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Die Hermsdorfer Tongrube

Naturschutz ist der Politik ziemlich egal

Reinickendorf hat viele Naturschätze, große und kleine und zu den kleinen gehören die Hermsdorfer Tongruben. Für die kleine Tongrube feierte der Bezirk vor Kurzem den Abschluss der Renaturierung und die Öffnung für die Öffentlichkeit[1] – Alles Gut?

Dazu ein Blick zurück: Diese Tongruben sind keine heißen Brennpunkte der Artenvielfalt, aber doch ein wertvoller Lebensraum mit Steilufern, einem Flachwasserbereich und naturnahen Randbereichen. Für die Tongruben wurde Anfang der 80er Jahre ein Landschaftsplanverfahren eingeleitet, um einer geplanten Bebauung des wertvollen Ufers zuvorzukommen. Gemessen an heutigen Verfahren ist die damalige, kleine, 20-seitige Broschüre als Grundlage für die vorgezogene Bürgerbeteiligung sehr mager, aber sie enthält die wesentlichen Hinweise auf dort lebende geschützte Arten, auf Arten der Roten Liste, auf ihre Lebensraumansprüche und auf wertvolle Biotope. Auf dieser Grundlage wurde dann 1996 der Landschaftsplan XX-L-5 festgesetzt[2]. Für den Teil der kleinen Tongrube, der dem Bezirk gehört, werden unter anderem eine Biotopentwicklungsfläche und ein Entwicklungsgebiet für Röhricht- und Schwimmblattpflanzen festgesetzt. Die Verordnung legt beispielsweise für diese Biotopentwicklungsfläche Folgendes fest:

„Auf der festgesetzten Biotopentwicklungsfläche ist an der südwestlichen und südöstlichen Grundstücksgrenze eine Schutzpflanzung aus alten Obstkultursorten anzulegen. Auf der ebenen Fläche ist jährlich zusammenhängend etwa 150 m² Vegetation zu entfernen und der Boden aufzureißen. Auf dem Rest der Fläche ist die Hochstaudenflur zu erhalten. Aufkommende Gehölze sind alle vier Jahre zu entfernen. Die Böschung ist einmalig abzugraben und einmal jährlich von Vegetation zu befreien. Unterhalb der Abgrabungsfläche sind alle Gehölze jährlich im Winter auf Stock zu setzen.“

Um es kurz zu machen: geschehen ist 26 Jahre gar nichts – jedenfalls in dem Teil, der dem Bezirk gehört. Der private Teil wurde von den jetzigen Eigentümern, die die Qualität dieses Kleinods zu schätzen wissen, in den letzten Jahren engagiert nach Kräften gepflegt.

Mit über die Jahre angesammelten Ausgleichsgeldern hat dann der Bezirk 2020/2022 für 250.000 Euro großflächig die aufgekommenen Gehölze entfernt, wertvolle Bäume aber gelassen, Böschungen neu strukturiert, Gebüsche angelegt und Platz für eine Wildwiese geschaffen. Das entspricht zwar nicht 100%ig dem Landschaftsplan, aber das ist nicht das Problem. Das Problem besteht in zwei – durchaus zusammenhängenden – Teilen:

  1. Wieso lässt der Bezirk Reinickendorf diese Fläche gegen die Aussagen seines eigenen Landschaftsplans zuwachsen, ist völlig untätig, obwohl das Berliner Naturschutzgesetz in § 9 (1) vorschreibt:

„Der Landschaftsplan setzt, soweit es erforderlich ist, rechtsverbindlich die Zweckbestimmung von Flächen sowie Schutz- einschließlich Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen und die zur Erreichung der Ziele notwendigen Gebote und Verbote sowie Ordnungswidrigkeitentatbestände fest.“

Der Bezirk antwortet hier aber nur achselzuckend mit dem Hinweis auf Mangel an Personal und Geld.

  1. Es ist nun auch noch zu befürchten, dass die Fläche wieder zuwächst. Der Bezirk hat die Flächen zwar in seine „normale“ Grünflächenpflege integriert, aber diese kann nicht die Qualität sicherstellen, die der Landschaftsplan – oder der naturschutzfachliche Sachverstand – verlangt. Auch hier ist wieder die Hilflosigkeit, das qualifiziertes Personal oder Geld oder beides fehlt.

Fazit

Da werden private Investoren mit Recht gezwungen, ihre Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen 25 Jahr lang zu pflegen, aber die öffentliche Hand schert sich nicht drum – genauso wenig wie um die Auflagen des eigenen Landschaftsplans. Wundert sich noch jemand, dass die Schätze der Berliner Natur immer weniger werden? Dass Stück für Stück große – oder wie hier kleine – Naturoasen den Bach runtergehen?

Die Berliner Natur stirbt nicht wegen der Vernachlässigung dieser einzelnen Tongrube, aber sie stirbt wegen der für diese Vernachlässigung verantwortlichen Haltung in den politischen Entscheidungsgremien, dem Abgeordnetenhaus, dem Senat, den Bezirksämtern und den Bezirksverordnetenversammlungen. Weil diesen – obwohl einzelne sich immer durchaus engagieren – der Naturschutz insgesamt ziemlich egal ist.

[1] https://www.berlin.de/ba-reinickendorf/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1315188.php

[2] http://fbinter.stadt-berlin.de/fb_daten/sachdaten/lplan/pdf/XX-L-5.pdf

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