Weitere Planungsschritte wurden für die Verlängerung von Johannisthal in die Gropiusstadt vom Senat beschlossen. Für das Mammutprojekt einer fast 14 Kilometer langen Strecke vom Potsdamer Platz über die Sonnenallee nach Schöneweide soll die Grundlagenuntersuchung dieses Jahr starten – der erste Schritt hin zum Planfeststellungsverfahren.

Mittelgut sieht es nun für die Verlängerung der M2 von Heinersdorf in den Blankenburger Süden aus. Sie soll den S-Bahnhof Blankenburg nicht mehr erreichen, sondern mitten im geplanten Wohngebiet, rund einen Kilometer vor dem Knotenpunkt, enden. Geschont werden sollen damit die Grundstücke in der sogenannten Erholungsanlage. Die größten Eingriffe waren dort allerdings für die geplante Straße vorgesehen. Es ist durchaus fraglich, ob die Tramstrecke den für die Bundesförderung nötigen Nutzen-Kosten-Faktor von über eins ohne die Verknüpfung erreichen kann.

Eher unwahrscheinlich ist das für die überbordenden U-Bahn-Pläne für den Nordosten. Die U9 soll demnach von der Osloer Straße “über Pankow-Kirche nach Heinersdorf, Blankenburg und Karow hinaus” verlängert werden, außerdem soll noch die seit über 100 Jahren geplante U10 vom Alexanderplatz über Weißensee weiter in das Gebiet führen.

Tatsächlich ist in den Grundlagenuntersuchungen zum Blankenburger Süden auch eine U-Bahn-Anbindung geprüft worden. Wegen der “sehr hohen Investitionskosten” für die U-Bahn und einer “vergleichsweise geringen Wirtschaftlichkeit” ist laut der öffentlich verfügbaren Kurzfassung der Untersuchung die Tram die beste Wahl. In der Spitzenstunde werden demnach nur 1000 bis 1500 Fahrgäste erwartet. Letztlich würden sogar im Berufsverkehr zwei U-Bahn-Züge pro Stunde reichen, um alle Passagiere zu befördern.

Im Interview mit der Berliner Zeitung (Bezahlartikel) sah Verkehrssenatorin Manja Schreiner keine ernsthaften Hürden für die Verlängerung der M10 von der Warschauer Straße zum Hermannplatz durch den Görlitzer Park und es scheint auch einen Schwenk bei der Straßenbahn vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz durch die Leipziger Straße zu geben. Sie bleibt zwar dabei, dass der Bau nicht dazu führen dürfe, “dass in der Leipziger Straße kein Autoverkehr mehr abgewickelt werden kann” und ventiliert erneut, dass geprüft werden müsse, “ob die Straßenbahnstrecke parallel zur Leipziger Straße durch Nebenstraßen geführt werden könnte”. Allerdings spricht sie auch eine andere Lösung an: “Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass wir in diesem Bereich von Mitte ein Einbahnstraßensystem einführen.”

Mit dem Einbahn-System würde der vor 15 Jahren erfolgte Durchstich der Französischen Straße in Mitte zwischen Wilhelm- und Mauerstraße die Funktion bekommen, mit der er bereits in den 1990er Jahren vom damaligen CDU-Verkehrssenator Jürgen Klemann begründet worden ist: Den Bau der Straßenbahn auf der Leipziger Straße zu ermöglichen. Klemann nannte übrigens auch die Straßenbahn und nicht die U-Bahn als einzige wirtschaftliche Lösung für die Erschließung der damals noch wesentlich umfangreicher geplanten Wohnungsbauprojekte im Berliner Nordosten.

Bisher hält Manja Schreiner trotz großen Widerstands ihrer Parteifreunde aus dem Abgeordnetenhaus, namentlich Fraktionschef Dirk Stettner, dem verkehrspolitischen Sprecher Johannes Kraft, sowie der Wahlkreisabgeordneten und Bildungssenatorin Katharine Günther-Wünsch und außerdem des Bundestagsabgeordneten Mario Czaja, an den Plänen für die Verkehrslösung Mahlsdorf fest. Die Straßenbahn soll auf bisheriger Streckenführung endlich das zweite Gleis bekommen, der Autoverkehr über eine neue Parallelverbindung geführt werden. Nach 17 Jahren Planung und Diskussion würde damit eine gefundene Lösung, um endlich den Zehn-Minuten-Takt auf dieser Tangentialverbindung einführen zu können, erneut zur Disposition gestellt. Statt wie derzeit geplant im Jahr 2026 wäre eine Umsetzung nicht vor 2032 zu erwarten.

Dass die CDU-Herren oft nicht so sonderlich interessiert, was ihre Verkehrssenatorin denn so für Pläne hat, zeigt auch die Magnetbahn. “Nach Auskunft des VBB besteht eine durch den Regierenden Bürgermeister eingerichtete behördenübergreifende Arbeitsgruppe, die unter Leitung des VBB überwiegend aus Vertreterinnen und Vertretern der Senatskanzlei, der BVG und der BEHALA besteht. Die Arbeitsgruppe tagt in unterschiedlichen Konstellationen. In dieser Arbeitsgruppe wird die Beauftragung einer Vorabuntersuchung und einer Machbarkeitsstudie erörtert. SenMVKU wird die Arbeitsgruppe künftig inhaltlich unterstützen”, heißt es  in der Antwort der Verkehrsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage des Linke-Verkehrsexperten Kristian Ronneburg. An einem einzigen Treffen habe die Verkehrsverwaltung “auf Arbeitsebene” teilgenommen.

Die Magnetbahn ist also letztlich ein Projekt des Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, der seine CDU-Parteifreundin Ute Bonde, Chefin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, beauftragt hat, es voranzutreiben. “Fakt ist: Wir brauchen in den Außenbezirken ein Schienenangebot des öffentlichen Personennahverkehrs”, sagt Kai Wegner. Womit er recht hat. Das Mittel der Wahl ist in den allermeisten Fällen die Straßenbahn. Sie ist vergleichsweise preiswert, lässt sich auch vergleichsweise schnell bauen und die Kapazität ist für fast alle in Berlin noch nicht abgedeckten Korridore angemessen. Das Werben mit der schnellen Bauzeit einer möglichen Magnetbahn ist eine Nebelkerze. Denn der Zeitfresser bei den Vorhaben ist die Planung und Genehmigung. Daran ändert die Fahrwegtechnologie genau nichts.

 

links

BUND-Pressemitteilung zum Sondervermögen (7. Nov. 2023)

BUND-Kommentar zu CDU-Plänen für Magnetschwebebahn (20.Nov. 2023)

 

 

 

 

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